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    Le Weekend
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Le Weekend
    Von Andreas Günther

    Im wirklichen Leben mag es nicht immer lustig sein, ehemalige Mitschüler oder Kommilitonen nach Jahren wieder zu treffen, im Film dagegen schon – zumindest für den Zuschauer. Für „Le Weekend“, den neuen Film des britischen Regisseurs Roger Michell („Notting Hill“), bedeutet es sogar die Rettung: Plätscherte die melancholisch-romantische Dramödie aus der Feder von Hanif Kureishi („Mein wunderbarer Waschsalon“) zu Beginn etwas belanglos dahin, wird mit dem unverhofften Wiedersehen zweier alter Kameraden aus Cambridge richtig Schwung aufgenommen. Das Ergebnis ist witzig und nimmt mit seiner Lebensklugheit ein.

    An ihrem dreißigsten Hochzeitstag wollen Hochschullehrer Nick (Jim Broadbent, „Drecksau“) und Biologielehrerin Meg (Lindsay Duncan, „Alles eine Frage der Zeit“) ein Wochenende in Paris verbringen, wohin sie einst auch ihre Hochzeitsreise geführt hatte. Doch das früher schöne Hotel ist inzwischen ziemlich heruntergekommen und so nötigt Meg ihren Mann zur Übernachtung in einer Luxusherberge, die ihre finanziellen Möglichkeiten eigentlich übersteigt. Fehlendes Geld, nachlassende sexuelle Anziehung, unerfüllte Wünsche und erste körperliche Gebrechen werden zu Dauerstreitthemen des Paares, das miteinander hadert und doch immer wieder im Namen der Liebe zusammenzufinden scheint. Doch dann treffen sie nach einer Zechprellerei in einem Austernrestaurant auf den schillernden Morgan (Jeff Goldblum, „Independence Day“), einen ehemaligen Kommilitonen von Nick, der ganz groß Karriere gemacht hat. Morgan lädt das Paar zu einer Party ein, die das Leben der Burrows verändern wird.

    Man könnte „Le Weekend“ als weiteren Beleg dafür anführen, dass der 1954 geborene Autor Hanif Kureishi meist Stoffe und Figuren entwickelt, die ungefähr seinem Alter entsprechen. Als gerade noch junger Wilder trug er in den 1980er Jahren mit Drehbüchern für Filme von Stephen Frears  wie „Mein wunderbarer Waschsalon“ und „Sammy und Rose tun es“ zum New British Cinema bei und schuf fast im Alleingang ein metrosexuell-kosmopolitisches Lebensgefühl. Um die Jahrtausendwende schockte der nach Geschichte von Kureishi entstandene „Intimacy“ mit sexueller Freizügigkeit. Dann wurden die Abenteuer seiner Figuren ruhiger, wenngleich er „Lawrence von Arabien“ Peter O´ Toole in „Venus“ um ein Haar zu spätem Oscar-Ruhm verholfen hätte. Nun beschreibt er in „Le Weekend“ eine im Trott des immer Gleichen erstarrte Ehe.

    Dies ist allerdings der schwächere Part von „Le Weekend“: Der Kontrast zwischen der stolzen, ergrauten Dame und dem Ehemann mit der furchtbaren Plastiktüte im Schlepptau trägt ebenso wie die Zänkereien zwischen ihnen nur für ein paar Minuten. Richtig humorvoll-rasant wird es nur, wenn Meg bei der Zechprellerei durchs Kellerfenster des Restaurants entwischen muss. Sonst erschöpfen sich Kureishi und Michell in Szenen, in den Nick beim exquisiten Essen demonstrativ schmatzt und damit seiner Frau den Genuss zerstört, oder ausführlich über neue Badezimmerkacheln reden will. Dies wirkt bei der Figur des engagierten Philosophie-Professors genauso aufgesetzt wie die geradezu viktorianische Prüderie beim Widerpart Meg.

    Mit dem Auftritt von Jeff Goldblum nimmt „Le Weekend“ dann aber so richtig Fahrt auf. Die Konfrontation der beiden so unterschiedlichen Studienfreunde führt zu einer spannenden Frage: Welche Rolle spielen wir im Leben der anderen? Denn zu seiner großen Überraschung bekommt der bankrotte Nick Burrows von dem berühmten Gelehrten und Bestsellerautor Morgan zu hören, dass er Burrows praktisch alles verdankt und ihn geradezu verehrt. Dass nicht nur wir, sondern auch andere Menschen von unseren Gedanken und unserer Energie leben, ist eine immens weise und von Kureishi glänzend in sein Drehbuch eingewebte Botschaft.

    Sie zudem von Jeff Goldblum als ebenso quirliger wie liebenswürdiger Quasselstrippe überbringen zu lassen, ist ein großer Glücksfall. Wie schon in „Jurassic Park“ ist der schlaksige Hollywood-Veteran als exzentrischer Star-Intellektueller ganz in seinem Element und scheint mit seinem typischen Manierismus winziger Verzögerungen im Sprechen, die Pointen von Kureishis Text erst zu entzünden. Von Morgan lernt Nick ein Stück Leichtigkeit, die ihn und seine Frau wieder tanzen lässt… Und auch dem Zuschauer beschert Goldblums Auftritt einige witzige Momente.

    Fazit: Roger Michells „Le Weekend“ ist als Porträt eines Paares im fortgeschrittenen Alter zu Beginn eher banal, wird aber mit Fortlauf immer besser. Das ist vor allem Jeff Goldblum zu verdanken, der das von Hanif Kureishi geschriebene Drehbuch doch noch zum Funkeln bringt.

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