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    Rogue One: A Star Wars Story
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Rogue One: A Star Wars Story
    Von Carsten Baumgardt

    Als George Lucas 2012 seine legendäre „Star Wars“-Schmiede Lucasfilm für stattliche vier Milliarden Dollar an den Disney-Konzern verkaufte, hatten nicht wenige Fans der Sternensaga „ein ganz mieses Gefühl“, weil sie einen Ausverkauf des Kults fürchteten. Der Start in die neue Zeitrechnung geriet dann allerdings spektakulär: Mit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ hat Regisseur J.J. Abrams das alte, von vielen Kinogängern bei der Prequel-Trilogie so schmerzlich vermisste „Star Wars“-Feeling mit einer stimmigen Mischung aus ergrauten Helden und faszinierenden neuen Figuren eindrucksvoll wiederbelebt. Beim ersten Spin-off im großen Disney-Masterplan (neben den Episoden VIII und IX ist bis 2019 auch noch ein „Han Solo“-Ablegerfilm konkret angekündigt) lief es dann allerdings schon im Vorfeld nicht rund und was von der Produktion nach außen drang, brachte das Internet zwischenzeitlich regelrecht zum Hyperventilieren. Und auch wenn man nun ganz nüchtern betrachtet, was Regisseur Gareth Edwards („Monsters“, Godzilla“) mit „Rogue One: A Star Wars Story“ auf die Leinwand bringt, muss man feststellen, dass die Rechnung diesmal nicht ganz aufgeht: „Rogue One“ setzt als düsterer Kriegsfilm einen neuen Akzent im „Star Wars“-Universum, der zwar mit brillanten Schauwerten aufwartet, aber durch schwache Figuren und eine durchwachsene Story ausgebremst wird.

    Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis: Das Imperium regiert das Universum mit harter Hand und untermauert seine Machtstellung durch die Konstruktion des Todessterns, einem monströsen Planetenkiller, dem die Widerstandskämpfer nichts entgegenzusetzen haben. Ein hochriskantes Himmelfahrtskommando soll die Wende zugunsten der Rebellion erzwingen. Dazu machen sich Captain Cassian Andor (Diego Luna), sein umprogrammierter imperialer Sicherheitsdroide K-2SO (Alan Tudyk) und die dickköpfige Jyn Erso (Felicity Jones) auf, um deren Vater Galen (Mads Mikkelsen) zu finden. Er ist der (unfreiwillige?) Hauptkonstrukteur des Todessterns. Später schließen sich der blinde Krieger Chirrut Îmwe (Donnie Yen) und dessen Kompagnon Baze Malbus (Jiang Wen) der Kampfgruppe an, um die Pläne des Todessterns zu erbeuten, damit die Rebellen gegen die gigantische Vernichtungsmaschine überhaupt eine Chance haben. Weiter verkompliziert wird das Sabotageunternehmen der Widerständler dadurch, dass Cassian den Auftrag des Rebellionsrats erhalten hat, Galen zu töten – wovon dessen Tochter Jyn wiederum nichts weiß…

    Als die Öffentlichkeit von den ausführlichen Nachdrehs zu „Rogue One“ erfuhr, sorgte das in der „Star Wars“-Gemeinde den ganzen Sommer über für Spekulationen. Zwar ist es bei Produktionen dieser Größenordnung absolut nichts Besonderes, dass noch einmal zweite Hand angelegt wird, und Disney gab sich auch allergrößte Mühe, die Sache herunterzuspielen, aber das Ausmaß der Nachbesserungsarbeiten (Bohdi-Rook-Darsteller Riz Ahmed: „Es gab tonnenweise Nachdrehs“) war schon eher ungewöhnlich. Nun lässt sich von außen unmöglich beurteilen, wie sich das letztlich ausgewirkt hat. Aber eins kann man anhand des fertigen Films völlig wertfrei feststellen: „Rogue One“ ist der krasse Gegenentwurf zu „Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht“. Edwards hat etwas komplett Neues geschaffen, das sich von den bisherigen Filmen der Saga konsequent absetzt – dass zugleich auch versucht wird, die (vermeintlichen) Erwartungen der „Star Wars“-Fans zu bedienen, führt allerdings dazu, dass hier am Ende nicht alles ganz überzeugend zusammenpasst.

