Seitdem der Immobilienmarkt in den USA 2007 zusammenbrach, verloren Millionen Menschen ihre Häuser an die Banken, weil sie die Hypotheken nicht mehr zahlen konnten. Allein im Jahr 2010 gab es 3,5 Millionen Vollstreckungsbescheide – alle neun Sekunden einer. Ein geordnetes Leben mit Kindern, in dem Überraschungen oder gar größere Verwerfungen nicht eingeplant waren, kann dadurch völlig auf den Kopf gestellt werden. Die so entstandene landesweite Unsicherheit ist in dem vor allem atmosphärisch überzeugendem Spielfilm „Things People Do“, dem Regiedebüt des Cutters (u.a. „Almost Famous“, „Der schmale Grat“) Saar Klein, fast mit Händen greifbar, auch wenn einiges recht plakativ geraten ist.
Eigentlich sollte es für Bill (Wes Bentley) gerade gut laufen. Vor nicht allzu langer Zeit hat er sich einen schönen Pool in den Garten seines Eigenheims gebaut. Seine beiden Kinder sind begeistert. Außerdem hofft er auf eine Gehaltserhöhung. Doch seine gute Laune täuscht: Bill hat seinen Job bei einer Versicherung bereits verloren, zuhause kann er nichts erzählen – er muss das alleine in den Griff kriegen. Während er sich mit dem Polizisten Frank (Jason Isaacs) anfreundet, beginnt er – von einem zufällig belauschten Gespräch und einer eigentlich peinlichen Begegnung inspiriert – mit Raubüberfällen, sich das nötige Geld zu beschaffen. Es ist erstaunlich einfach. Allerdings bleibt es weder Frank noch seiner Frau Susan (Vinessa Shaw) verborgen, dass er morgens nicht mehr ins Büro fährt…
Es beginnt mit Bildern von glücklichen Zeiten. Wie fürs Familienalbum gefilmt, zeigen verwackelte Aufnahmen die Kinder am Pool, die lachenden Eltern. Protagonist Bill wird durch seinen Sohn Henry aus dem Off eingeführt, es könnte ein Schulaufsatz sein: Daddy hilft Leuten, deren Haus abgebrannt ist. Wenn es ein Unfall war, dann kriegen sie alles ersetzt. Wenn sie betrügen wollten, dann bringt er sie vor Gericht. Die Kameraführung von Matthias Koenigswieser („Tapia“) wird nach den ersten Minuten ruhiger. Weiter gezeigt wird ein sympathischer, sehr bestimmt auftretender Mann, der auch im Unrecht glaubt, richtig zu handeln. Schließlich beraubt Bill meist Menschen, die es in seinen Augen „verdient“ haben. Und kennen tut er sie auch nicht. Polizist Frank bestätigt Bill auf fragwürdige Weise. Seine eigene Familie ist bereits gescheitert, also versucht er wenigstens die von Bill zu retten. Für ihn gibt es keine Sünde, sondern nur das „was Leute halt machen“.
Polizisten-Sohn Bill zeigt ebenfalls ein merkwürdiges Verständnis von Recht. Dass sein Vater sich für einen schweren Fehltritt einst selbst richtete, ist eine in der Familie halb vertuschte Geschichte. Überhaupt scheinen sich Vater-Sohn-Verhältnisse als Instanz der ethischen Werte fortzusetzen – mit fraglichem Ergebnis. Auch bei Bill kollidieren die Grundsätze vom moralischen Handeln mit dem Fortbestand der Familie in der gewohnten Umgebung. Bills Sohn Henry hingegen kann Verfehlungen in der Schule wiedergutmachen und dem Vater alles gestehen – vielleicht wird er als erster wirklich integer und ehrlich handeln – ohne Geheimnisse? Voll ausgearbeitet sind diese Beziehungen aber nicht. Wie Henry darauf kommt, dass sein Vater ihm vorbildliches Handeln – nicht nur Reden - lehrt, bleibt etwas im Dunkeln. Frau und Kinder werden jedenfalls zu keinem Zeitpunkt von Bill ins Vertrauen gezogen. Auf eine solche Idee würde er auch nie kommen. Der Mann ist schließlich für ihn der alleinige Ernährer der Familie, der keine Schwäche zeigen darf.
Diese Unsicherheit verdeutlicht Regiedebütant Saar Klein mit bedrohlicher Tonuntermalung. Seine Metaphern auf visueller Ebene sind allerdings wenig subtil, vor allem Bills Pool am Rand der Wüste, der immer schmutziger wird, muss als ziemlich abgegriffenes Bild und Barometer für den Zustand des Protagonisten herhalten. Bill versucht das Schwimmbecken mit Chlor zu reinigen, das er am Ende auch gegen seine eigene „Verschmutzheit“ einsetzt. Dann kommt auch noch ein streunender Hund, der aus dem Pool trinkt und schließlich tot im Sand liegt. Diese zusätzliche Unterstreichung der Abwärtsspirale, in der sich die Hauptfigur befindet, hätte es gar nicht bedurft. Schließlich schaffen es die überzeugenden Schauspieler schon ohne dieses aufdringliche Gleichnis zu zeigen, was in ihren Figuren vorgeht. Dabei wird auch deutlich, dass es Klein nicht ums Schwarzmalen geht. In „Things People Do“ zeigt der Debütregisseur vielmehr diverse Facetten von Bedrohung und Existenzangst und überlässt das Ende schlussendlich sogar der Fantasie des Publikums – in diesem Fall ein klarer Pluspunkt.
Fazit: „Things People Do“ ist trotz einiger allzu deutlicher Metaphern ein sehenswerter Film, da die Atmosphäre der Angst und Unsicherheit in den USA der Krisenjahre gut eingefangen werden und die aufsteigende Panik eines Familienvaters, der alles in Auflösung sieht, deutlich spürbar wird.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.