Die jungen Protagonisten sind an Krebs erkrankt, aber genießen das Leben in vollen Zügen und halten sich sogar gegenseitig ihre Grabreden, schließlich wären die ja auch völlig verschenkt, wenn der andere schon tot ist. Solche tränenziehenden Szenen versprechen große Emotionen und lassen zugleich alle Kitsch-Alarmleuchten aufblinken. Aber keine Angst: Der weltweite Bestseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green ist kein typisches „Krebsbuch“ – und die Leinwandadaption von Josh Boone („Love Stories“) ist nun zum Glück auch kein typischer Spielfilm über die oft tödliche Krankheit. Denn selbst wenn es in anderen Werken zum Thema schon oft Versuche gab, das Leben in den Mittelpunkt zu rücken und nicht das Leiden, fühlte sich der Optimismus selten so natürlich an wie in dieser schmerzhaft-schönen Teenager-Romanze: ungeschminkt, aber nie voyeuristisch; hochemotional, aber nie sentimental; positiv, aber nie beschönigend. Hier kommt man trotz der auch sehr traurigen Geschichte mit einer ganz neuen Lust aufs Leben und Lieben aus dem dunklen Kinosaal. Nur ganz, ganz selten haben wir einem Leinwand-Liebespaar so fest die Daumen gedrückt wie nun Hazel und Gus.
Die 16-jährige Hazel Grace Lancaster (Shailene Woodley) lässt sich nur widerwillig von ihrer überfürsorglichen Mutter (Laura Dern) zur Selbsthilfegruppe für Krebspatienten kutschieren, vergisst ihre Vorbehalte aber mit einem Schlag, als sie dort den gleichaltrigen Gus Waters (Ansel Elgort) kennenlernt. Zugleich fasziniert und auch ein wenig eingeschüchtert von seiner offenen Art fasst sie den Mut, sich auf ein Date mit dem stets eine unangezündete Zigarette im Mundwinkel tragenden Jungen einzulassen. Zu Hause liest Hazel immer und immer wieder ihren Lieblingsroman „An Imperial Affliction“, der vom Sterben eines jungen Mädchens handelt und mitten in einem Satz abbricht. Aber auch wenn sie den Schriftsteller für dieses Stilmittel bewundert, muss Hazel doch unbedingt wissen, wie es mit einigen der Figuren nach dem Ende des Buchs weitergeht. Also organisiert Gus eine Reise nach Amsterdam, um dem Autor Peter Van Houten (Willem Dafoe) einen Besuch abzustatten. Doch dann drohen Hazels Lungen plötzlich nicht länger mitzuspielen und ihre Ärzte raten dringend von dem strapaziösen Trip nach Übersee ab…
Dass gleich John Greens erster Roman „Eine wie Alaska“ von einem Kritiker mit dem Überklassiker „Der Fänger im Roggen“ verglichen wurde, ist alles andere als ein Zufall. Schließlich gibt es aktuell kaum einen anderen Autor, der so nah an seine Teenager-Protagonisten herankommt wie der längst zum Bestseller-Garanten gereifte US-Amerikaner: Kein erhobener Zeigefinger, keine gewollte Hipness – Greens Figuren fühlen sich einfach echt an. Gerade solche Qualitäten können in einer Hollywood-Adaption gerne auch mal verloren gehen, aber dieses „miese Schicksal“ bleibt „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ erspart: Regisseur Josh Boone, die Drehbuchautoren Scott Neustadter und Michael H. Weber (das Duo schrieb bereits „(500) Days Of Summer“) sowie die jungen Stars haben offensichtlich verstanden, dass ihre tragische Liebesgeschichte nicht mit einer Extraportion Traumfabrik-Pathos, sondern einzig und allein mit dem größtmöglichen Maß an Natürlichkeit funktionieren kann. Schließlich bedauert auch Hazel zutiefst, dass sie ihren Wunsch bei der Make-a-Wish-Stiftung einst an einen nur oberflächlich-künstliche Freuden bringenden Trip nach Disneyland verschwendet hat, statt ihn nun für eine erhellende Reise zu ihrem Lieblingsautoren nach Amsterdam zu verwenden.
Die Konzentration auf das Wesentliche kennzeichnet sowohl die Haltung der Protagonisten als auch die Inszenierung des Films. So findet das erste Gespräch zwischen Hazel und Gus auf einem trostlosen Kirchen-Parkplatz statt und zum Date treffen sie sich nicht etwa auf dem Empire State Building oder auf dem Eiffelturm, sondern ganz einfach im Park um die Ecke – diese erste große Liebe (die für das junge Paar auch die letzte sein könnte) braucht keine pathetische Starthilfe, dafür sind die Figuren viel zu stark und liebenswert: Hazel hat viel durchgemacht für ihr Alter und zudem ein Faible für trocken-kluge Kommentare (die sie oft aus dem Off beisteuert) – aber sie ist trotzdem keine Erwachsene im Körper eines jungen Mädchens wie etwa Ellen Page in „Juno“, sondern ein waschechter Teenager mit allen Ängsten und Hoffnungen, die dazugehören: So erwartet Hazel den Anruf nach dem ersten Date mit derselben Ungeduld und Unsicherheit wie das Testergebnis der letzten Untersuchung – und das ist keinesfalls eine Verharmlosung des Krebsleidens, sondern einfach menschlich. Sowieso wird die Krankheit weder verdrängt (das geht schon wegen Hazels immer präsentem Sauerstofftank gar nicht), noch wird der Zuschauer mit allem Nachdruck daran erinnert. So fühlt man sich auch bei den vielen intensiv-dramatischen Szenen gegen Ende nie manipuliert, sondern ehrlich zu Tränen gerührt – und das ist nicht nur in Hollywoodfilmen eine kostbare Rarität.
Nachdem auch sie den mittelprächtigen „Die Bestimmung - Divergent“ nicht retten konnte, beweist die längst als künftiger Superstar gehandelte Shailene Woodley hier, dass ihre überragende Leistung an der Seite von George Clooney in „The Descendants“ keine einmalige Sache war: Furchtlos (und meistens ungeschminkt), ehrlich und ohne jeden aufgesetzt-pathetischen Wink in Richtung Oscar-Wähler verkörpert sie die mutig liebende Hazel mit einer Wahrhaftigkeit, die man nur ganz wenigen Darstellerinnen ihrer Generation zutrauen würde. Und auch Ansel Elgort („Carrie“), dessen Rolle als Gus zumindest zwischenzeitlich ein wenig in Richtung des Klischees vom Jugendschwarm-der-in-absolut-jeder-Sekunde-genau-das-Richtige-sagt abzudriften droht, überwindet diesen Etwas-zu-perfekter-Schwiegersohn-Malus in Windeseile und spielt sich mit seinem frech-natürlichen Charme in die Herzen des Publikums. Da möchte man nach dem Kino am liebsten in den nächsten Supermarkt stürmen, um anschließend gemeinsam mit Hazel und ihren Krebs-Kumpels Eier auf das Haus jenes Mädchens zu werfen, das per SMS mit seinem nach einer Operation erblindeten Freund Schluss gemacht hat.
Fazit: „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist eine Hollywood-Rarität: wunderschön traurig und ohne jede falsche Sentimentalität.