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    Drei Stunden
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Drei Stunden
    Von Tim Slagman

    Viele romantische Komödien funktionieren nach dem Dreisatz „finden, trennen, versöhnen“. Da dieses nur selten durchbrochene Muster bekannt ist und von vielen Zuschauern auch erwartet wird, sind es die Verwicklungen auf dem Weg zum erwarteten Ende, die im Mittelpunkt einer gelungenen Liebeskomödie stehen. Boris Kunz liefert mit seinem Langfilmdebüt „Drei Stunden“ eine gelungene Variation dieses Musters und erzählt mit viel Charme, großer Leichtigkeit und Mut zum Pathos, warum seine beiden Protagonisten unbedingt zusammen kommen müssen.

    Am Anfang steht der Zufall: Martin (Nicholas Reinke) jobbt als Kellner in einem Münchner Straßencafé während Isabel (Claudia Eisinger) vor dem Laden gegen genmanipuliertes Saatgut agitiert. Das gibt erst einmal Zoff, irgendwann später landet Isabel dann auf einer Party von Martin und irgendwie fällt ihr sein Manuskript in die Hände: ein Theaterstück mit etwas Science-Fiction und viel Melodram. Eine enge Freundschaft entsteht, doch Isabel jettet im Kampf für natürliche und gesunde Lebensmittel ständig um den Globus. Auf der Hochzeit ihrer Schwester, zu der Martin sie begleitet, klingelt dann wieder mal das Telefon: Isabel muss kurzfristig und für ganze drei Jahre nach Mali. Aber da war doch noch etwas, was Martin ihr sagen wollte. Und so müssen die beiden zwischen der Generalprobe für die Uraufführung von Martins Stück und Isabels Abflug ihre (gemeinsame?) Zukunft und ihren Gefühlshaushalt sortieren.

    Zwei Freunde, die zum Liebespaar werden könnten, sollen, ja müssen – das klingt schon sehr nach „Harry und Sally“, Rob Reiners Komödienklassiker aus dem Jahre 1989, der mit Meg Ryans Wuschelkopf und den pointierten Dialogen aus der Feder von Nora Ephron ein ganzes Genre prägte. Dazu kommt die Reduktion auf eine einzige Nacht, die alles oder nichts bedeuten und verändern könnte, bei der man natürlich an Richard Linklaters „Before“-Trilogie denkt. Konzeptuell und atmosphärisch zielt Boris Kunz mit seinen „Drei Stunden“ genau zwischen diese beiden großen Vorbilder: Mit Mut zum Pathos rückt er seine Geschichte weiter ins Fabelreich des Kinos als Linklater – und erdet seine Figuren doch fest genug, um der seltsamen Entrücktheit zu entgehen, die einem beim Betrachten mancher Hollywood-Mainstreamkomödie widerfährt. Dass dies gelingt, ist nicht zuletzt das Verdienst der starken Hauptdarsteller: Nicholas Reinke („Requiem“) ist die Zerrissenheit und der Druck, unter dem sein Martin leidet, geradezu in die Glieder gefahren und er strahlt dennoch eine sympathische Schluffigkeit aus. Claudia Eisinger („13 Semester“) guckt mit großen, entschlossenen Augen, hinter denen sie ihre Zartheit und Unsicherheit mal versteckt und mal ihre Umgebung damit flutet, in die Welt.

    Nachdem er seine Figuren erst einmal etabliert hat, entfaltet Kunz seinen Plot nahezu in Echtzeit. Die Dringlichkeit, die Isabels drohende Abreise herstellt, gibt nicht nur Gelegenheit für ein paar spannungsfördernde Wendungen des Suchens, Verpassens und Findens. Vielmehr werden dadurch die Gefühle komprimiert und erhöht: Jetzt muss man wissen, was man fühlte, was man signalisiert hat und eben nicht, jetzt ist die Zeit, sich zu sortieren, klar zu werden. Regisseur Kunz bringt die Essenz einer Liebesgeschichte so direkt auf den Punkt. Allzu einfach macht er es seinen Liebenden dabei aber nicht und ihre Aussprache ist dann auch mit einer guten Portion Lebensklugheit gewürzt. Am Ende verwandelt Kunz seinen Film in ein Märchen, aber in eines, das seine Märchenhaftigkeit nie verdecken will, sondern offensiv ausstellt. Wo sonst trinkt der liebe Gott wohl am liebsten Flaschenbier?

    Fazit: Boris Kunz hält in seinem Langfilmdebüt „Drei Stunden“ gekonnt die Balance zwischen Pathos und Bodenständigkeit. Zusammen mit der Dringlichkeit, die das Erzählen in Echtzeit mit sich bringt, entsteht eine rasante, ehrliche und gefühlvolle Liebeskomödie.

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