Während einige Filmemacher sich mit ihren Werken immer am Puls ihrer Gegenwart befinden, gilt für andere das genaue Gegenteil. Trends und Zeitgeist interessieren sie wenig, ihr Schaffen wirkt oft vage altmodisch und manchmal auch geradezu aus der Zeit gefallen. Einer der Regisseure dieser zweiten Gruppe ist Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso", „Die Legende vom Ozeanpianisten") und auch mit seinem neuesten Film „The Best Offer" weicht der Italiener nicht von seiner Linie ab. Der gediegene Kunst-Thriller ist ein mehr als zweistündiges filmisches Rätsel für ein anspruchsvolles Arthouse-Publikum. Liebevoll-perfekte Ausstattung, betörende Streicherklänge von Altmeister Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod", „The Mission"), ein sehr gemächliches, geradezu betuliches Erzähltempo, einige nicht sehr überraschende, aber weitgehend effektiv gesetzte Wendungen und zeitlose Themen – „The Best Offer" ist ein Film wie aus dem Antiquariat - überaus kultiviert und bewusst gegen die heutigen Sehgewohnheiten gewandt.
Der exzentrische Kunstexperte und Auktionator Virgil Oldman (Geoffrey Rush) hat sich ganz seiner Kunstleidenschaft verschrieben, für sie tut er (fast) alles: Gemeinsam mit seinem Kompagnon Billy Whistler (Donald Sutherland) sichert er sich unterbewertete Meisterwerke direkt aus dem Auktionssaal, um sie seiner beeindruckenden persönlichen Kunstsammlung einzuverleiben. Das Privatleben des überzeugten Misanthropen liegt indes völlig brach. Mit seinen Mitmenschen und vor allem mit Frauen kann der 63-Jährige nichts anfangen. Erst als die mysteriöse Claire Ibbetson (Sylvia Hoeks) ihn beauftragt, den Wert des Nachlasses ihrer verstorbenen Eltern zu schätzen und die Kunstwerke für eine Auktion zu katalogisieren, ändert sich das allmählich: Oldman ist nicht nur von der Sammlung, sondern auch von Claire fasziniert. Die allerdings zeigt sich nie persönlich, denn sie leidet unter schwerer Agoraphobie (sie erträgt keine unbekannten Orte und Menschen) und hat das Haus der Familie Ibbetson seit 15 Jahren nicht mehr verlassen. Oldman will der kunstgebildeten Frau helfen, aus ihrem „Gefängnis" auszubrechen und ihre Krankheit zu überwinden. Dazu holt er sich Rat bei dem genialen jungen Mechaniker Robert (Jim Sturgess), der sich mit dem weiblichen Geschlecht bestens auskennt – und ganz nebenbei einen antiken Roboter (Grüße an „Hugo Cabret") zusammenbaut, den Oldman stückchenweise aus Claires Haus mitgehen lässt.
So geht international: Ein Italiener dreht in Wien mit einem australischen Hauptdarsteller einen Film, der so distinguiert englisch wirkt, als stamme er direkt aus dem Vereinigten Königreich (zumal hier auch alle Englisch sprechen) und dessen Handlung in den höchsten Kreisen einer anonymen, letztlich fiktiven und am ehesten italienisch wirkenden Stadt angesiedelt ist. Auch hier ist „The Best Offer" also etwas unspezifisch, aber für Tornatores Handlungspuzzle spielt das keine Rolle, denn dessen Teile genügen sich selbst und werden Stückchen für Stückchen zusammengesetzt. Es wäre unfair, an dieser Stelle mehr über den Inhalt zu verraten, denn „The Best Offer" bietet einige reizvolle mehr oder weniger unerwartete Wendungen, allerdings wird ausgerechnet der große Twist am Ende zur Schwachstelle – denn der deutet sich schon weit vorher an und überrascht schließlich niemanden mehr. Aber der Film ist neben einem Rätsel-Thriller vor allem auch das sorgfältig gestaltete Porträt des linkischen Kunstexperten Virgil Oldman und seiner charakterlichen Abgründe. Das präzise-extrovertierte Spiel von Geoffrey Rush („Shine", „Fluch der Karibik") in der Hauptrolle bekommt durch die grazile Präsenz der bezaubernden Niederländerin Sylvia Hoeks („Vatertage"), die als mysteriöse Claire zunächst als „Geist" in Erscheinung tritt, ein gutes Gegengewicht. Neben diesem gegensätzlichen Duo sorgen Jim Sturgess („Cloud Atlas", „Zwei an einem Tag") und Donald Sutherland („Wenn die Gondeln Trauer tragen", „Die Körperfresser kommen") in weiteren wichtigen Rollen für eine willkommene Prise milden Humors.
Fast mehr noch als in den guten schauspielerischen Darbietungen liegt die besondere Qualität von „The Best Offer" in seiner exquisiten visuellen Gestaltung und seinen Schauwerten. Gleich mehrere Male gleitet Fabio Zamarions („Lampedusa") Kamera zu Ennio Morricones klassischer Geigenmusik langsam und genüsslich über die atemberaubende Gemäldesammlung Oldmans, der in seinem Sessel davor sitzt und sich genau wie das Publikum an dieser puren Schönheit berauscht. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der edlen Ausstattung und des geschmackvollen Farb- und Lichteinsatzes, erweist sich der Grat zwischen Gediegenheit und Trägheit bei „The Best Offer" zuweilen als beängstigend schmal. Manchmal ersticken die Bilder fast an ihrer edlen, aber gelegentlich etwas sterilen Schönheit und die Erzählung kommt beinahe zum Stillstand. Besonders im Mittelteil hat der Film einige Längen, einiges wird von Tornatore auch noch wiederholt, wenn es jeder Zuschauer längst begriffen hat. Aber selbst wenn das dramaturgische Gerüst, das in der ersten Hälfte durch bombenfeste Präzision besticht, nach der Enthüllung der Identität Ibbetsons ins Wanken gerät und die Aura die Mysteriösen verloren geht, überwiegt am Ende knapp das Positive.
Fazit: Giuseppe Tornatores verrätselter Kunst-Thriller „The Best Offer" mag in seiner behäbigen Inszenierung verstaubt anmuten, ist aber von so graziler Eleganz, dass die Boshaftigkeiten der Handlung umso mehr schmerzen.