    Ganz klar auf der positiven Seite ist das visuelle Gespür von Regisseur Gareth Edwards zu verbuchen: Schon wie er inszenatorisch in die Vollen geht, macht „Rogue One“ sehenswert! Mit dem atmosphärischen Prolog, in dem er die Vorgeschichte von Galen und Jyn Erso erzählt, einem in Dauerregen ertränkten Angriff der Rebellentruppe auf eine felszerklüftete Imperiumsfestung und nicht zuletzt der pompösen finalen Strandschlacht unter Palmen, wo Edwards auf dem Planeten Scarif in grandiosem Setting Sternenkreuzer und AT-ATC-Walkers (eine Abwandlung des legendären Modells AT-AT) auf die Rebellen hetzt, gibt es drei wirklich grandios-großkalibrige Sequenzen, die „Rogue One“ allein zum mitreißenden Kinoerlebnis machen. Der „schmutzige“ Look und die martialische Action lassen die FSK-12-Freigabe gerade noch angemessen erscheinen: Zwar gibt es Horden von Getöteten, aber es wird nie explizit blutig und das Sterben hat oft eher etwas Comichaftes an sich. Was dem Werk in seiner ungewohnten Kriegsästhetik allerdings weitgehend abgeht, ist dieses ganz spezielle „Star Wars“-Feeling. Und auch die Erweiterung des Personal läuft hier weit weniger glücklich ab als in „Episode VII“: In „Rogue One“ gibt es nur zwei Figuren, die nachhaltig für Belebung sorgen. Ben Mendelsohn („The Dark Knight Rises“) verbreitet als Bösewicht Orson Krennic finsteres Charisma und der neue Droide K-2SO erweist sich als zuverlässiger Oneliner-Lieferant, der jede Menge trockenen Humor beisteuert. Allerdings wollen seine Bonmots und Pointen nicht so recht zum ansonsten düster-ernsten Erzählton des Films passen.

    Während Hauptdarstellerin Felicity Jones („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) als potenzielle Anführerin Jyn immerhin ansatzweise überzeugt und als ungewöhnlich störrische Identifikationsfigur durchaus auch als reizvoller Neuzugang gelten kann, bleibt ihr Kampfpartner Diego Luna („Milk“) als Schmalspur-Han-Solo so blass wie der Rest des austauschbaren dreckigen Dutzends. Es wirkt fast so, als habe bei der Zusammenstellung des Ensembles die weltweite Vermarktbarkeit die oberste Priorität besessen und nicht die erzählerische Logik. Donnie Yen („Ip Man“) kann als weiser, blinder Samurai einen Meister Yoda nicht ersetzen und von seinem chinesischen Landsmann Wen Jiang („The Lost Bladesman“) als Krieger Baze Malbus bleibt lediglich seine überproportionierte Laserwumme im Gedächtnis. Aber vielleicht ist es auch nur der ausdrückliche Wunsch nach Diversität, der hier nicht wie gewünscht aufgeht.   

    Die mächtigen Jedi-Ritter fehlen „Rogue One“ trotz immerwährender Machtzitate („Trust The Force“) mehr als der Rolltitel und Kult-Komponist John Williams, der durch Michael Giacchino („Star Trek“) adäquat ersetzt wird. Gerade weil die Spin-off-Helden schwächeln, erweisen sich aber zumindest die alten Recken der Saga als willkommene Bereicherung: Jahrhundertbösewicht Darth Vader (Stimme im Original: James Earl Jones) spielt zwar als Chef von Director Krennic keine große Rolle, aber allein seine kurze Präsenz ist ein besonderer Höhepunkt. Ein echter Hingucker ist auch die digitale Auferstehung des 1994 verstorbenen Peter Cushing als Gouverneur Tarkin. Mit Genevieve O’Reilly als Rebellensenatorin Mon Mothma (aus „Episode III“) und Jimmy Smits als Bail Organa (aus „Episode II“ und „III“) sind noch weitere alte Bekannte in kleinen Rollen wieder dabei – genauso wie ein großer Überraschungsgast. Und zu all dem sorgt die Dauerpräsenz der Stormtrooper für ein vertrautes Bild. Klar ist aber auch: Ohne das Wissen um das „Star Wars“-Universum ergibt „Rogue One“ wenig Sinn, weil die ganzen Anspielungen verpuffen. Denn erzählerisch ist der Science-Fiction-Actioner nicht unproblematisch, die Spannung bezieht der Film direkt aus den Schlachten und nicht aus der grob zusammengezimmerten Handlung. Und eins steht unabhängig davon fest: Eine Fortsetzung ist praktisch unmöglich, denn das Spin-off schließt zeitlich unmittelbar vor „Episode IV“ ab - mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt.

    Fazit: „Rogue One“, das erste „Star Wars“-Spin-off unter Disney-Herrschaft, ist ein ambivalentes Erlebnis mit Licht und Schatten: Gareth Edwards liefert einen vor allem visuell beeindruckenden Kriegsfilm ab, dem das große emotionale Herz des Vorgängers „Das Erwachen der Macht“ allerdings fehlt.

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