Für den 2006 veröffentlichten „Das Mädchen, das die Seiten umblättert“ bekam Regisseur Denis Dercourt nicht nur positive Kritiken, sondern wurde gar mit Thriller-Altmeister Claude Chabrol verglichen. Der Einfluss des großen Vorbilds ist auch in dem sonderbaren Thrillerdrama „Zum Geburtstag“ überdeutlich zu spüren, mit dem Dercourt seinen ersten deutschsprachigen Film inszeniert. Dabei verstrickt er exzellente Schauspieler wie Mark Waschke, Sylvester Groth, Marie Bäumer und Sophie Rois in ein äußerst verwunderliches Beziehungsgeflecht, mit dessen Wendungen und Absonderlichkeiten Dercourt den Zuschauer bis zuletzt vor den Kopf stößt.
Die DDR in den 80er-Jahren: Georg und Paul drücken gemeinsam die Schulbank. Weil Paul Gefühle für Georgs schöne Freundin Anna hegt, fälscht er einen Brief, der Georg überraschenderweise dazu veranlasst, die Beziehung aufzugeben und Anna an Paul weiterzureichen. Doch er stellt eine perfide Forderung: Wenn er „seine“ Anna eines Tages zurück will, muss Paul der Bitte nachkommen. Viele Jahre später sind Paul (Mark Waschke) und Anna (Marie Bäumer) verheiratet. Unangekündigt tritt Georg (Sylvester Groth) als neuer Chef der Bank, in der Paul arbeitet, in das Leben seines Schulfreundes. Mit seiner Freundin Yvonne (Sophie Rois) infiltriert Georg das Leben seiner alten Bekannten, wobei ein merkwürdiges Ereignis das nächste jagt. Den Anfang machen gefälschte Fotos, auf denen Paul mit seiner Sekretärin turtelt – die Fälschung ist jedoch so gut, dass selbst Pauls in Bildbearbeitungen versierter Arbeitskollege Daniel (Johannes Zeiler) den Schwindel nicht aufdecken kann. Als Pauls jugendliche Tochter Emelie (Saskia Rosendahl) Georgs Interesse weckt, eskaliert die verfahrene Situation.
Es ist schwer, den Plot von „Zum Geburtstag“ in Worte zu fassen. Bereits die Eröffnungsszene in der DDR mit einem merkwürdigen, fast faustischen Pakt zwischen den Freunden wirkt zusammen mit dem distanzierten Spiel der Darsteller überaus künstlich. Und so geht es weiter: Die Künstlichkeit seiner Geschichte nie verhehlend, reiht Dercourt eine Kette von Merkwürdigkeiten aneinander. Sämtliche Figuren agieren dabei hochgradig seltsam, wobei alleine schon die bewusst steif vorgetragenen Dialoge jede wirkliche Empathie mit den Figuren verhindert. Da scheint es nicht einmal abwegig, dass der zunehmend paranoide Paul hinter Georg sogar den Teufel in Person vermutet. Die manierierte Inszenierung und der „typische“, nicht zufällig an Chabrol erinnernde Soundtrack von Jérôme Lemonnier, der mit markanten Streicherelementen und beunruhigenden Akkorden arbeitet, tragen zur undurchschaubaren Atmosphäre bei.
Dass „Zum Geburtstag“ ein durchweg unterhaltsames Puzzlespiel ist, liegt nicht zuletzt an den herausragenden Darstellern. Wenn sich die Figuren im Landhaus von Georg und Anna treffen, bekommt der Film Züge eines undurchsichtigen Kammerspiels, in dem der diabolisch aufspielende Sylvester Groth („Unsere Mütter, unsere Väter“) und seine herrlich kaltschnäuzige Filmfreundin Sophie Rois („Drei“) die stärksten schauspielerischen Momente liefern. Doch auch Mark Waschke („Fenster zum Sommer“) und Marie Bäumer („Im Angesicht des Verbrechens“) zeigen sehenswerte Leistungen. Auf die die höchst sonderbare, oft auch irritierende Erzählweise von Denis Dercourt muss man sich jedoch einlassen, um dem Film etwas abgewinnen zu können. Wenn das gelingt, kann auch die etwas schale Auflösung des kuriosen Treibens dem gelungenen und unterhaltsamen Gesamteindruck kaum Abbruch tun.
Fazit: Das eigenwillige Thrillerdrama „Zum Geburtstag“ ist mit seiner betonten Künstlichkeit sicher nicht jedermanns Sache, kann den geneigten Zuschauer aber mit tollen Darstellern und einer kuriosen Geschichte überzeugen.