Im Schatten seines jüngeren Bruders Herbert Grönemeyer, der seit den 1980er Jahren die deutsche Musikszene mitdominiert, eroberte sich auch Dietrich Grönemeyer einen größeren Bekanntheitsgrad. Der umtriebige Mediziner machte unter anderem mit populärwissenschaftlichen Ratgebern von sich reden und seit 2012 ist er regelmäßig in seiner eigenen ZDF-Sendereihe „Dietrich Grönemeyer – Leben ist mehr!“ zu sehen. Es ist ihm ein besonderes Anliegen, Kinder und Jugendliche an die Themenbereiche Gesundheit, Medizin und Biologie heranzuführen, zu diesem Zweck schrieb er auch das Buch „Der kleine Medicus“, in dem es um eine abenteuerliche Reise durch den menschlichen Körper geht. In der Leinwandversion kommt der Lernaspekt der Vorlage allerdings ziemlich kurz. Und auch in anderer Hinsicht hat der Animationsfilm „Der kleine Medicus - Bodynauten auf geheimer Mission im Körper“, bei dem Peter Claridge seine erste Kinoregie übernahm, nur wenig zu bieten.
Der passionierte Videogamer und Skateboarder Nano (Stimme: Sebastian Fitzner) ist clever und eigentlich auch ganz cool. Aber da sein Wachstum seinem Alter hinterherhinkt, wird der Zwölfjährige in der Schule oft verspottet. Auch Lilly (Annette Potempa) erhofft sich von ihm nur Unterstützung für einen Bio-Test. Doch als sie bei ihm vor der Tür steht, hat Nano gerade eine ganz andere Sorge als die bevorstehende Prüfung. Er hat nämlich zufällig mitbekommen, wie Professor Schlotter (Michael Nowka) und dessen Assistent Serge (Bernhard Hoëcker) seinem Opa Erwin (Hans-Gerd Kilbinger) einen Gobot genannten miniaturisierten Roboter injiziert haben. Und nun bewegt sich der Großvater selbst wie ein Roboter. Kurzerhand nimmt Nano Lilly mit zu Opas Hausarzt Dr. X (Hans-Jürgen Dittberner). Der führt gerade zusammen mit der Wissenschaftlerin Micro Minitec (Christiane Paul), die früher bei Schlotter arbeitete, und dem „Bodynauten“ Rappel (Malte Arkona), einem rosa Kaninchen, Verkleinerungs- und Körperreiseexperimente durch. Schließlich werden die beiden Kids „mikrotisiert“ und in einem gleichfalls verkleinerten Raumschiff ins Opainnere geschleust…
Die Vorstellung, sich schrumpfen zu lassen und sich in das Innere eines menschlichen Körpers zu begeben, hat etwas Faszinierendes. Kein Wunder, dass solche Gedanken auch schon in Hollywood auf fruchtbaren Boden fielen. Davon zeugen Realfilme wie Richard Fleischers „Die phantastische Reise“ (1966) und Joe Dantes „Die Reise ins Ich“ (1987), die beide Oscars für ihre Spezialeffekte gewannen. Unabhängig davon, dass es sich um einen Animationsfilm handelt, ist „Der kleine Medicus“ dagegen meilenweit von jeder aufs Visuelle abzielenden Auszeichnung entfernt. Einige Settings wie das an eine Zahnarztpraxis erinnernde Labor von Dr. X sehen zwar ganz passabel aus, aber gerade die mit Spannung erwartete Darstellung der Verhältnisse im Körperinneren fällt enttäuschend schlicht aus. Nichts gegen eine kindgerechte Vereinfachung – aber ein paar Details mehr hätte die Innenansicht gut verkraftet. Schließlich wurde an knalligen Farben ja auch nicht gespart! Zudem wirken die Figuren mit ihrer reduzierten Mimik merkwürdig leblos, was sich letztlich auch – mit Ausnahme der beiden Kinder-Sprecher – in einer etwas monotonen Synchronisation widerspiegelt.
Leider liegt auch inhaltlich einiges im Argen. Es hapert schon am Motiv des fiesen Professor Schlotter: Der strebt nach nichts Geringerem als der Weltherrschaft, aber wie er die genau erlangen will, darüber schweigen sich die Filmemacher wohlweislich aus. Denn dazu müsste der Schurke wohl unzählige Gobots in unzählige Menschen verpflanzen - man kann sich leicht ausrechnen, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist. Aber immerhin hat der irre Wissenschaftler in dieser Story seine gewissermaßen natürliche Daseinsberechtigung. Von dem sprechenden rosa Kaninchen lässt sich das dagegen nicht so leicht behaupten, zumal es nicht einmal richtig als Gag-Generator taugt. Das größte Manko des Films aber ist es, dass Regisseur Claridge der abenteuerlichen und im Grunde spannenden Reise der Kids durch den Opa und ihrer Jagd auf den Gobot relativ wenig Zeit einräumt. Dabei werden dann im Vorbeisausen mal eben einige Organfunktionen und Körpervorgänge erklärt. Ob diese pflichtschuldig gegebenen Informationen dann aber bei der Zielgruppe hängenbleiben, ist fraglich.
Fazit: Die filmische Umsetzung des Bestsellers von Dietrich Grönemeyer ist in vielerlei Hinsicht holprig geraten und das lehrpädagogische Potenzial der Vorlage bleibt weitgehend ungenutzt.