Ob Klaus Kinski in überragenden Italo-Western wie „Leichen pflastern seinen Weg“, Götz George, Uschi Glas oder Heinz Erhardt in den beliebten Karl-May-Verfilmungen der 60er Jahre oder auch Michael „Bully“ Herbigs mega-erfolgreiche Persiflage „Der Schuh des Manitu“: Deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler gehören zur langen Geschichte des Westerns und seinen verschiedenen Spielarten so fest dazu wie nervenaufreibende Mann-gegen-Mann-Duelle auf der menschenleeren Hauptstraße, kreischende Indianer und stimmungsvolle Prügeleien im Saloon. Auch im Sat.1-Western „In einem wilden Land“, der nach der TV-Erstausstrahlung auch auf DVD und Blu-Ray in den Handel kommt, geben sich nationale Kino- und Fernsehstars wie Nadja Uhl, Benno Fürmann oder Thomas Thieme die Klinke in die Hand. Dem immer wieder totgesagten Genre neues Leben einzuhauchen vermögen sie freilich nicht: Regisseur und Drehbuchautor Rainer Matsutani („Zimmer 205“) liefert dem Fernsehpublikum eine vor Klischees nur so triefende Mischung aus Westerndrama, Prärieabenteuer und Liebesfilm, die außer netten Schauwerten nur müde Stereotypen und eine jederzeit vorhersehbare Siedler-und-Indianer-Geschichte zu bieten hat.
Preußen, 1844: Der Mann der jungen Weberin Mila (Emilia Schüle) kommt bei einem gewaltsam niedergeschlagenen Aufstand ums Leben. Sein letzter Wunsch ist es, dass Mila sich ihren gemeinsamen Traum erfüllt: die Übersiedlung nach Amerika und ein glückliches Leben in der „Neuen Welt“. An der amerikanischen Ostküste angekommen, schließt sich Mila dem Siedlertreck von Oberst Graf Arnim von Hohenberg (Benno Fürmann) an. Weil ihr der nötige Mann an der Seite fehlt, bietet sich Mila der Gattin des Obersts, Gräfin Cecilie (Nadja Uhl), als Dienstmagd an. Als der alkoholisierte von Hohenberg seine Ehefrau nach einem Streit verprügelt, schreitet Mila energisch ein und verletzt den Oberst dabei schwer. Den beiden Frauen bleibt nur die Flucht, die sie direkt in die Arme der Comanchen und des jungen Kriegers Buffalo Hump (Wesley French) führt. Anders als Cecilia, die die erste Gelegenheit zur Flucht aus dem Comanchenlager nutzt und sich wohl oder übel wieder dem Treck ihres Mannes anschließen muss, fühlt sich Mila in der Stammesgemeinschaft der Indianer wohl und entwickelt Gefühle für den attraktiven Buffalo Hump. Der ist nach einem Massaker an zahlreichen Indianerhäuptlingen aber schon bald nicht mehr gut auf „die Weißen“ zu sprechen...
Regisseur Rainer Matsutani, der gemeinsam mit der langjährigen TV-Autorin Caroline Hecht („Das Vermächtnis der Wanderhure“) auch das Drehbuch zum Film schrieb, drehte seinen Film vor tollen südafrikanischen Naturkulissen und lehnt seine Geschichte an ein reales Ereignis an: Am 7. Mai 1847 schlossen deutsche Einwanderer mit den Comanchen den Friedensvertrag von Fredericksburg, der bis heute jährlich gefeiert wird und als einziger Indianervertrag in der Geschichte der Vereinigten Staaten gilt, der nie von den Europäern gebrochen wurde. Ein prima Aufhänger für eine Friede, Freude, Eierkuchen-Geschichte mit Siedlern und Indianern, wie sie im Wilden Westen eher selten stattfand, für seichte Dienstagabendunterhaltung aber wie gemacht ist: Hecht und Matsutani liefern eine am Reißbrett entworfene, jederzeit vorhersehbare Westernromanze ohne jegliche Ecken und Kanten, die in einem extrem kitschigen Finale gipfelt und in dem sämtliche Charaktere schablonenhafte Standardfiguren sind, die man in der jahrzehntelangen Westerngeschichte schon dutzende Male gesehen hat.
Die hübsche Powerfrau und Identifikationsfigur Mila, die hier den klassischen Western-Helden ersetzt und trotz ihrer Jugend schon weiser redet als alle erfahrenen Siedler, der schwache, aber aufopferungsvoll für seine Patienten kämpfende Dr. Cordes (Simon Schwarz), der skrupellose Treck-Anführer von Hohenberg, dem die Rechte der Indianer gleichgültig sind, der von den gierigen „Weißen“ enttäuschte, aber herzensgute Comanchenkrieger Buffalo Hump und nicht zuletzt der humorvolle Sidekick Jack Slayton (Tony Caprari), den so leicht nichts aus der Ruhe bringt: Matsutani betreibt Schwarz-Weiß-Malerei mit dem extra breiten Pinsel und lässt nur den unsympathischen Kronach (Thomas Thieme) bei der Frage nach Gut und Böse die Seite wechseln (und ausgerechnet in dem Moment, in dem der Zuschauer seine Sympathien neu verteilen darf, in die ewigen Jagdgründe eingehen). In puncto Ausstattung wirkt „In einem wilden Land“ eher wie ein üppig in Szene gesetztes Theaterstück auf einer sommerlichen Freilichtbühne als wie ein authentisches Historiendrama – nicht zuletzt weil man die jederzeit unterforderten Charakterköpfe Thieme („Das Leben der Anderen“), Nadja Uhl („Sommer vorm Balkon“) oder Benno Fürmann („Nordwand“) aus deutlich anspruchsvolleren Rollen kennt und sie hier seltsam verkleidet wirken.
Auch sonst bietet Matsutanis Prärieabenteuer mehr Angriffsfläche als eine aufgescheuchte Büffelherde: Die Filmmusik – man denke zurück an die legendäre Karl-May-Untermalung von Martin Böttcher („Der Schatz im Silbersee“) – besteht praktisch nur aus dem bekannten Volkslied „Kein schöner Land in dieser Zeit“, das schon bei der Überfahrt nach Amerika an Bord gesungen wird und in den folgenden zwei Stunden in einem nervtötenden Dauerloop den musikalischen Rahmen der Geschichte bildet. Die unrunde Synchronisation der nicht-deutschen Schauspieler bestätigt den schwachen Gesamteindruck, die visuellen Effekte – natürlich bedingt durch das knappe TV-Budget – sind schlichtweg unterirdisch (einfach mal auf die computeranimierten Schiffe am Horizont achten), und die Fast-Forward-Romanze zwischen der frisch verwitweten Mila und dem bärenstarken Indianerkrieger Buffalo Hump fällt alles andere als glaubwürdig aus. Da tröstet es wenig, dass Emilia Schüle („Freche Mädchen“) wie schon bei ihrem beeindruckenden Auftritt in „Tatort: Wegwerfmädchen“ einmal mehr eine überzeugende Leistung abliefert und die nächste große Hauptrolle ihrer noch jungen Karriere spielerisch meistert.
Fazit: In Rainer Matsutanis einfallsarmer und am Reißbrett entworfener Westernromanze „In einem wilden Land“ passiert immer genau das, was man erwartet. Am Ende wird sogar standesgemäß Richtung Sonnenuntergang geritten.