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    Passengers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Passengers
    Von Carsten Baumgardt

    Nachdem der damalige Hollywood-Neuling Jon Spaihts („Prometheus“, „Doctor Strange“) 2007 sein Skript zur Science-Fiction-Liebesgeschichte „Passengers“ in Umlauf brachte, erschien es noch im selben Jahr auf der berühmten Black List der besten unverfilmten Drehbücher. Daraufhin haben sich unter anderem die Weinstein-Brüder, der „Matrix“-Recke Keanu Reeves und die Universal-Studios über Jahren an dem Stoff abgearbeitet, aber letztlich scheuten sie alle das finanzielle Risiko eines Zwei-Personen-Stücks in potentiell sehr teuren Kulissen. Doch dann begeisterten sich die Superstars Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“) und Chris Pratt („Jurassic World“) für das Projekt, was neue Perspektiven eröffnete - und „Passengers“ wurde doch noch Wirklichkeit. „The Imitation Game“-Regisseur Morten Tyldum stemmt den romantischen Science-Fiction-Thriller optisch beeindruckend auf die Leinwand und nutzt effektiv die volle Starpower, die er zur Verfügung hat.

    Einige hundert Jahre in der Zukunft expandiert die Menschheit in den Weltraum. 5.000 Passagiere und 258 Crewmitglieder machen sich auf die 120 Jahre dauernde interstellare Reise zum grünen Kolonie-Planeten Homestead II, um dort eine neue menschliche Siedlung aufzubauen. Vier Monate vor dem Erreichen des Ziels sollen die Reisenden aus dem künstlichen Tiefschlaf geholt werden und sich auf die Kolonisation vorbereiten. Als das vollautomatische Raumschiff Avalon etwa nach 30 Jahren Reise durch einen Meteoritensturm rast, sorgt eine Fehlfunktion dafür, dass der Maschinenbauer Jim Preston (Chris Pratt) zu früh aus seinem künstlichen Schlaf gerissen wird und verwundert feststellt, dass er der einzige wache Mensch auf dem Schiff ist - außerdem hat er keine Chance, in den Schlafmodus zurückkehren. In dem Bar-Androiden Arthur (Michael Sheen) findet Jim wenigstens einen Gesprächspartner, bevor mit der New Yorker Journalistin und Schriftstellerin Aurora Lane (Jennifer Lawrence) die zweite Person viel zu früh erwacht…

    Der besondere Reiz von Jon Spaihts‘ Entwurf ist die Kombination einer kammerspielartigen Liebesgeschichte mit bombastischen Science-Fiction-Visionen – das Intime und das Monumentale gehen gleichsam Hand in Hand. Die klassisch anmutende Romanze ist in ihren Grundzügen universell – sie könnte überall und zu jeder Zeit spielen. Aber sie bekommt durch die ganz besonderen Umstände auch eine spezifische zusätzliche Dimension: Es geht hier schließlich auch um einen Überlebenskampf fern der Heimat sowie um die herzzerreißende Einsamkeit in der totalen Isolation Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Und zu guter Letzt findet das Ganze in der gigantischen futuristischen Kulisse des Mega-Raumschiffs Avalon statt, das wie ein luxuriöses Weltraumkreuzfahrtschiff aussieht.

    Mit dem spektakulär-spekulativen Setting für eine „kleine“ zwischenmenschliche Geschichte schlagen die Filmemacher einen hübschen Bogen zwischen geerdetem Drama und Überhöhung, zwischen Realismus und Hollywood-Fantasie. Nicht nur in dieser Beziehung weist „Passengers“ eine gewisse Ähnlichkeit zu „Titanic“ auf, auch die recht grob, aber effektiv gezeichneten sozialen Unterschiede zwischen den Liebenden erinnern an James Camerons Über-Blockbuster: Jim ist ein einfacher Maschinenbau-Mechaniker, der in der Holzklasse fliegt, während die selbstbewusste Aurora als elitäre Schriftstellerin alle Privilegien des Gold-Premium-Kunden genießt. Doch in der Ausnahmesituation fallen die Klassenschranken und die Gefühle brechen sich Bahn – wobei es in „Passengers“ erst einmal offen bleibt, ob es sich wirklich um die wahre, große Liebe handelt.

