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    Herz aus Stahl
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Herz aus Stahl
    Von Christoph Petersen

    Strahlende Helden scheinen Regisseur und Drehbuchautor David Ayer nicht zu interessieren. So hat er Denzel Washington in „Training Day“ nicht nur eine der abgründigsten Cop-Rollen der Kinogeschichte auf den Leib geschrieben, sondern auch die Regie des für 2016 angekündigten Comic-Blockbusters „Suicide Squad“ übernommen, in dem zur Abwechslung mal nicht die üblichen DC-Helden um Batman und Superman, sondern deren schurkische Widersacher wie Harley Quinn und Lex Luthor im Mittelpunkt stehen. Und wenn ein Filmemacher mit einer Vorliebe für ambivalente Protagonisten einen Kriegsfilm in Angriff nimmt, dann verschlägt es ihn wie Oliver Stone bei „Platoon“ oder Michael Cimino bei „Die durch die Hölle gehen“ in der Regel nach Vietnam (oder neuerdings auch nach Afghanistan oder in den Irak). Ayer hat sich in „Herz aus Stahl“ hingegen mit dem Zweiten Weltkrieg den letzten gemeinhin als „gerecht“ angesehenen Krieg Amerikas vorgeknöpft, um neben berauschender Panzer-Action auch zu zeigen, dass Krieg allgemein ein derartig schmutziges Geschäft ist, dass selbst seine Helden nicht ganz sauber sein können.

    Als die alliierten Streitkräfte im April 1945 zum finalen Schlag gegen das Dritte Reich ansetzen, hat Hitlers dezimierte Wehrmacht mit ihren Tiger-Panzern immer noch ein Ass im Ärmel: Während die deutschen Geschosse die Panzerung der alliierten Fahrzeuge leicht durchschlagen, prallt das US-Feuer an den deutschen Panzern meist wirkungslos ab. Trotz dieser technischen Unterlegenheit kämpfen Panzerführer Don „Wardaddy“ Collier (Brad Pitt) und seine Crew bestehend aus dem Schützen Boyd „Bible“ Swan (Shia LaBeouf), dem Ladeschützen Grady „Coon-Ass“ Travis (Jon Bernthal) und dem Fahrer Trini „Gordo“ Garcia (Michael Peña) nun schon seit dem Afrikafeldzug gemeinsam gegen die Achsenmächte. Nur den Bugschützen ihres „Fury“ getauften Panzers hat es beim letzten Einsatz erwischt, weshalb der Besatzung als Ersatz der unerfahrene Norman Ellison (Logan Lerman) zugeteilt wird. Erst vor wenigen Wochen als Schreibkraft zur Armee gestoßen, hat dieser nicht nur noch nie einen Panzer von innen gesehen, er kann sich auch nicht dazu überwinden, Nazis zu töten…

    Normans erste Aufgabe als Bugschütze: Panzerputzen. Dabei muss er zunächst einmal das halbe Gesicht seines zerfetzten Vorgängers entfernen, womit Ayer die Richtung für den ganzen Film vorgibt: Die Schlachtsequenzen sind so kompromisslos-brutal, dass einige Einstellungen durchaus auch aus einem Splatterfilm stammen könnten. Trotzdem sind es die eher beiläufigen Momente wie das Säubern des Panzers, die einem den wahren Schrecken des Krieges besonders eindringlich vor Augen führen. Noch extremer: In einer Szene wühlt sich eine Panzerkolonne durch den Matsch – und erst als die Kamera langsam näher heranfährt, dämmert dem Zuschauer langsam, dass der Matsch zum Teil aus zerstampften menschlichen Körpern besteht. Aber Ayer belässt es nicht dabei, den Krieg als Hölle auf Erden zu inszenieren, er zeigt auch, was dieses Inferno mit den Menschen in ihm anstellt: Die Fury-Crew ist eine verschworene Gemeinschaft, in der tatsächlich jeder für den anderen sterben würde, aber auch die Abgründe hinter diesem hollywoodtypischen Heldenmut werden nicht ausgespart. So zwingt der Panzerführer seinen neuen Bugschützen in einer nahezu unerträglich intensiven Sequenz mit psychischer und physischer Gewalt, einen unbewaffneten SS-Offizier zu exekutieren. Nur in einer Szene, in der Wardaddy eine deutsche Frau zum Sex mit Norman nötigt, vergreift sich Ayer im Ton, wenn er die Quasi-Vergewaltigung zu einem Liebe-auf-den-ersten-Blick-Moment umdeutet.

