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    Monsieur Chocolat
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Monsieur Chocolat
    Von Michael Meyns

    Gerne wird behauptet, dass wir in den westlichen Gesellschaften in „post-rassistischen“ Zeiten lebten: Per Gesetz ist Diskriminierung längst verboten, der Negerkuss heißt inzwischen Schokokuss und Schwarze spielen in der Nationalmannschaft. Doch immer wieder zeigt sich, wie fragil die Akzeptanz des Anderen, des von der Mehrheitsgesellschaft Abweichenden ist. Dieses Thema steht auch im Mittelpunkt von Roschdy Zems „Monsieur Chocolat“, einem biografischen Drama über den Clown Chocolat, der Ende des 19. Jahrhunderts zum Star der Manege avancierte. Dass der einstige Sklave in der Pariser Gesellschaft trotz des äußeren Erfolgs nicht wirklich akzeptiert wurde und dass der aufklärerische Fortschritt oberflächlich blieb, ist der spannendste Aspekt eines Films, der zwar in ferner Vergangenheit angesiedelt ist, aber in seinen besten Momenten viel über die Gegenwart erzählt.

    1897. In einem Zirkus in der französischen Provinz arbeitet der ehemalige schwarze Sklave Rafael Padilla (Omar Sy), der als grunzendes Urwaldwesen die Ängste der einheimischen Bevölkerung vor dem Fremden bedient. Doch dann entdeckt der weiße Clown Footit (James Thierée, der Großenkel des legendären Charlie Chaplin) Rafaels mimisches Talent und bildet mit ihm ein Spaßmacher-Duo. Die Clowns-Paarung Footit-Chocolat erregt bald landesweites Interesse: Die Hauptstadt ruft und mit ihr der Erfolg, den besonders Rafael alias Chocolat in vollen Zügen genießt: teure Kleidung, schöne Frauen, ein Automobil. Als er sich beim Glücksspiel ruiniert, muss er jedoch erkennen, dass es ohne Geld schnell vorbei ist mit der Freundlichkeit seiner vermeintlichen Bewunderer.

    In vertrauter Biopic-Manier hakt der in Deutschland bisher vor allem als Schauspieler bekannte Regisseur Roschdy Zem („Point Blank – Aus kurzer Distanz“) die wichtigen Stationen in Padillas Leben ab und erzählt so im Grunde eine klassische Geschichte von Aufstieg und Fall. Das bleibt alles recht glatt und konventionell, der Film lebt über weite Strecken von seinen beiden Hauptdarstellern: „Ziemlich beste Freunde“-Star Omar Sy glänzt einmal mehr und zeigt hinter einer überschwänglich-fröhlichen Fassade große Sensibilität, die oft in Bitternis umschlägt, wenn seine Figuren mit dem alltäglichem Rassismus konfrontiert werden, was dann auch sein gequältes Lächeln nicht kaschieren kann. An Sys Seite überzeugt James Thierée, der seiner Figur etwas ähnlich Leidendes verleiht: Footit wird klar, dass er seine eigene Karriere allein durch die Hilfe Chocolats gerettet hat und dazu quält ihn das Wissen, dass der Partner nicht seiner selbst wegen akzeptiert wird.

    Denn nur wenn Chocolat sich einfügt, wenn er im Clownsduo den Dummen August gibt, den Trottel, der sich von seinem Kompagnon in den Hintern treten lässt und damit auf kaum verhohlene Weise dem vorherrschenden Rassismus bestätigt, nur dann hat er Erfolg und wird akzeptiert. Lange Zeit lässt Chocolat diese Erkenntnis nicht an sich heran, genießt die Annehmlichkeiten des Erfolgs und lässt bereitwillig seine Eitelkeit kitzeln - bis er nach einer durchzechten Nacht im Gefängnis landet. Dort trifft er auf den haitianischen Intellektuellen Viktor (Alex Descas, „Lumumba“), der ihm die Augen öffnet: Padilla spielt den Hanswurst nicht nur, sondern macht sich buchstäblich zum Clown. Als er schließlich versucht, als ernsthafter Schauspieler akzeptiert zu werden und als Mohr in Shakespeares „Othello“ auftritt, ist das der Anfang vom Ende.

    Gleichsam im Windschatten der biografischen und historischen Fakten erzählt Roschdy Zem vom alltäglichen Rassismus in Frankreich. Er zeigt ganz deutlich, dass die Nation, die sich gern als die Heimat von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit feiert, an der Schwelle zum 20. Jahrhundert noch weit von einer echten Gleichheit entfernt war, und er unterstreicht dabei gleichzeitig indirekt, dass die Ideale der Französischen Revolution bis heute nur sehr bedingt Wirklichkeit geworden sind. Denn die unterschwellig rassistischen Strukturen, an denen Padilla scheitert, existieren immer noch. Nicht nur in Frankreich, sondern auch in den USA, in Deutschland und anderswo. Es sind diese kritischen Bezüge zur Gegenwart, die aus „Monsieur Chocolat“ mehr machen als ein hübsch ausgestattetes und gut gespieltes Durchschnittsbiopic.

    Fazit: Roschdy Zems „Monsieur Chocolat“ überzeugt weniger durch seine Biopic-Handlung als vielmehr durch seinen kritischen Subtext: Der Rassismus, dem der schwarze Titelheld zu seiner Zeit ausgesetzt war, ist auch heute noch nicht überwunden.

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