    Wiederum ganz ähnlich wie bei „Titanic“ bekommt das Publikum auch hier am Anfang die Gelegenheit, im atemberaubenden Produktionsdesign zu schwelgen, und darf sich erst einmal an den Details des rotierenden Raumschiffs sattsehen. Später wenn die beiden erwachten Passagiere die Vorzüge der Avalon entdecken und gemeinsam den Luxus genießen, gesellt sich zur Schaulust auch eine willkommene Prise Humor. Zwischen den beiden Hauptdarstellern Jennifer Lawrence und Chris Pratt stimmt überdies die Chemie – sie gehören ihrerseits zu den großen Attraktionen des Films. Pratt gibt einmal mehr den hemdsärmelig-charmanten Jedermann, dem man einfach nicht böse sein kann, während Oscarpreisträgerin Lawrence (für „Silver Linings“) die Nuancen und Entwicklungen ihrer etwas differenzierteren Rolle auf ihre gewohnt natürlich und selbstverständlich wirkende Art meistert. Michael Sheen („Die Queen“) als Dritter im Schauspielbunde ist als Barmann-Androide an seine (optisch an Stanley Kubricks „Shining“ gemahnende) Weltraum-Schänke gefesselt, wo er den Stars als verbaler Punching-Ball dient und nebenbei elegant einen Handlungstwist einfädelt.

    Apropos Twist: Regisseur Tyldum und Drehbuchautor Spaihts mögen sich nicht auf die Liebesgeschichte allein verlassen und geben ihrer Erzählung einige einschneidende Wendungen, die sich auch nachhaltig auf das Verhältnis der Figuren auswirken. Außerdem sorgt der norwegische Filmemacher mit spektakulären Eye-Candy-Einstellungen für Abwechslung, wobei vor allem eine Poolszene mit Jennifer Lawrence beeindrucktes Staunen auslöst: Aurora schwimmt im schiffseigenen Luxusplanschbecken (mit augenöffnendem Weltraumpanorama), als die Schwerkraft ausfällt… Dieser beeindruckende Moment ist das Prunkstück der generell exzellenten Arbeit von Kameramann Rodrigo Prieto („The Wolf Of Wall Street“, „Argo”), aber trotz solcher wirklich denkwürdiger Kabinettstückchen kommt „Passengers“ insgesamt nicht an die physisch spürbare Hochspannungsintensität von Alfonso Cuarons durchaus vergleichbarem Weltraum-Thriller-Meisterwerk „Gravity“ heran und auch nicht an den epischen Sog von „Titanic“.

    Es wirkt ein wenig so, als ob sich die Verantwortlichen angesichts des mit einer 120-Millionen-Dollar-Produktion unweigerlich verbundenen kommerziellen Drucks nicht mehr auf ihre starke Prämisse alleine verlassen wollten. Dass der schnell geschnittene Trailer ein Weltraum-Action-Starvehikel suggeriert, ist aus Marketing-Sicht noch irgendwie nachvollziehen, aber dass der fertige Film dann auch relativ flott erzählt ist, steht im Widerspruch zu den zeitlichen Dimensionen der existenziellen Geschichte und auch zur epischen Größe des emotionalen Dramas. Und so kommen eben diese Gefühle nicht ganz so zur Entfaltung wie diese Erzählung das verdient hätte.

    Fazit: Intimität trifft auf epische Größe, Liebesdrama auf Space-Spektakel - Morten Tyldums romantisches Weltraum-Drama „Passengers“ ist eine unterhaltsame Mischung aus kühnen Ideen und Hochglanz-Hollywood-Kino.

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