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    The Riot Club
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Riot Club
    Von Carsten Baumgardt

    Die Dänin Lone Scherfig, die ihren Durchbruch einst als Dogma-Jüngerin mit „Italienisch für Anfänger“ erlebte, hat ihr Wirken mittlerweile auf die britische Insel verlegt und gehört dort inzwischen fest zum filmischen Establishment. Nach dem oscarnominierten „An Education“ und „Zwei an einem Tag“ spielt auch ihr jüngstes Werk „The Riot Club“ in England, dieses Mal jedoch in der Gegenwart. Diese Rückkehr in die heutige Zeit ist allerdings weit entfernt von einer Besinnung auf den ungeschliffen-unmittelbaren Dogma-Stil, vielmehr weht durch das dialogreiche Oberschichten-Drama der stete Hauch einer vermeintlich längst untergegangenen Epoche grenzenloser Dekadenz und Arroganz – womit auch gleich das Problem von Scherfigs Films umrissen ist: Sie zeigt uns einen Haufen Unsympathen (sehr höflich formuliert) dabei, die sich mit größter Selbstverständlichkeit für die Herren der Welt halten. Und wenn das fiese Treiben in der zweiten Hälfte doch noch eine teils packende Dynamik bekommt, ist das Interesse an den vor Borniertheit strotzenden Figuren beinahe schon erlahmt.

    Miles Richards (Max Irons) kommt aus gutem Hause, hat eine exquisite Schule besucht und beginnt nun an einem ehrwürdigen College in Oxford sein Studium. Er freundet sich gleich mit seiner Kommilitonin Lauren (Holliday Grainger) an, wenig später beginnen die beiden gegen bessere Überzeugung eine Beziehung. Auch Alistair Ryle (Sam Claflin) startet seine Uni-Karriere, hat aber eine ruhmreiche familiäre Vorgeschichte, denn sein älterer Bruder war Präsident des legendären Riot Clubs. Diese Elite-Studentenverbindung folgt einer im 18. Jahrhundert begründeten Tradition, als ein gewisser Lord Ryot seinem allzu ausschweifenden Leben bitteren Tribut zollen musste. Dem Exzess aus Suff, Drogen und Frauen im Überfluss eifern die wenigen verbliebenen Mitglieder des Clubs bis heute nach, sie wollen Miles und Alistair als Neuzugänge gewinnen, um den Kult wenigstens mit zehn Männern weiterzuführen. Nach erniedrigenden Aufnahmeritualen sind die beiden dabei und ihr erstes Club-Jahresdinner steht vor der Tür: Bei diesem Anlass wird immer so richtig die Sau rausgelassen. Dazu mietet sich die Gruppe im „Bull’s Head“ ein, einem rustikal-bürgerlichen Pub außerhalb von Oxford, denn  innerhalb der Stadtgrenzen haben die feierwütigen Clubmitglieder bereits überall Hausverbot – und das aus gutem Grund…

    Regisseurin Lone Scherfig und Drehbuchautorin Laura Wade, die hier ihr eigenes Bühnenstück „Posh“ adaptiert hat, zeichnen in „The Riot Club“ ein wenig schmeichelhaftes Porträt der britischen Oberschicht. Diese sogenannte Elite und ihr Nachwuchs scheinen nur aus in ewig gestrigen Denkweisen steckengebliebenen Snobs zu bestehen. Dabei waren die Rituale des Riot Clubs schon zu Zeiten seines Namensgebers recht albern und infantil, aber in der Gegenwart wirkt die Haltung des „Wir können uns alles erlauben“ noch einmal um einiges deplatzierter und hohler. In einer Szene etwa rasen einige Club-Mitglieder nach einem Saufgelage in einem Cabrio durch die Stadt - als der Aschenbecher voll ist, wird die Luxuskarosse einfach stehengelassen (man hat’s ja) und der Schlüssel für den Finder hinterlegt. Das aufreizende Gehabe der Burschenschaft ist zugleich eine Zurschaustellung von Macht, die zynische (Geld-)Aristokratie erhebt immer noch unverhohlen und ganz selbstverständlich einen gesellschaftlichen Führungsanspruch. Das gefällt der weniger privilegierten Umwelt (wie etwa dem „Fußball-Pöbel“) naturgemäß gar nicht. Lone Scherfig unterstreicht in ihrer überspitzten Darstellung die Klassenunterschiede und lässt kein gutes Haar an der dekadent traditionshörigen Oxford-Oberschicht. Lange gibt es hier nur eine einzige Aussage (=die reiche Elite besteht nur aus Arschlöchern), die gefühlt endlos wiederholt wird.

