Die Macht erwacht, meine Freunde, und dank umfassender PR – Aktionen Disney's und einer Geheimhaltung intergalaktischen Ausmaßes, was in heutiger Zeit aber schon irgendwie bewundernswert ist, wird sie am Box – Office aber auch sowas von erwachen. Wie viel ließ sich schon im Vorfeld über diesen Film diskutieren, und wie sehr werd ich das jetzt lassen.
J.J. Abrams "Star Wars" – Neustart ist dicht inszeniertes Blockbusterkino mit fettem Nostalgieanstrich, der es ab und zu übertreibt und doch enthält der Film alle Zutaten, die die Klassiker damals so groß gemacht haben. Auch auf neuartigen Wegen.
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"Wir sind zurück, Chewie!" sagt ein sentimental dreinblickender Han Solo (Harrison Ford) bereits im Trailer. Und, tatsächlich, mit ihm auch alles, was die Reihe begründet hat. Ob es die kryptische Nachrichtenweitergabe an einen Druiden ist, die Motivation des Helden und der Widerstandsbewegung oder dessen übermächtig erscheinendes Angriffsziel auf der Antagonisten – Seite. J.J. Abrams bedient noch einmal die Storyline von "Eine neue Hoffnung". Da übertreibt er es von Zeit zu Zeit mächtig mit dem Anspielungskosmos der "Star Wars" – Reihe und doch geht er den logischen Weg. Die jahrzehnte gealterten Helden der Vergangenheit begründen samt neuer frischer Gesichter eine neue Zeitzone im "Star Wars" – Kosmos, sodass die metaphorische "Lichtschwerübergabe"(gut nicht nur metaphorisch, aber ich soll ja nicht spoilern) glückt. Die Geschehnisse der Vorzeit erfahren genügend Zeitraum und Abstand zur Verarbeitung, im Film wie auch in der Realität.
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Drehbuchautor Lawrence Kasdan, der zum letzten Mal zurückkehrt, beweist dabei einmal mehr seine Stärken.
Seine ungemein effektiven Charakterprofile. Sicherlich, die Amerikaner lieben ihre Helden, die sich vom Tellerwäscher hochgearbeitet haben. Hier Schrottsammler. Und doch ist es eine gänsehautähnliche Sympathie fast schon vergessener Tage, die den Film über viele Strecken trägt. Wie gut, unbeschwert und weitestgehend gelöst von metaphysischem Psychoquark sich eine aufopfernde Heldin anfühlen kann, eingebettet in die zum Träumen aufgelegten Welten von "Star Wars", ja, das hat man bestimmt schon viele Jahrzehnte nicht mehr gespürt. Das wirkt, heruntergebrochen auf die Motivation der Figuren, einfach echt. Daisy Ridley hat ein gewichtiges Rollenvorbild im Rücken und doch tut die 23 – Jährige, die von sich selbst behauptet, nie der große "Star Wars" – Fan gewesen zu sein, dem Film in jeder Minute unglaublich gut. Vielleicht war die Unbefangenheit ihrer Darstellung diesbezüglich auch ein Segen. Ihre Auslegung ist angelehnt und doch kerniger, in dramatischen Situationen mitfühlender und im Verlauf ihrer Entwicklung packender als...... und an dieser Stelle verzichte ich bewusst auf den Vergleich, denn von ihr wird noch einiges zu sehen sein.
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Ebenfalls absoluter Volltreffer, wenn auch auf den ersten Blick ein bisschen unwesentlicher ist John Boyega als Finn. Mit ihm geht Abrams neue Wege und lässt durch die Zerissenheit des Individuums in Kriegszeiten die Klon-Debatte völlig außen vor. Als ehemaliger Soldat ohne Zugehörigkeit wird Finn in das "Erwachen der Macht" zu einem stillen Helden, auch wenn es zuvorderst auf seine Kappe geht, das der neue Teil mit vielen gewitzten Onelinern aufwartet. Gekonnt lässt der Film Finn's Aufopferung unter dem Deckmantel seiner jugendlich, charmanten Unbedachtheit. Das mit Han Solo komplettierte Trio/ergänzt um Chewbacca sogar Quartett erinnert in seinen Wortwechseln und Taktierungen an beste "Star Wars" – Zeiten. Mit solchen Protagonisten ist das Erzählen dieser Weltraum – Reminszenz einfacher und man verzeiht dem Film, wenn zwischendurch mal eine Parallele zu dick aufgetragen wird. Das Rätselhafte, Unerklärliche bleibt aber trotz schon Gesehenem ein großes Plus von "Star Wars". Ob das nun ungeklärte Familienverhältnisse sind, die zu Beginn rätselhafte Melancholie, die das einstige Pärchen Han und Leia auch im Angesicht ihres Alters erträgt, oder die ungewisse Lenkung der dunklen Seite durch schemenhafte Figuren im Hintergrund: Abrams vermischt Neues mit der Historie und hält die Spannung hoch, erlaubt sich mit dem völlig dubiosen Snoke auch Fingerzeige ungeahnten Ausmaßes. Der erste Jedi-Tempel? Ritter des Ordens? Steckte vielleicht viel mehr hinter der dunklen Seite als Darth Vader und der Imperator uns erklärt haben? Damit macht er es Folgeregisseur Rian Johnson nicht unbedingt schwer, wie im Vorfeld bereits einheitlich beschlossen, sondern bietet ihm auch reihenweise Chancen.
