In Vietnam, Korea und einigen Provinzen im Süden Chinas gilt Hundefleisch als Delikatesse und wird auch heute noch in speziellen Restaurants angeboten. In Chile hat der Verzehr des Fleisches des besten Freundes des Menschen hingegen keine Tradition, was andeutet, dass der Titel von Fernando Guzzonis Drama „Carne De Perro“ metaphorisch verstanden werden muss: Das verbrannte Fleisch eines Hundes steht hier stellvertretend für die psychischen Leiden seines Herrchens, der ein Jahrzehnt nach dem Ende des Pinochet-Regimes von seiner Vergangenheit gepeinigt wird und zusehends den Halt im Leben verliert. Doch wie abgründig der innere Zustand des Protagonisten auch sein mag, Guzzoni verweigert in seinem distanzierten Spielfilmdebüt jeglichen Einblick in die Gefühlswelt des Protagonisten sowie eine Schilderung der ihn peinigenden vergangenen Ereignisse, weil er nicht über die rein äußerliche bleibende Schilderung einer kaputten Existenz hinausgeht.
Alejandro (Alejandro Goic) findet keine Ruhe: Immer noch hat er mit seiner Vergangenheit während des Pinochet-Regimes zu kämpfen, als er angebliche Staatsfeinde folterte. Nach dem Ende der Diktatur verdiente Alejandro sein Geld als Taxifahrer und versuchte sich mit Familie und Arbeit von den Erinnerungen an die Gräueltaten und von seinen Schuldgefühlen abzulenken. Doch seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter will nichts mehr von ihm wissen und nachdem nun auch noch sein Auto repariert werden muss, gibt es keinen ablenkenden Alltag mehr für den 50-Jährigen. Panikattacken, plötzliche Aggressivität und innere Unruhe führen ihn zum Arzt, der ihn zu einer psychologischen Betreuung rät. Als ein Militärkollege Selbstmord begeht, versucht Alejandro noch einmal Kontakt zu Exfrau und Tochter aufzunehmen...
Eine träge, lakonische Stimmung durchzieht den chilenischen Film „Carne De Perro“, in dem auf fast dokumentarische Weise Alejandro bei seinem Weg zur Beerdigung seines Freundes, bei der Beobachtung seiner Tochter oder bei einer Versammlung von Ex-Militärs begleitet und als tickende Zeitbombe geschildert wird. Verdrängung und Ablenkung war lange Zeit die Devise des wortkargen Mannes, der nur dann mit sich im Reinen zu sein scheint, wenn er seine Konzentration auf irgendeine greifbare Tätigkeit richten kann. Doch alle Versuche einer Normalisierung seines Zustandes verlaufen ins Leere. Seine Mitmenschen wenden sich entweder von ihm ab oder enttäuschen seine Erwartungen. Alejandros strikte Ablehnung von psychologischem Beistand versperrt zudem die Möglichkeit einer wirklichen Aufarbeitung dessen, was er erleben musste. Diese Widersprüchlichkeit kommt besonders eindringlich zu Tage, wenn Alejandro seinen Hund erst verbrennt, um ihn dann liebevoll zu verarzten. Alejandro Goic („La Nana – Die Perle“) spielt diesen innerlich zerstörten Charakter, der immer wieder Halt sucht und doch beständig weiter in seine innere Hölle abdriftet, mit einem beängstigenden Gefühl der Verlorenheit und unberechenbaren Wut.
Die konsequente Verweigerung jeder (einfachen) Erklärung, das Offenlegen von komplexen Zusammenhängen allein durch Dialogfetzen und kurze Andeutungen sind an sich interessante Stilmittel, die „Hundefleisch“ zu einem dichten Psychogramm hätten machen können. Durch ihren Einsatz fordert Fernando Guttonis den Zuschauer förmlich dazu heraus, aus kleinen Gesten Rückschlüsse auf die verletzte Psyche des Protagonisten zu ziehen. Doch der Bezug zum Pinochet-Regime und die Täterrolle der Hauptfigur bleiben letztlich so enigmatisch, dass sie ohne vorherige Informationen kaum verständlich sind: Die Kenntnis der jüngeren Geschichte Chiles wird schlicht vorausgesetzt. Doch gerade weil „Carne De Perro“ als erste chilenische Auseinandersetzung mit der Täterseite angepriesen und als ein wichtiger künstlerischer Schritt zur Aufarbeitung der Gräueltaten der Diktatur bezeichnet wird, ist die Verweigerung sämtlicher Hintergrundinformationen zum Regime im Allgemeinen und der traumatischen Erlebnisse des Protagonisten im Besonderen letztlich problematisch.
Fazit: Regisseur Fernando Guzzonis verfolgt mit seinem Drama „Carne De Perro“ einen konsequenten Ansatz, kratzt aber mit der Aneinanderreihung von Alltäglichkeiten und tragischen Zwischenfällen letztlich nur an der rauen Hülle einer deprimierenden Täterexistenz gut ein Jahrzehnt nach Ende des Pinochet- Regimes. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen de Regimes dagegen findet nicht wirklich statt.