    Nach dem recht eindimensionalen Beginn lässt Lone Scherfig die Dinge beim Riot-Club-Dinner im „Bull’s Head“ (das fast die gesamte zweite Filmhälfte einnimmt) gekonnt und mit satirischer Verve eskalieren. „The Riot Club“ bekommt nun eine neue Dynamik, weil die angestauten Konflikte auch innerhalb der durch Alkohol und Drogen enthemmten Abendgesellschaft aufbrechen. Scherfig verdichtet das Geschehen auf engstem Raum und macht den Mikrokosmos des Landgasthofs zum Spiegelbild der Gesellschaft. Die Situation schaukelt sich hoch, die jungen Männer trinken sich in Rage und fechten ihren Psychokrieg mit dem buckelnden Gastwirt (Gordon Brown) aus. Unweigerlich steuert alles auf den totalen Exzess zu – und einen Endkampf zwischen Oberklasse und Proletariat. Das mag hier arg zugespitzt wirken, aber auch wenn der Riot Club selbst fiktiv ist, beruht sein Porträt doch auf real existierenden Elite-Verbindungen wie dem Bullingdon Club, in dem einst auch der britische Premierminister David Cameron Mitglied war: Die Machtelite sammelt sich bereits während des Studiums im Verborgenen, um sich aufs Herrschen vorzubereiten. Solche Strukturen, die die Klassenunterschiede im der britischen Gesellschaft zementieren, nimmt Scherfig mit ins Visier, wenn sie den frechen Hedonismus und die rücksichtslosen Ausschweifungen des Geldadels kritisiert – auch wenn diese Kritik weder subtil noch besonders tiefschürfend ausfällt.

    Unter den Darstellern ist Sam Claflin („Die Tribute von Panem - Catching Fire“) der unzweifelhafte Star. Er gibt den Entgleisungen der Elitestudenten wenigstens eine gewisse Klasse und so ist zumindest zu ahnen, dass der Riot Club bei Außenstehenden nicht nur Abscheu hervorrufen kann, sondern auch Neid. Deutlich in Claflins Schatten steht der brav-blasse Kollege Max Irons („Seelen“), der als bodenständiger Miles allerdings auch die deutlich undankbarere Rolle innehat. Scherfig und Wade führen seine Figur als erzählerisches Gegengewicht zur Verkommenheit der Verbindungsmitglieder ein, aber der vermeintliche Sympathieträger wird alsbald von seinen neuen „Freunden“ korrumpiert und wenn er sich schließlich doch noch eines Besseren besinnt und wenigstens halbherzig aufbegehrt, dann scheint dies mehr einer erzählerischen Konvention geschuldet als einer inneren Überzeugung der Filmemacher. So bleibt Holliday Grainger („Bel Ami“, „Anna Karenina“) als Lauren der einzige Rettungsanker für ein identifikationswilliges Publikum, weil sie die einzige ist, deren moralischer Kompass noch funktionsfähig ist.

    Fazit: In Lone Scherfigs Drama „The Riot Club“ wird die britische Machtelite über das Porträt einer über alle Stränge schlagenden exklusiven Studentenverbindung vorgeführt und zerlegt: bissig und provokant, aber letztlich zu oberflächlich und eindimensional.

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