    David Ayer war schon immer ein Filmemacher mit einem Hang zum Genrekino („End of Watch“, „Sabotage“) und diese Vorliebe verleugnet er auch in seinem Kriegsfilm nicht. Die Atmosphäre von „Herz aus Stahl“ ist grimmig bis zum Gehtnichtmehr, aber die Actionszenen sind dennoch auch mitreißende Unterhaltung (verkommen dabei aber anders als etwa in Peter Bergs dummdreist-patriotischem „Lone Survivor“ nie zum bloßen Selbstzweck). Neben einem ungleichen Panzerduell (selbst drei US-Panzer haben gegen einen deutschen Tiger kaum eine Chance) stechen dabei vor allem die Maschinengewehrgefechte mit einer im ersten Moment verwunderlichen, aber dann doch beeindruckenden Eigenheit visuell heraus: Wie auch reale Archivaufnahmen von damaligen Gefechten zeigen, haben die Deutschen grüne und die Amerikaner rote Leuchtspurmunition verwendet – und Ayer ist nun einer der ersten Regisseure, der diesen Fakt als bewusstes Stilmittel einsetzt. So erinnern die Duelle zwar ein wenig an „Krieg der Sterne“-Laserduelle, aber sie entfalten auch eine ungewöhnlich unmittelbare Wirkung, weil der Zuschauer die Kugeln nicht nur zischen hört, sondern ihre Spur auch mit den Augen nachvollziehen kann.

    Der frischgebackene Oscar-Preisträger Brad Pitt (als Produzent von „12 Years A Slave“) verkörpert in „Herz aus Stahl“ so etwas wie eine geerdete Version seines naziskalpierenden Lt. Aldo Raine aus Quentin Tarantinos Geschichtsumschreibung „Inglourious Basterds“: Mit seiner rauen Ausstrahlung ist Wardaddy für sein Team Anführer, Vaterfigur und Idol in einem. Aber auch wenn Pitt den Film mit seinem einnehmenden Charme allein tragen könnte, sticht einer seiner Co-Stars aus der insgesamt hervorragenden Besetzung besonders heraus: „Herz aus Stahl“ ist in den Wochen nach dem US-Start zwar weitestgehend aus den Oscar-Diskussionen verschwunden (was weniger an der Qualität des Films liegt als an dem Umstand, dass er eben doch die DNA eines Genrefilms in sich trägt und die meisten Oscar-Wähler klassische Zweite-Weltkriegs-Dramenkost wie etwa Angelina Jolies „Unbroken“ bevorzugen), aber wenn der Film noch ernsthaft im Rennen wäre, müsste Shia LaBeouf ganz oben auf den Listen möglicher Nominierungs-Kandidaten stehen. Dessen schlagzeilenträchtigen Method-Acting-Sperenzchen (er hat wochenlang nicht geduscht, sich selbst einen Zahn gezogen und den Panzer nur verlassen, wenn er von den Sicherheitsleuten dazu gezwungen wurde) zahlen sich nämlich tatsächlich aus und obwohl er als bibeltreuer Schütze der Ruhigste der Truppe ist, strahlt LaBeouf selbst in den Momenten eine faszinierende Präsenz aus, in denen er nur beobachtend in der Ecke sitzt.

    Fazit: „Herz aus Stahl“ ist intensiv-klaustrophobische Genre-Action und vehement-fatalistisches Anti-Kriegs-Pamphlet in einem.

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