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    The Body - Die Leiche
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Body - Die Leiche
    Von Gregor Torinus

    Als Autor des hervorragenden Neo-Giallos „Julia's Eyes“ hatte Oriol Paulo erstes Aufsehen bei Horrorfans erregt, nun legt der Spanier mit dem brillanten Thriller „The Body - Die Leiche“ sein Regiedebüt vor. Auf dem Fantasy Filmfest 2013 bewarben die Veranstalter das Werk mit der provozierenden Ankündigung, dass sie jedem Zuschauer ein Bier ausgeben würden, der das Ende des Films errät. Doch trotz der geballten Ansammlung von gestandenen Kennern und Nerds bei den Vorführungen des Festivals konnte sich niemand das in Aussicht gestellte Gratis-Getränk verdienen – allein dieser Fakt lässt schon ahnen, wie ungewöhnlich „The Body“ ist. Mit seinem Finale verdient sich Paulo Originalitätspunkte, zugleich ist sein Thriller aber auch im besten Sinne altmodisch – und mit dieser Mischung aus Bewährtem und Innovativem wird der Film endgültig zum Genre-Highlight.

    Ein Mann läuft nachts panisch durch ein Waldstück auf eine Straße, wird von einem Auto erfasst und landet im Koma. Er wird als Nachtwächter eines Leichenschauhauses identifiziert. Als die Polizei dort nach möglichen Gründen für die scheinbare Flucht des Mannes sucht, wird festgestellt, dass eine Leiche fehlt: Der Körper der erst Stunden zuvor eingelieferten Mayka Villaverde (Belén Rueda) ist verschwunden. Der Ermittler Jaime Peña (José Coronado) verhört Álex (Hugo Silva), den jungen Witwer der reichen Geschäftsfrau, der sichtlich nervös ist. Das wiederum ist kein Wunder, denn der Chemiker hat seine Gattin mit einem Gift aus seinem Labor umgebracht, um ein neues Leben mit seiner jungen Geliebten Carla (Aura Garrido) anzufangen. Aber bald scheint es, als habe noch jemand anderes die Finger im Spiel und die Frage lautet: Ist Mayka wirklich tot?

    „The Body“ ist eine Mischung aus einem klassischem Detektivfilm und einem Suspense-Thriller im Geiste Alfred Hitchcocks. Auf der einen Seite steht Jaime Peña (grandios: José Coronado), ein ruhiger, jedoch psychisch leicht angeknackster Polizist alter Schule, der aufmerksam zuhört und geduldig Indizien zusammenträgt. Auf der anderen Seite entspricht Álex auf den ersten Blick genau dem Typ des zu unrecht Verdächtigten, ist aber tatsächlich schuldig, denn er hat den perfekten Mord geplant und ausgeführt. Das glaubt er jedenfalls, bis ihn jemand ganz übel vorführt - und von da an ist gar nichts mehr sicher. Die nuancenreiche und ambivalente Figurenzeichnung wird durch eine ebenso sorgfältige Dramaturgie unterfüttert, abgerundet wird der gelungene Mix mit virtuosen Spannungsmomenten.

    „The Body“ fesselt vom ersten Moment an und Regiedebütant Oriol Paulo hält die Spannung nicht nur bis zum Ende hoch, sondern setzt mit immer neuen, oft wirklich überraschenden Wendungen starke Akzente. Dabei kommt er ganz ohne oberflächliche Thriller-Elemente aus (die sogenannten cheap thrills) und knüpft stattdessen eine sich stetig verändernde Indizienkette, die vom Zuschauer laufend neu zusammengesetzt werden muss. Und im Gegensatz zu vielen ähnlich angelegten Thrillern tun sich in „The Body“ mit fortschreitender Handlung keine ärgerlichen inhaltlichen Widersprüche und Holprigkeiten auf, das Geschehen bleibt vielmehr jederzeit schlüssig und nachvollziehbar.

    Paulos Inszenierung besticht durch eine ähnlich gute Balance zwischen effektvoll und subtil  wie seine Handlungsführung. Mit präzise kadrierten Einstellungen und dezenten Kamerafahrten steuert er die Aufmerksamkeit des Publikums, ohne von den Figuren und dem Plot abzulenken. Die unterkühlte Optik passt dabei zu dem klinisch-nüchternen Schauplatz Leichenschauhaus, wo sich ein Großteil der Handlung abspielt. Geschickte eingesetzte Genrestandards wie nächtliches Gewitterleuchten, eine plötzlich anspringende Sprinkleranlage und das kalt-blaue Licht im Leichensaal sorgen dann aber für klassische Gruselatmosphäre. Und plötzlich wird aus einem Ort von Medizin und Wissenschaft eine gespenstische Kammer des Schreckens und man glaubt sofort, dass dort Tote zum Leben erweckt werden könnten.    

    Fazit: Oriol Paulos „The Body“ hat alles, was ein hervorragender Gruselthriller braucht: ein starkes Drehbuch, fähige Schauspieler, eine wirkungssichere Inszenierung und nicht zuletzt eine finale Wendung, die einschlägt wie ein Paukenhieb.

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