Das Konzept der „ABCs of Death“-Reihe ist simpel: 26 Regisseure aus aller Welt erhalten jeder einen der Buchstaben des Alphabets. Anschließend denken sie sich ein mit diesem Buchstaben beginnendes Wort aus, zu dem sie einen passenden Kurzfilm zum Thema „Tod“ drehen. Dabei haben die Filmemacher die komplette kreative Freiheit über ihre Werke. 2012 ist das im ersten Anlauf ziemlich gut gelaufen (--> zur FILMSTARTS-Kritik): „The ABCs of Death“ enthielt einige absolute Highlights wie Xavier Gens‘ „X is for XXL“ oder Srdjan Spasojevics „R is for Removed“ und geriet dabei zum Teil dermaßen extrem, dass hierzulande vier der 26 Kurzfilme gar nicht gezeigt werden dürfen, weshalb der Film in Deutschland den Titel „22 Ways to Die“ trägt. Nun geht die Horror-Anthologie in die zweite Runde, aber leider ist die Luft offenbar schon wieder raus: Das Sequel bietet weniger Höhepunkte, reichlich Totalausfälle und gar keine Filme mehr, die die Grenzen des guten Geschmacks so sehr torpedieren wie etwa Timo Tjahjanto mit seinem jetzt schon legendären „L is for Libido“ (einer der geschnittenen Shorts des Vorgängers). Und weil die einzelnen Beiträge von „ABCs of Death 2“ tatsächlich nichts gemeinsam haben, außer dass sie von denselben Produzenten in Auftrag gegeben wurden, gehen wir sie an dieser Stelle auch alle einzeln durch:
„A is for Amateur“ von E.L. Katz: Nach seinem hundsgemeinen Debüt „Cheap Thrills“ setzt der Newcomer auch diesmal wieder auf blutig-schwarzen Humor. In seinem Kopf hat sich der Auftragskiller-Protagonist den Job perfekt ausgemalt: stylische Inszenierung, treibender Score, nackte Lesben. Aber im wahren Leben ist ein Lüftungsschacht eben selten so blitzblank geputzt wie in einem „Mission: Impossible“-Blockbuster… Am Ende setzt Regisseur Katz alles auf eine trockene Pointe – und trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit zündet die auch. (2,5 von 5 Sternen)
„B is for Badger“ von Julian Barratt: Ein Kamerateam dreht einen Beitrag über Dachse, wobei sich der Moderator gegenüber seiner Crew dermaßen daneben benimmt, dass man ihm schon bald den Tod wünscht… Natürlich wird der Blutdurst des Publikums am Ende gestillt, allerdings bei weitem nicht so extrem, wie man es nach den ersten grauenhaften Lauten aus dem Dachsbau erwartet hätte. So ist das leider alles ziemlich lahm. (1,5 von 5 Sternen)
„C is for Capital Punishment“ von Julian Gilbey („A Lonely Place to Die“): Ein Lynchmob schleppt den mutmaßlichen Mörder eines 14-jährigen Mädchens in den Wald, um ihm dort den Kopf abzuhacken. Unterdessen kommt im Fernsehen die Nachricht, dass der vermisste Teenager wieder aufgetaucht ist… Ein ziemlich simpel gestricktes Plädoyer gegen die Todesstrafe, dessen moralische Wucht zudem zwischen der amateurhaften Inszenierung und den grottigen Schauspielleistungen endgültig verschütt geht. (0,5 von 5 Sternen)
„D is for Deloused“ von Robert Morgan: Ein grotesk verunstalteter Mann liegt auf einer Streckbank und bekommt eine Giftinjektion verpasst. Aber noch bevor er vollständig ins Totenreich überwechseln kann, beginnt ein mutiertes Insekt (in dessen Anus ein Stoffpanda mit riesigen Zähnen steckt), den Körper des Sterbenden aufzufressen… Ein verstörend-surrealer Albtraum aus Wachs - als ob „Eraserhead“-Mastermind David Lynch einen Aardman-Film („Wallace & Gromit“) inszeniert hätte. (3,5 von 5 Sternen)
