Kulturelle Missverständnisse und die Möglichkeiten, sie zu überwinden – das sind ewige Themen und von ihnen erzählt auch der aus Kambodscha stammende britische Regisseur Hong Khaou in seinem Debütfilm „Lilting“. Er konzentriert sich auf die Ebene der Sprache und so unterhalten sich die Figuren des melancholischen Dramas über weite Strecken mit Hilfe einer Übersetzerin. Damit findet der Filmemacher eine im Rahmen seiner Erzählung ideale Metapher für all die Verständnis- und Verständigungsprobleme. Dass die manchmal etwas rührselige Geschichte dabei nicht allzu kitschig wird, liegt an den beiden Hauptdarstellern Ben Whishaw („Das Parfum“, „Cloud Atlas“) und Cheng Pei Pei („Tiger & Dragon“), die mit ihren Figuren unterschiedliche Kulturen und Lebensformen repräsentieren und der etwas reißbrettartigen Prämisse durch feinfühlige Darbietungen Leben und Glaubwürdigkeit verleihen.
Im Altersheim fühlt sich Junn (Cheng Pei Pei), eine Frau kambodschanisch-chinesischer Abstammung, die seit langen Jahren in London lebt, nicht wirklich wohl. Allein die Sprache ist ein großes Hindernis, denn Junn hat Zeit ihres Lebens kein Englisch gelernt. Zudem ist vor kurzem ihr geliebter Sohn Kai (Andrew Leung) gestorben, mit dem sie sich dennoch immer wieder unterhält. Sein größtes Geheimnis hatte Kai seiner Mutter nicht verraten: Er liebte Männer und hatte mit Richard (Ben Whishaw) nicht als Freund, sondern als Partner zusammengelebt. Als Richard nun beginnt, Junn im Altersheim zu besuchen, sind sich die beiden so unterschiedlichen Menschen weitestgehend fremd. Doch mit Hilfe der Übersetzerin Vann (Naomi Christie) entwickelt sich langsam ein zunehmend inniges Verhältnis, das durch die Erinnerung an den verstorbenen Kai befeuert wird.
Ein bisschen konstruiert mutet die Geschichte schon an, die sich Hong Khaou für „Lilting“ ausgedacht hat, vor allem aber ist sie über weite Strecken frei von jeglichen äußeren Konflikten, sodass der Film trotz der kurzen Spiellänge von kaum mehr als 80 Minuten bisweilen etwas spannungsarm dahinplätschert. Es geht dem Filmemacher aber auch nicht um dramatische Enthüllungen, vielmehr nimmt er psychologische Aspekte ins Visier wie die kleinen (Not-)Lügen und andere Dinge unter der Oberfläche, die sich im Lauf eines Lebens anhäufen und oft unerwartete Auswirkungen haben. Nicht nur in diesem Ansatz ähnelt „Lilting“ den Filmen von Wong Kar-wai („In The Mood For Love“, „2046“), auch die Themen der versteckten Beziehungen und des Lebens mit Geheimnissen kennt man vom berühmten Regiekollegen aus Hongkong, dessen elegischen Stil Hong hier bis in die Musikauswahl aufgreift und zitiert.
So empfindungsreich und berührend wie die Filme Wong Kar-wais ist „Lilting“ dann allerdings nicht. Über weite Strecken nutzt Hong Khaou sein Konzept der ständigen Übersetzung eher für humoristische Momente, lässt etwa Junn und ihren Lover Alan (Peter Bowles) langsam all die Dinge sagen, die sich das Paar vorher notgedrungen verschweigen musste oder zeigt die Übersetzerin Vann als bald allzu aktiven Teil der Unterhaltung, wenn sie nicht nur übersetzt, sondern überaus frei interpretiert. Erst im letzten Filmdrittel entfaltet die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Richard und Junn die emotionale Kraft, die von Anfang an in der ungewöhnlichen Konstellation angedeutet war. Den hemmungslosen Kitsch und die sentimentalen Exzesse, die bei der Ausgangslage durchaus eine Option gewesen wären, vermeidet der Regisseur aber weitgehend und entscheidet sich für ein zurückhaltend gefilmtes Melodram der leisen Töne.
Fazit: In seinem gut gespielten Debütfilm „Lilting“ erzählt der aus Kambodscha stammende Hong Khaou von den vielfältigen Schwierigkeiten der Kommunikation zwischen den Kulturen und von deren Überwindung durch gemeinsame Trauer.