Wie viel Klamauk verkraftet der „Tatort"? Spätestens seit November 2012 und dem von Kritikern und großen Teilen des Publikums auf ungewöhnlich breiter Front abgelehnten Münsteraner Zotenfeuerwerk „Das Wunder von Wolbeck" ist zumindest klar, dass es eine Grenze gibt. Reichlich Ulk hatte das Sonntagabendpublikum den Kult-Ermittlern Frank Thiel und Karl-Friedrich Boerne, die die Einschaltquoten der öffentlich-rechtlichen Krimireihe seit Jahren dominieren, zugestanden – doch eine Kuhdreckfontäne im Gesicht und eine Ziege auf dem Beifahrersitz Boernes waren selbst für große Teile der eingefleischten Fans des Guten zu viel. Die gute Nachricht vorweg: Mit dem bis in die Nebenrollen prominent besetzten „Summ, summ, summ", den mit Kaspar Heidelbach („Berlin ‘36") ein erfahrener „Tatort"-Regisseur inszeniert, findet der Westfalenkrimi zurück in die Spur.
Auf einem Parkplatz wird die Leiche der Journalistin Claudia Schäffer gefunden. In der Jackentasche der Toten findet man eine Ehrenkarte für ein Konzert des populären Schmusesängers Roman König (Roland Kaiser), zu dem die Reporterin ein enges Verhältnis pflegte. Der Schlagerstar weilt gerade für einen Auftritt in Münster. Mehr oder weniger notgedrungen hat sich Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) im selben Luxushotel wie König einquartiert. In der Wohnung des Gerichtsmediziners sind zwei gefährliche Bananenspinnen ausgebüxt – und da die Handwerker mal wieder gepfuscht haben, muss sich auch Hauptkommissar und Boerne-Nachbar Frank Thiel (Axel Prahl) eine andere Bleibe suchen. Die Wahl fällt auf die Laube seines Vaters (Claus-Dieter Clausnitzer), in der auch Königs alter Weggefährte Manni Pleuger (Guntbert Warns) Unterschlupf gefunden hat. Der bringt ebenso ein Tatmotiv mit wie die Stalkerin Christiane Stagge (Fritzi Haberlandt), die dem vor allem bei der älteren Damenwelt beliebten Sänger seit Wochen in einem Wohnmobil hinterher reist...
Giftspinnen in den Supermarkteinkäufen, die Honeymoon-Suite als Notunterkunft für Bonvivant Boerne und eine hemmungslos Schlager grölende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann): Das eingespielte Autorenduo um Stefan Cantz und Jan Hinter, das schon viele gemeinsame Drehbücher zu Münsteraner „Tatort"-Folgen beisteuerte, weiß genau, was die Fangemeinde des beliebtesten und erfolgreichsten aller aktuellen Ermittler-Teams sehen will und setzt trotz der zuletzt harschen Kritik weiter auf die sympathisch-überzeichneten Figuren und den typischen Humor. Die Einschaltquoten stimmten bisher schließlich immer – und in „Summ, summ, summ" ist auch die Mischung aus Satire und klassischen Krimielementen wieder deutlich stimmiger. Während Boerne und seine kleinwüchsige Assistentin Silke „Alberich" Haller (ChrisTine Urspruch), die diesmal unter Hotelbetten krabbeln und Bienenleichen auflesen muss, wie gewohnt für den Großteil der humorvollen Dialoge verantwortlich zeichnen, widmen sich Thiel und Assistentin Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) in erster Linie dem Mordfall.
Der folgt einer klassischen Whodunit-Konstruktion, so dass der Zuschauer bis in die letzten Minuten miträtseln kann - wenngleich die Auflösung ein krimierprobteres Publikum nicht wirklich überraschen dürfte. Macht aber nichts: Die Macher dieses Münsteraner „Tatorts" meistern den Spagat zwischen Komik und Kriminalistik gekonnt, wobei trotz aller humorvollen Zwischentöne der Mordfall nie aus den Augen verloren wird. Dass erwartungsgemäß zur vollen „Tatort"-Stunde eine zweite Leiche gefunden wird und die leinwanderfahrene Fritzi Haberlandt („Transpapa", „Die Libelle und das Nashorn") als fanatische Stalkerin schauspielerisch jederzeit unterfordert ist, ist leicht zu verschmerzen: Neben Boernes köstlichen Hotelszenen, in denen der Gerichtsmediziner in einem modisch äußerst eigenwilligen Bademantel mit König über Richard Wagner philosophiert, sorgen auch die herrlich trockenen Wortgefechte zwischen Thiel Junior und Senior für beste Unterhaltung.
Mit Schlagersänger Roland Kaiser, der für „Summ, summ, summ" extra den Song „Egoist" einsang und in voller Länge zum Besten gibt, weiß der „Tatort" zudem einmal mehr einen Stargast in seinen Reihen, dem dabei deutlich mehr Dialogzeilen vergönnt sind als seinen prominenten Musikerkollegen und Vorgängern Dieter Bohlen („Moltke"), Rio Reiser („Der Pott" und „Im Herzen Eiszeit"), Bela B. („Totentanz") oder Udo Lindenberg („Kneipenbekanntschaft"). Kaiser braucht sich im Grunde nur selbst zu spielen, gibt sich dabei aber erfreulich selbstironisch und feiert zudem einen denkwürdigen Abgang, der Thiel und Boerne ein kniffliges Rätsel aufgibt. Wirklich spannend wird es dabei selten, doch der 867. „Tatort" spielt nun mal in Münster – und dort setzt der WDR bekanntermaßen erfolgreich andere Schwerpunkte.
Fazit: Mit „Summ, summ, summ" findet der zuletzt schwächelnde Münsteraner Tatort wieder das richtige Maß an Humor. Ergebnis: eine überzeugende und kurzweilige Krimikomödie.