„E is for Equilibrium“ von Alejandro Brugués: Als zwei auf einer einsamen Insel gestrandete Kumpels eine wunderschöne angespülte Frau am Strand entdecken, entbrennt schnell ein eifersüchtiger Konkurrenzkampf zwischen den beiden… Leider ist die sexistische „Bros Before Hos“-Pointe nicht halb so lustig wie Alejandro Brugués‘ kubanischer Zombie-Hit „Juan of the Dead“. Dafür gibt es zumindest ein kurzes Wiedersehen mit dem wohl berühmtesten Volleyball der Kinogeschichte: Wilson aus „Cast Away – Verschollen“. (1 von 5 Sternen)
„F is for Falling“ von Aharon Keshales und Navot Papushado: Nach einem missglückten Fallschirmsprung hängt eine israelische Soldatin in einem Baum fest, als ein junger palästinensischer Freiheitskämpfer auf seinem Esel vorbeikommt… Nachdem das Regieduo Keshales und Papushado zuletzt mit dem Rache-Thriller „Big Bad Wolves“ einen der moralisch ambivalentesten Filme der vergangenen Jahre abgeliefert hat, ist diese Kriegsparabel leider ziemlich platt (und zudem rassistisch). Die wohl größte Enttäuschung aller Beiträge in „ABCs of Death 2“. (1 von 5 Sternen)
„G is for Grandad“ von Jim Hosking: Sein erwachsener, bei ihm lebender Prolet von einem Neffen nörgelt und meckert so lange an allem rum, bis Großvater auch einfach mal die Hutschnur platzt… Was sich nach einer plumpen Prämisse anhört, wird in den Händen von Jim Hosking zur surrealen Groteske. Es wäre zwar noch besser gewesen, wenn der Kurzfilmregisseur die Zeit gehabt hätte, die Situation ein klein wenig langsamer vom gemütlichen Kognakschlürfen bis zur blutigen Rache eines Penislosen eskalieren zu lassen, aber die verquere Atmosphäre überzeugt auch so. (3 von 5 Sternen)
„H is for Head Games“ von Bill Plympton: Aus einem Kuss entwickelt sich ein tödliches Duell, in dem Augäpfel zu Maschinengewehrkugeln und Popel zu Atombomben mutieren… Ein gewohnt grotesker, mit kaum mehr als Bleistiftstrichen gezeichneter Animationsspaß von Altmeister Bill Plympton, der auch hier wieder alles alleine gemacht hat. Ein Muss für Fans und ein guter Einstieg für Neugierige, auch wenn uns seine Langfilme wie „Idiots and Angels“ noch einen Tick besser gefallen. (3,5 von 5 Sternen)
„I is for Invincible“ von Erik Matti („On the Job“): Die ganze Familie ist scharf auf das Vermögen der 120-jährigen Oma, aber egal ob mit Kugeln oder Feuer, die Alte ist einfach nicht totzukriegen… Eine solide Zombie-Komödie von den Philippinen mit unerwartet guten CGI-Make-up-Effekten. (3 von 5 Sternen)
„J is for Jesus“ von Dennison Ramalho: Ein Vater lässt seinen schwulen Sohn kidnappen, um an ihm einen Exorzismus durchzuführen. So soll ihm im Namen Jesu die Homosexualität ausgetrieben werden… „J ist for Jesus“ ist zwar lange nicht so blutig wie Dennison Ramalhos Kult-Kurzfilm „Ninjas“, aber in seiner wütend-wuchtigen Religionskritik deshalb nicht weniger radikal. Wenn man in wenigen Filmminuten ein Anliegen vertreten will, dann bitte so. (4 von 5 Sternen)
NINJAS from Dennison Ramalho on Vimeo.
