Found-Footage-Filme sollen durch ihren dokumentarischen Charakter nicht nur authentisch wirken, sie sind vor allem auch günstig zu produzieren. Das bringt Gefahren und Chancen mit sich: Im schlimmsten Fall setzt ein talentfreier Regisseur so seine unausgereifte Ideen leichter um, andererseits entstehen manchmal auch faszinierende Filme, die von risikoscheuen Produzenten nur dank des niedrigen Budgets bewilligt wurden. Selbst ein Hollywoodveteran wie Barry Levinson hat für seinen Öko-Thriller „The Bay“ daher auf das kostensparende Konzept zurückgegriffen und dabei gezeigt, dass die Found-Footage-Nutzung noch lange nicht ausgelutscht ist. Auch Richard Raaphorst nutzt vermeintlich authentische Bilder für seine Horror-Groteske „Frankenstein's Army“. Der Irrsinn seiner Ideen wird dabei durch die unmittelbare Perspektive noch einmal verstärkt…
Irgendwo an der Ostfront des Zweiten Weltkriegs treibt sich eine kleine Einheit russischer Soldaten herum, die feindliches Gebiet aufklären soll. Filmstudent Dimitri (Alexander Mercury) begleitet die Kämpfer mit einer 16mm-Kamera, um spektakuläre Aufnahmen für Propaganda-Zwecke zu drehen. Als die Truppe den Notruf einiger Kameraden empfängt, eilen sie zur Hilfe. So gelangen sie in ein kleines Dorf, das vollkommen ausgestorben wirkt. Bei der Inspektion eines Gebäudes entdecken sie eine merkwürdige Kreatur, die halb Mensch und halb Maschine ist. Als das Geschöpf plötzlich angreift, dämmert den Soldaten, in welch bedrohliche Situation sie geraten sind. Schnell steht ihnen eine ganze Armee immer grotesker aussehender Mensch-Maschine-Wesen aus dem geheimen Labor des Nazi-Wissenschaftlers Frankenstein (Karel Roden) gegenüber, die selbst den kriegsgestählten Soldaten das Fürchten lehren.
In seinem ersten Langfilm nutzt Regisseur Richard Raaphorst gekonnt das Found-Footage-Genre: Früh zeigt er in seinem „authentischen Material“ erste Schießereien sowie einen merkwürdigen Skelettfund und hält so das Tempo früh hoch statt auf eine zu langwierige Exposition zu setzen. Von Anfang an wirken die Soldaten in der braunen, leblos anmutenden Winterlandschaft wie verlorene Gestalten in einer Todeszone. Die künstlich geschaffenen Alterungserscheinungen des angeblichen 16mm-Materials – in Wirklichkeit wurde der Film natürlich digital gedreht – verstärken zusätzlich den morbiden Eindruck. Raaphorst gibt so viel Gas wie möglich und etabliert eine düstere Atmosphäre, in der sich der folgende Wahnsinn besonders gut entfalten kann.
Hier liegt dann auch die größte Stärke des Films, bei dem - im Gegensatz z.B. zu "Iron Sky" - bald jegliche Nuanciertheit über Bord geworfen wird. Während die ersten Mensch-Maschine-Nazi-Soldaten nur Mordwerkzeuge statt Hände besitzen, werden die Einbauten in den menschlichen Körper bald immer aufwendiger. Frankensteins aus Leichenteilen und Metall zusammengeschusterte Armee besteht so aus abgefahrenen monströsen Perversionen. Wenn Raaphorst den Irrsinn in immer neue Dimensionen schraubt, dann bedient er nicht nur die Lust an der Groteske, er zieht auch die Übermenschen-Ideologie der Nazis durch den braunen Kakao. Vom Wunsch der eigenen Größe sind nur bedrohliche, aber letztlich jämmerlich entstellte Kreaturen übrig geblieben, die Sklaven ihrer eingeschränkten Mechanik sind. Durch die direkte Kameraperspektive verstärkt Raaphorst diesen Eindruck noch, wenn die Kreaturen wild um sich schlagend, schnappend oder bohrend förmlich durch das Bild zu brechen scheinen. Trotz der wackeligen Kamera von Bart Beekman entstehen intensive und rasante Szenen, in denen immer noch genug zu erkennen ist, um das volle Potenzial der Ideen zur Geltung zu bringen. Die Charakterzeichnung kommt dabei zwar völlig zu kurz, steht aber bei dem abgefahrenen Wahnsinn ohnehin komplett im Hintergrund.
Fazit: Richard Raaphorst setzt bei seinem Found-Footage-Film auf absurde Ideen, mit deren Hilfe er nicht nur dem Wahnsinn ein treffendes Gesicht verleiht, sondern auch die Nazi-Übermenschen-Ideologie satirisch auf die jämmerliche Spitze treibt.