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    Youth
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Youth
    Von Ulf Lepelmeier

    Im israelischen Kino war man lange Zeit auf die angespannte außenpolitische Lage des Landes fokussiert, die neben dem Konflikt mit den Palästinensern fast ausschließliches filmisches Sujet war. Seit einigen Jahren widmen sich Regisseure jedoch zunehmend auch innenpolitischen und insbesondere sozialen Belangen Israels. Auch Tom Shoval fängt eine israelische Wirklichkeit jenseits des Nahostkonfliktes ein und nimmt in seinem Drama „Youth“ eine Mittelstandsfamilie in den Blick, die den sozialen Abstieg befürchtet. Die Geschwister Yaki und Shaul schrecken zur finanziellen Rettung ihrer Eltern dabei selbst vor einem schweren Verbrechen nicht zurück und geraten als Möchtegernentführer in eine tragische, bisweilen aber auch amüsante Spirale aus Übermut und Angst.

    Die unzertrennlichen Brüder Yaki (David Cunio) und Shaul (Eitan Cunio) machen sich große Sorgen um ihre Familie: Seit ihr Vater Moti (Moshe Ivgy) seinen Arbeitsplatz verloren hat, kämpft er mit Depressionen und beobachtet hilflos, wie die finanzielle Lage der Familie immer schwieriger wird. Denn auch wenn sich die Mutter Paula (Shirili Deshe) bemüht, mit kleineren Jobs genügend Geld nach Hause zu bringen, droht der vierköpfigen Familie die Zwangsräumung aus ihrem Appartement. Die beiden Brüder wollen nicht einfach zusehen, wie ihre Familie zusammenfällt und schmieden den gewagten Plan, eine Mitschülerin von Shaul zu entführen, um von deren betuchten Eltern ein stattliches Lösegeld zu erpressen. Als der gerade seinen Militärdienst leistende Yaki für ein Wochenende nach Hause kommt, schlagen die Geschwister zu und bringen das Mädchen Dafna (Gita Amely) in ihre Gewalt. Schnell jedoch entwickelt sich die Entführung ganz anders als geplant…

    Mit 18 Jahren werden Männer wie Frauen in Israel zum drei- bzw. zweijährigen Wehrdienst eingezogen. Partys und das unbeschwerte Leben der Jugend müssen für den Dienst an der Waffe, der nicht selten mit einem übertriebenen Machtgefühl bei den jungen Erwachsenen einhergeht, zurückgelassen werden. Yaki, der etwas ältere der beiden Brüder, scheint durch sein Maschinengewehr, das er auch bei seinem Heimaturlaub stets bei sich führt, eine gefährliche Selbstsicherheit erlangt zu haben. Angestachelt vom Mantra des Vaters, dass man ohne Geld einfach nichts sei, sowie der Angst vor dem sozialen Abstieg der Familie, schmieden die Brüder einen von amerikanischen Actionfilmen inspirierten Entführungsplan.

    Dabei nimmt Yaki zwar die Rolle des Anführers ein, doch ansonsten begegnen sich die Brüder auf Augenhöhe und fühlen sich eng miteinander verbunden. Dieses beinahe symbiotische Verhältnis der Geschwister wird von den beiden Hauptdarstellern – im echten Leben übrigens Zwillinge, die hier zum ersten Mal vor der Kamera stehen - hervorragend vermittelt. David und Eitan Cunio, die ihr Geld als Automechaniker verdienten und zur Vorbereitung auf die Dreharbeiten einen halbjährigen Schauspielkurs belegten, können den Übermut, aber auch die Sorgen und Ängste der beiden Jugendlichen überzeugend wiedergeben. Um den Altersunterschied der Filmbrüder glaubhaft zu suggerieren, musste einer der Zwillingsbrüder übrigens stark abnehmen während der andere an Gewicht und Muskelmasse zulegte.

    Angesichts der immer stärker wahrnehmbaren Einkommensunterschiede und der rapide ansteigenden Lebenshaltungskosten in Israel, nimmt auch der soziale Druck spürbar zu. Das Ohnmachtsgefühl des arbeitslosen Vaters, die Verzweiflung der Mutter und die Ahnung, was es für die Familie bedeuten würde, das geliebte Zuhause verlassen zu müssen, lässt die jungen Männer unterschiedliche Geldbeschaffungszenarien ersinnen. Dass sich die Brüder letztlich für die Entführung einer Schülerin aus reichem Hause entschließen, zeigt sowohl ihre dem Zeitdruck geschuldete Verzweiflung als auch ihre jugendliche Leichtsinnigkeit.

    Viel zu kurzsichtig ist ihr Plan, so dass sich schnell ungeahnte Komplikationen ergeben. Besonders die zeitliche Beschränkung der Entführung auf ein Wochenende, an dem Yaki Freigang hat, erweist sich als verhängnisvoller Fehler: Die zwischen purer Panik und vorsichtiger Aufsässigkeit schwankende Geisel konfrontiert die beiden jungen Geiselnehmer zunehmend mit ihrer Unfähigkeit und eigenen Unsicherheit. So sorgt das dilettantische Vorgehen der Möchtegerngangster für einige amüsante Momente in einem Film, der so auch auf durchaus humorvolle Weise eine israelische Realität jenseits des Nahostkonflikts zeigt.

    Fazit: Zwei Brüder, ein waghalsiger Plan und kein zurück – Regisseur Tom Shoval zeigt in seinem Film „Youth“ ein besonders inniges Bruderpaar, das die finanziellen Probleme ihrer Familie auf unorthodoxe Weise zu lösen versucht, aber dabei ins Straucheln gerät.

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