„K is for Knell“ von Bruno Samper und Kristina Buozyte („Aurora“): Erst sieht eine junge Frau eine schwarze Masse am Himmel und kurz darauf durch die Fenster des Hochhauses gegenüber, wie sich dessen Bewohner plötzlich gegenseitig niedermetzeln… Mysteriös, apokalyptisch, verstörend – ein spannender, stilbewusster Beitrag aus Litauen. (3,5 von 5 Sternen)
„L is for Legacy“ von Lancelot Oduwa Imasuen: Der Sohn des Stammeshäuptlings soll im Dschungel geopfert werden, damit die Frauen im Harem des Königs zukünftig mehr männliche Kinder gebären… Obwohl der Beitrag des nigerianischen Regieveteranen Lancelot Oduwa Imasuen sehr atmosphärisch beginnt, endet er leider als liebloser Monster-Gore mit unterirdischen Computereffekten. (0,5 von 5 Sternen)
„M is for Masticate“ von Robert Boocheck: Ein fetter, stark behaarter Typ rennt nur in weißen Unterhosen und mit stark erweiterten Pupillen durch die Straßen, bis er schließlich einem Mann in den Hals beißt… Der Loser-Protagonist sieht mit seinen Pissflecken in Superzeitlupe tatsächlich ziemlich erbärmlich aus. Aber darüber hinaus können wir kaum nachvollziehen, warum Robert Boocheck mit diesem nur auf seine halbgare Schlusspointe ausgerichteten Short den „ABCs of Death 2“-Regiewettbewerb gewonnen hat. Aber da sind die Fans diesmal eben selbst schuld, denn nur der eingereichte Beitrag mit den meisten Stimmen hat es auch in den fertigen Film geschafft. (1 von 5 Sternen)
„N is for Nexus“ von Larry Fessenden („Beneath“): Auf dem Weg zu einem Date erweisen sich die Straßen Manhattans für Frankensteins Monster und seine Braut als besonders gefährliches Pflaster… Regisseur Larry Fessenden findet einige interessante Kameraperspektiven (etwa durch die Augenschlitze der Masken), aber sein Film führt absolut nirgendwo hin. Eher ein Beitrag für den Verkehrskundeunterricht einer Grundschulklasse. (0,5 von 5 Sternen)
„O is for Ochlocracy“ von Hajime Ohata („Metamorphosis - Das Monster in dir“): Nachdem die Zombies die Weltherrschaft übernommen haben, werden die Überlebenden, die sich während der Epidemie mit Gewalt gegen die Untoten zur Wehr gesetzt haben, von Zombie-Richtern vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt… Schon die Idee ist genial - der Sieger eines Krieges entscheidet eben allein, wer nun die Schuldigen und wer die Opfer sind. (3,5 von 5 Sternen)
„P is for P-P-P-P Scary!“ von Todd Rohal („Die Natur ruft!“): Drei stotternde Ausbrecher treffen auf einen tanzenden Mann mit Baby… Mit seiner Schwarzweiß-Optik und seinen Spiegeltricks knüpft Todd Rohal an den Look früher Horror-Stummfilme an. Leider sieht sein Film aber eher billig als klassisch aus und die Schauspieler nerven total. (0,5 von 5 Sternen)
„Q is for Questionnaire“ von Rodney Ascher: Ein Mann beantwortet Fragen bei einem kostenlosen Intelligenztest auf der Straße, während der Zuschauer zwischendurch immer wieder Szenenschnipsel einer blutigen Operation sieht, in deren Verlauf dem Getesteten offenbar das Gehirn aus dem Schädel gesägt wird… Nachdem Rodney Ascher mit seiner Dokumentation „Room 237“ über die Verschwörungstheorien rund um Stanley Kubricks „Shining“ für mächtig Wirbel gesorgt hat, wird sich zu diesem Film wohl kaum jemand weiter Gedanken machen, dafür ist er einfach viel zu eintönig und simpel gestrickt. (1 von 5 Sternen)
„R is for Roulette“ von Marvin Kren: Zwei Männer und eine Frau spielen in einem verbarrikadierten Keller russisches Roulette… Der in Wien geborene Regisseur solcher deutschen Genreperlen wie „Rammbock“ taucht seinen Beitrag in atmosphärisch-schicke Schwarzweiß-Bilder und auch wenn während des Russisch-Roulette-Spielens ein bisschen wenig passiert, reißt das die grandiose, alle zuvor gesehenen Emotionen auf den Kopf stellende Schlusspointe mehr als raus. Deutschland muss sich für seinen Beitrag also absolut nicht schämen. (3,5 von 5 Sternen)
„S is for Split“ von Juan Martínez Moreno („Game of Werewolves - Die Jagd beginnt“): Ein Mann auf Geschäftsreise in Frankreich telefoniert mit seiner Frau in London, als ein maskierter Killer mit einem Hammer in ihr Haus einbricht… Während die Situation ein wenig an die Entführung von Liam Neesons Tochter in „96 Hours – Taken“ erinnert, setzt Juan Martínez Moreno seine zahlreichen Split-Screens (daher der Titel) durchaus spannungsfördernd ein. Leider ist die Schlusspointe ziemlich bescheuert. (1,5 von 5 Sternen)
