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    Einzelkämpfer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Einzelkämpfer
    Von Andreas Günther

    Der Leistungssport aus der Zeit der DDR sorgt immer noch für Schlagzeilen. Allerdings schon lange nicht mehr dank des Medaillensegens bei internationalen Wettbewerben, mit denen das Regime der zweiten deutschen Diktatur sich schmückte, sondern vor allem wegen der Doping-Machenschaften, die viele Athleten zugrunde richteten. Die Leipziger Ex-Wasserspringerin und Filmemacherin Sandra Kaudelka bettet das Thema nun in einen größeren Zusammenhang ein. Wie es sich anfühlte, Leistungssportler in der DDR zu sein und was es für die Einzelnen noch heute bedeutet, arbeitet die Regisseurin und Autorin behutsam und engagiert in ihrer Dokumentation „Einzelkämpfer“ auf.

    Eingeleitet von Kaudelkas persönlichen Erinnerungen und unterstützt durch reichhaltiges Archivmaterial interviewt die Regisseurin für „Einzelkämpfer“ vier herausragende Sportler der DDR-Zeit zu ihrem Werdegang - vom Beginn ihrer Karriere über den Fall der Mauer bis zu ihrem jetzigen Leben im wiedervereinten Deutschland. Den Anfang macht Udo Beyer, Kindheitsidol Kaudelkas und Olympiasieger im Kugelstoßen, heute Inhaber eines Reisebüros. Kaudelkas Vorbild Brita Baldus holte im Wasserspringen Olympia-Gold und schlägt sich nun mit kleinen Jobs durch. Damals wie heute glücklich wirkt die vielfache Sprint-Weltrekordlerin Marita Koch. Die ehemalige Staffelläuferin und heutige Schriftstellerin und Schauspielprofessorin Ines Geipel wurde hingegen auf brutale Weise Opfer der Stasi und klagt sachkundig und vehement mehr als nur die Doping-Praxis der DDR an.

    Sympathisch wirkt nicht nur die Offenheit, sondern gerade auch die Unsicherheit, mit der sich Sandra Kaudelka ihrem Sujet nähert, ohne dass dabei der Eindruck mangelnder Professionalität entstünde. Das Wasserspringen einer Handvoll kleiner Mädchen bildet für sie den filmischen Einstieg, um in die eigene und die fremden Lebensgeschichten einzutauchen. Ob es die Ahnung ist, dass das Tauchen eine Art Flucht vor der DDR-Wirklichkeit war, die freimütig bekannte, jugendliche Schwärmerei für Beyer oder die Beschreibung des harten Trainings-Alltags, an dem sie bis zum 14. Lebensjahr teilnahm – Kaudelkas Kommentar-Stimme bleibt stets monoton, als suchte sie nach der Tonlage, die eine angemessene Bewertung all dessen ausdrücken könnte.

    Auch darin schlägt sich das Schicksal der „Einzelkämpfer“ nieder, von denen der Titel spricht. „Einzelkämpfer“ waren die Porträtierten schon als ehrgeizige Athleten, deren Ziele und Privilegien dem Kollektivgedanken Hohn trugen, nun sind sie es zudem in Sachen Vergangenheitsbewältigung. Beyer gibt vor, mit sich im Reinen zu sein und wähnt sich vom DDR-Sportsystem fair behandelt. Brita Baldus sucht im Glauben neuen Halt. Die seit langem mit ihrem ehemaligen Trainer verheiratete Marita Koch genießt ihre Ehrungen. Kritisch setzt sich nur Ines Geipel mit den Geschehnissen auseinander. Selbst durch eine medizinische Operation im Auftrag der Stasi so schwer geschädigt, dass sie keine Kinder bekommen konnte, prangert sie die Manipulation und Vergiftung tausender Sportler an und zieht gegen die Mär vom Doping als Einzelfall zur Felde.

    Und wohin tendiert Sandra Kaudelka? Das Medium des Dokumentarfilms erlaubt es, dass ihr einstiger Jugendschwarm sich selbst demontiert, ohne dass die Filmemacherin ihre eigene Schwäche gegenüber dem Regime verhehlen würde. Diskret steht sie ihren Porträtierten gegenüber und weiß sich gleichzeitig als Teil von ihnen. Leise sucht sie nach Antworten auf Fragen, die sie seit damals umtreiben, auch wenn das, was Ines Geipel über die damals üblichen, so genannten Vitamindrinks vor den Trainingseinheiten zu sagen hat, ein heftiger nachträglicher Schock für sie ist.

    Fazit: Aus persönlicher Perspektive, aber gänzlich uneitel entwirft Sandra Kaudelka, selbst einmal Wasserspringerin, ein authentisch wirkendes Bild des DDR-Sports in vier Athleten-Porträts. In „Einzelkämpfer“ erweist sich auch für den Bereich des Sports die ehrliche Vergangenheitsbewältigung als unabschließbarer Prozess.

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