Die Generation französischer Regisseure, die nach der Nouvelle Vague die Bühne betrat, hatte es schwer. Wer in den 70er Jahren sein Regiedebüt vorlegte, stand stets im Schatten der Truffauts, Godards, Resnais und wie sie alle heißen, und musste sich mühsam eine Nische erarbeiten. Jacques Doillon ist einer von ihnen und hat sich seit 1973 mit rund 30 Spielfilmen den Ruf eines Spezialisten für die Befindlichkeiten von Kindern- und Jugendlichen erarbeitet. Das ist vor allem seinem bekanntesten Film „Ponette" zu verdanken, in dem eine vierjährige die Hauptrolle spielt. Doch weniger als an Jugendlichen, ist er wie so viele französische Regisseure am Zwischenmenschlichen interessiert, an Liebesbeziehungen, der Schwierigkeit sie aufzubauen, Vertrauen zu schenken, sich gehen zu lassen. Das ist auch Thema seines jüngsten Films „Love Battles - Mein erotischer Ringkampf", einer Art Versuchsanordnung zwischen einem Mann und einer Frau, die im Panorama der Berlinale 2013 ihre Weltpremiere erlebt. Mit Sara Forestier und James Thiérrée in den Hauptrollen inszeniert Doillon ein schauspielerisch dichtes, inhaltlich aber oft enervierend repetitives Drama.
Sommer, ein kleines Dorf, irgendwo auf dem Land, ein einsames Haus: „Er" (James Thiérrée, „Total Eclipse", „Korkoro") ist introvertierter Schriftsteller und renoviert gerade sein Haus. „Sie" (Sara Forestier, „Gainsbourg", „Das Parfüm") ist deutlich jünger, hyperaktiv und verwirrt. Sie ist in das Dorf ihrer Jugend zurückgekehrt, wo gerade ihr Vater gestorben ist, der sie nie geliebt hat. Erbschaftsstreitigkeiten mit den Geschwistern belasten Sie, vor allem aber das zunehmend intensiver werdende Spiel mit Ihm. In nicht genau definierten Regeln begegnen sich Mann und Frau, belauern sich, versuchen sich zu provozieren, aus der Reserve zu locken, Schwäche zu zeigen. Immer wieder fühlen sich Er und Sie zueinander hingezogen, doch das Ringen endet nicht in zärtlicher Umarmung sondern in oft aggressiven Kämpfen, in denen die Grenzen zwischen Passion und Aggression kaum noch wahrzunehmen sind.
Als „Meine Kampf-Sitzungen" könnte man den französischen Titel ungefähr übersetzen und wie eine Reihe von Sitzungen ist Jacques Doillons Film auch aufgebaut. Immer wieder kommt Sie (der Verzicht auf persönliche Namen betont und verstärkt den Charakter einer filmischen Versuchsanordnung) in sein Haus, beginnt Diskussion über ihren Charakter, ihre Schwächen, ihre Emotionen. Denn wie viel zu oft im Kino ist es auch hier eine Frau, die als labil, unsicher, extrovertiert geschildert wird, während der von ihr ersehnte Mann ruhig, besonnen und eher introvertiert agiert.
Doch trotz dieser etwas zu gewöhnlichen Charakterisierung ist es das größte Vergnügen des Films, Sara Forestiers Darstellung zu beobachten: Verfolgt von einer unruhigen, mobilen Handkamera, ist sie ständig in Bewegung, bleibt kaum einen Moment am selben Ort, egal ob sie gerade auf dem Notebook chattet, mit ihrer Schwester über das Erbe des Vaters diskutiert oder mit Ihm über ihre gegenseitige Anziehung redet. Voller Energie ist diese Darstellung, voller Unruhe im Blick, mit nuancierten Variationen der Mimik, die das ganze Spektrum der Emotionen abdeckt.
Zu Schade, dass nicht auch der Film selbst so abwechslungsreich ist. Abgesehen von etwas banal wirkenden Versuchen, die Figuren zu psychologisieren (Probleme mit dem Vater, die zu Unsicherheit führen und vor allem „Er" als Vaterersatz), werden die ständigen Kämpfe zwischen Mann und Frau auf Dauer ermüdend. Spätestens wenn sich Sie und Er zum dritten oder vierten Mal auf dem Boden gewälzt haben, rangeln, sich nicht entscheiden können, ob sie sich Küssen oder Schlägen wollen, hat man es begriffen: Beziehungen sind nicht einfach, Nähe und Vertrauen herzustellen ist schwierig. Das ist zwar ohne Frage ein zeitloses Thema, das auch zu Recht immer wieder vom Kino thematisiert wird, einen etwas substanzielleren Zugang hätte man gerade einem Regisseur wie Jacques Doillon dann aber doch zugetraut.
Fazit: In "Love Battles - Mein erotischer Ringkampf" verhandelt Jacques Doillon in einer abstrakten Versuchsanordnung das schwierige Verhältnis zwischen Mann und Frau. Größte Stärke des zwar im Ansatz interessanten, auf Dauer jedoch zu repetitiven Films ist Hauptdarstellerin Sara Forestier, die eine faszinierend nuancierte Darstellung abliefert.