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    Tatort: Spiel auf Zeit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Spiel auf Zeit
    Von Lars-Christian Daniels

    Die Ermittler im „Tatort“ – ganz gleich ob Frau oder Mann, jung oder alt – teilen fast alle eine Gemeinsamkeit: Sie sind Single. Die auf wenige Folgen angelegten Liebeleien von Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler), die gelegentlichen One-Night-Stands von Mario Kopper (Andreas Hoppe) oder die aufs Körperliche beschränkte Liaison der Dortmunder Jung-Kommissare Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) sind in der öffentlich-rechtlichen Krimireihe schon buchstäblich das Höchste der Gefühle. Nur zwei „Tatort“-Ermittler bildeten bislang eine Ausnahme, weil sie seit Jahren fest liiert sind: Der Kölner Hauptkommissar Freddy Schenk (Dietmar Bär) und sein Stuttgarter Kollege Sebastian Bootz (Felix Klare). Letzteren erlebten die Sonntagabendzuschauer bislang oft als liebevollen, aber vielbeschäftigten Familienvater, der jede freie Minute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern verbringt. Damit ist es nun schlagartig vorbei: In „Spiel auf Zeit“ von Regisseur Roland Suso Richter („Dschungelkind“) steht Bootz vor dem Scherbenhaufen seiner Ehe. Allerdings bremst das Familiendrama des Kommissars die ansonsten temporeiche Geschichte um einen von langer Hand geplanten Raubüberfall gelegentlich aus.

    Die Stuttgarter Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) erreicht im Dienstwagen ein Notruf: Der Gefangenentransport des Häftlings Volker Zahn (Detlef Bothe) wird auf einer Landstraße überfallen. Die beiden Ermittler rasen zum Tatort, kommen aber zu spät: Ein Polizist wird erschossen, den Tätern gelingt mit dem Befreiten die Flucht. Zahn ist der Anführer einer fünfköpfigen Gang, die nun einen neuen Coup plant. Lannert und Bootz, der mit der Trennung von seiner Frau Julia (Maja Schöne) zu kämpfen hat und bei den Ermittlungen den kühlen Kopf vermissen lässt, erhalten bei ihren Nachforschungen unverhofft Schützenhilfe: Aus dem Gefängnis meldet sich der verurteilte Verbrecher Viktor de Man (Filip Peeters), dem die Stuttgarter Kommissare vor vier Jahren das Handwerk legten, und bietet Lannert und Bootz Informationen im Austausch gegen Hafterleichterungen an. Lannerts erste Zweifel an dem Deal sind zerstreut, als de Man ihnen einen entscheidenden Tipp liefert…

    Zum zweiten Mal in der „Tatort“-Geschichte lud der federführende SWR die Zuschauer dazu ein, das eigene Krimierlebnis transmedial zu erweitern: Durfte das Publikum 2012 im Ludwigshafener „Tatort: Der Wald steht schwarz und schweiget“ direkt nach dem Abspann online den Täter identifizieren, wurde dieses Mal eine Woche lang vorab im Netz ermittelt. „Tatort+“ nennt sich das Online-Spiel, bei dem Verdächtige per Google Hangout befragt, kryptische Zeitungsannoncen entschlüsselt und am Tatort gefundene Servietten zusammengepuzzlet werden müssen. Doch keine Angst: Auch wer vorab nicht im Netz aktiv war, findet sich in „Spiel auf Zeit“ zurecht. Die Verknüpfung zum Stuttgarter „Tatort: Tödliche Tarnung“ von 2009, in dem die Kommissare Viktor de Man dingfest machten, ist ebenfalls nur loser Natur – eine weitere sinnvolle Entscheidung der Filmemacher. Holger Karsten Schmidt, der schon die Drehbücher zu den ersten drei Stuttgarter Folgen mit Lannert und Bootz verfasste, liefert nämlich ein wendungsreiches, doppelbödiges Skript ab, mit dem er dem Zuschauer auch ohne erweiterten Kontext ein hohes Maß an Aufmerksamkeit abverlangt.

    „Spiel auf Zeit“ ist nämlich trotz Vorab-Online-Spiel kein klassischer „Tatort“-Krimi zum Miträtseln, sondern vielmehr ein cleverer Heist-Thriller mit inhaltlicher Nähe zu Hollywoodfilmen wie „The Italian Job“, „Armored“ oder „Takers“. Die Auftaktleiche bleibt so auch konsequent eine Randnotiz. Für besondere Spannung sorgt dabei die Figur des inhaftierten Viktor de Man. Immer wieder müssen sich Lannert und Bootz bei ihren Ermittlungen die Vertrauensfrage stellen. Nie können sich die Kommissare sicher sein, welches Spiel der schmierige Viktor de Man, bei dessen Überwachung Lannert einst Frau und Kind verlor, mit ihnen treibt. Hegt der Gefängnisinsasse vielleicht ganz andere Absichten, als sich an den Verbrechern zu rächen, die ihn einst hinter Gitter brachten? Erst im actiongeladenen Schlussdrittel werden die Karten offengelegt. Der bleihaltige Showdown braucht sich dabei vor Til Schweigers adrenalinschwangerem „Tatort“-Debüt „Willkommen in Hamburg“ nicht zu verstecken, zumal Regisseur Roland Suso Richter, der in den vergangenen Jahren viele ambitionierte TV-Filme wie „Der Tunnel“ oder „Das Wunder von Berlin“ inszenierte, die Spannungsschraube bis zum Finale kontinuierlich anzieht.

    Dass der 875. „Tatort“ trotz seiner steilen Spannungskurve nicht auf ganzer Linie überzeugt, liegt in erster Linie an den privaten Problemen von Kommissar Bootz. Mit diesem Nebenhandlungsstrang wird immer wieder das Tempo gedrosselt und die Verbindung zur zentralen Jagd auf den flüchtigen Verbrecher Zahn sorgt sogar gelegentlich für unfreiwillige Komik: Da muss sich der Kommissar erst seinen Kindern erklären, nachdem seine Frau ihm einleitend kurz und knapp erklärt hat, dass sie einen anderen Mann liebt und in Kürze auszieht, und verstößt in der Folge - emotional aufgewühlt und zunehmend labil - gleich mehrfach gegen Dienstvorschriften. „Ich hab zwei Kinder! Und sie verlässt mich! Einfach so!“ brüllt der Stuttgarter Kommissar einen verdutzten Gangster an und ballert ihm einen Wimpernschlag später eine Kugel ins Bein. Immerhin:  Es ist nicht Kollege und Witwer Lannert, der dem verletzlich wie selten wirkenden Kollegen die Frau ausspannt, sondern der Vater eines Kindergartenfreundes seines Sohnes. Mittelfristig wird diese Veränderung dem Stuttgarter „Tatort“ vielleicht sogar gut tun. Die harmonischen Familienszenen im Hause Bootz erwiesen sich in der Vergangenheit schließlich schon häufig als Spannungskiller.

    Fazit: Roland Suso Richter liefert mit „Spiel auf Zeit“ einen sehenswerten Stuttgarter „Tatort“ ab, der in einem starken Showdown gipfelt. Der gelegentliche Leerlauf und die unfreiwillig komischen Alleingänge von Bootz werden durch das spannende Finale aber nur bedingt aufgefangen.

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