„T is for Torture Porn“ von Jen Soska und Sylvia Soska („See No Evil 2“): Bei einem Porno-Casting setzt sich die erniedrigte Darstellerin auf ihre Weise zur Wehr… Während die Regie-Schwestern mit ihrem Body-Modification-Schocker „American Mary“ tatsächlich schon einen aufsehenerregenden feministischen Horrorfilm abgeliefert haben, wirkt dieser Beitrag abgesehen von dem gewitzten Wortspiel mit der Genrebezeichnung Torture Porn leider nur noch wie ein unnötiger Nachklapp. (1,5 von 5 Sternen)
„U is for Utopia“ von Vincenzo Natali: In einer „utopischen“ Zukunft werden unterdurchschnittlich attraktive Menschen radikal ausgemerzt… Das Konzept ist vielversprechend, aber bei der Umsetzung hätten wir uns von jemandem wie „Cube“-Regisseur Vincenzo Natali doch deutlich mehr erwartet. „U is for Utopia“ scheint einer dieser Fälle zu sein, wo eine gute Idee unnötigerweise ins Nirgendwo mündet – auch weil es bei „ABCs of Death“ eben gerade keine Produzenten gibt, die Stoffe abnehmen oder korrigierend eingreifen. (1 von 5 Sternen)
„V is for Vacation“ von Jerome Sable („Stage Fright“): Ein Skype-Gespräch mit seiner Freundin zu Hause in den USA läuft für einen Urlauber völlig aus dem Ruder, als sein Kumpel ihm das Handy wegreißt, um der Daheimgebliebenen mal zu zeigen, was die beiden in den Ferien wirklich treiben… Sextourismus ist eben nicht ohne Gefahren – aber die beiden Arschlöcher haben das alles auch echt verdient. Ein dreckiger kleiner Genre-Bastard! (3,5 von 5 Sternen)
„W is for Wish“ von Steven Kostanski („Father’s Day“): Was als Parodie eines Werbespots für „He-Man“-artige Action-Figuren beginnt, entpuppt sich bald als blutiger Fantasy-Horror-Mix, als zwei Kids in die Welt ihres Lieblings-Cartoon-Helden teleportiert werden… Die Macher haben immensen Aufwand bei den Kostümen und Miniaturbauten betrieben, um dem Look billig runtergekurbelter Fantasyfilme aus den 1980ern möglichst nahe zu kommen. Aber ihre Versuche, das Publikum zu schocken (etwa mit einem Superhelden, der sich als pädophiler Fettsack herausstellt), geraten dann doch arg platt und wenig effektiv. (2 von 5 Sternen)
„X is for Xylophone“ von Alexandre Bustillo und Julien Maury: Ein kleines Mädchen im Schmetterlingskostüm trommelt so lange auf ihr buntes Spielzeug-Xylophon ein, bis ihre Babysitterin endgültig die Nerven verliert… Das französische Regieduo Bustillo und Maury („Inside“) ist berüchtigt dafür, sein Publikum unbedingt schocken zu wollen - und das versucht es auch diesmal wieder. Der angestrebte Wirkungstreffer bleibt allerdings aus, dafür mutet das alles viel zu gewollt an. Trotzdem ist dies wohl der einzige Beitrag des Sequels, der ernsthafte Probleme mit der deutschen FSK bekommen könnte. (1 von 5 Sternen)
„Y is for Youth“ von Sôichi Umezawa: Ein Mädchen im Teenageralter träumt davon, dass all die Dinge, die ihr ihre Eltern angetan haben (nur Fast Food servieren, den Familienhund sterben lassen), zurückkommen, um den Erwachsenen in den Arsch zu beißen... Der Japaner Sôichi Umezawa ist vor allem als Make-up-Künstler bekannt und das sieht man seinem Beitrag auch an: Von riesigen platzenden Pestbeulen über bissige Monster-Hamburger bis hin zu einem gefräßigen Staubsauger aus Pommes Frites – der surreal-alptraumhafte „Y is for Youth“ ist im besten Sinne typisch japanisch. (4 von 5 Sternen)
„Z is for Zygote“ von Chris Nash: Ein Mann lässt seine hochschwangere Frau mit einem Vorrat von einem Kraut zurück, das die Wehen hinauszögern soll. 13 Jahre später ist in ihrem Bauch ein Teenager herangewachsen… Die Geschichte ist nur okay, aber die Gore- und Make-up-Effekte sind absolut herausragend und schon allein das Anschauen wert. Das ist aber auch kein Wunder: Regisseur Chris Nash hat sich in all seinen Kurzfilmen immer auch selbst um die Spezialeffekte gekümmert. (3 von 5 Sternen)
Fazit: Im Durchschnitt sind die Kurzfilme diesmal deutlich schwächer (und weniger extrem) als beim ersten Teil – und auch echte Highlights sind diesmal rar gesät.
Sterben von A bis Z: 26 Bilder zur Horror-Anthologie "The ABCs of Death 2"