Den Führerschein haben die drei Protagonisten des Dokumentarfilms „You Drive Me Crazy" längst in der Tasche. Da sie ihre jeweiligen Heimatländer jedoch verlassen haben, um anderswo – nämlich in Tokio, München und Mumbai – zu leben, müssen die drei ihre Fahrlizenzen anerkennen lassen und eine neue Führerscheinprüfung bestehen. Die Regisseurin Andrea Thiele und die Drehbuchautorin Lia Jaspers entwickeln aus dieser Ausgangslage einen fein beobachteten und teilweise brüllkomischen Dokumentarfilm, der auf alles andere als trockene Weise von kleinen und großen kulturellen Unterschieden erzählt, die selbstverständlich auch in einer globalisierten Welt munter weiter bestehen.
Als der in Texas geborene US-Amerikaner Jacob in Tokio einen neuen Job antritt, muss er dort auch seine Fahrerlaubnis aktualisieren. Bald realisiert der Zugezogene, dass die Uhren im japanischen Großstadtverkehr anders ticken: Sein älterer japanischer Fahrlehrer Tetsuya begreift das Autofahren als rituelle Handlung, als Übung in Geduld und Demut – ganze sieben Anläufe braucht Jacob, um zumindest den theoretischen Teil der penibel choreographierten Prüfung zu bestehen. Die Deutsche Mirela, die sich in Indien als Designerin selbstständig machen will, braucht den Führerschein, um Kundenbesuche und den Einkauf von Stoffen zu bewerkstelligen. Ihr Fahrlehrer, der kaum Englisch spricht und ständig auf Schritttempo besteht, bringt die so selbstbewusste wie ungestüme Frau mehrfach an den Rand des Wahnsinns. Die zarte Südkoreanerin Hye-Won, die in München Musikwissenschaften studiert, nimmt ihre Fahrstunden ausgerechnet bei dem Ur-Bayern Christian Krieger.
Andrea Thiele und Lia Jaspers bleiben stets nah bei ihren Protagonisten und begleiten sie auch in deren Alltagsrealität. So vermisst Hye-Won ihren Mann, der unlängst seinen Militärdienst in Südkorea antreten musste. Und Jacob hat durchaus Schwierigkeiten, sich mit der von Ritualen durchzogenen japanischen Kultur zu arrangieren. Der Fokus der Doku liegt aber auf den Fahrstunden, wenn Fahrschüler und -Lehrer mit ihren je unterschiedlichen Mentalitäten – und gebeutelt von Sprachbarrieren – im Innenraum eines Autos aufeinander treffen. Daneben steht der unterschiedlich geartete Straßenverkehr in Deutschland, Japan und Indien als Metapher für die jeweilige nationale Mentalität: Geht es im Münchner Stadtverkehr nach Straßenverkehrsordnung zu, laufen die Dinge auf indischen Überland-Pisten oder im Dauerstau von Tokio grundlegend anders. Die Komik, die „You Drive Me Crazy" aus der kulturellen Reibung bezieht, erinnert dabei an die ähnlich gelagerte Dokumentation „Endstation der Sehnsüchte", in der deutsche Rentner ein Dorf mitten in Südkorea bevölkern.
Fazit: Mit charismatischen Protagonisten und Fahrlehrern erzählt der humorvolle Dokumentarfilm „You Drive Me Crazy" vor dem Hintergrund von Führerscheinprüfungen von kulturellen Unterschieden und verschiedenen Mentalitäten.