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Ziemlich gewieft wenden sich Abrams und Autor Kasdan der dunklen Seite zu. Der Antagonist mit Maske, Kylo Ren (Adam Driver) ist eine laufende Matrjoschka, bei der es von Minute zu Minute mehr darum geht, ein weiteres Puzzelteil zu entschlüsseln. Ein tragisches und nicht ganz unbewusstes "Hamlet" – Abbild, das beängstigt wirkt, vor seinem Idol Lord Vader, oder besser formuiert seinem "Schädel", sein Scheitern auszudrücken. Was für ein sensationeller Kniff, bei dem man auf skurrile Weise eine autobiograhpische Crux sieht, so schwer es doch im Vorfeld erschienen sein mag, den wohl ikonischsten Schurken aller Zeiten noch übertreffen zu wollen. Driver's Bösewicht – Version wirkt irdischer, greifbarer, was auch handlungsgegebene Gründe hat und doch wirken sein Handeln und seine – ich formulier's einfach mal so – "passiv-aggressiven Tendenzen am Arbeitsplatz" ausgesprochen "Darth"- like. Ganz und gar menschlich, wie auch im Sinne der alten Triologie muss sich ihm ein Offizier entgegenstellen, der "faschistisch" angehauchte General Hux (Domhnall Gleeson). Er müht sich redlich, seiner geringen Spielzeit einige Momente anzuheften und wirkt dabei angenehm traditionell. In diesem Zusammenhang wirkt Commander Phasma (Gwendoline Christie) eventuell als zuviel gewollt, aber es ist durchaus interessant, sie in Zukunft dabeizuwissen. Die Ausdauer des wiedererstarkten Franchise definiert sich schließlich durch seine Figurenbreite.
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Atmosphärisch trifft Abrams den Ton sehr genau. Dank tricktechnisch, aufwändigerer Mittel ist vor allem das Planeten – Potpourri aus Wüste/Wald/Eis vielfältig und die realen Aufnahmen mittels computeranimiertem Überzug die perfekte Herangehensweise. Immer wieder durchbricht Abrams seine Tristesse auch mit einem gut gesetzten Lacher, das Ambiente bleibt somit trotz brutalerer Töne immer ein Stück weit familiärer und vor allem wärmer als die Prequels mit ihren intergalaktischen Handelrouten. Dazu trägt auch nicht ganz unerheblich die neue Droidenversion BB8 bei, die ihre drehbaren Eigenschaften zur Unterhaltung des Zuschauer weit ausreizt.
Auch die Actionanteile sind wohldosiert und nie ausufernd lang. Somit fehlt zwar sowas wie die atemberaubende Angrifftssequenz auf den Todesstern, dafür gerät "Das Erwachen der Macht" mit seinen abenteuerlustigen Jump'n Run, Frontalangriffen und Luftsequenzen unberechenbar abwechslungsreich, was klar dem Genre dieses Sci – Fi – Abenteuers wie auch dem Geist des Originals entspricht. Überraschend kurzweilig und atmosphärisch präsentiert, kommt der abschließende Lichtschwertkampf daher. Das Duell wirkt intensiv, die Gesichter sind verschwitzt und es ist weniger eine durchchoreographierte Computeranimation.
Dagegen hat der finale Angriff des Widerstandes auf die Basis des Feindes – sie ahnen welches Gebilde, das, dessen Name (aus Spoilergründen) nicht genannt werden darf – fast schon etwas unangenehm Skurriles. Nach Suche und Einschätzung sowie möglicher Beseitigung dieses "Teils" am ehemaligen Holo – Rebellen - Taktiktisch gibt's auch nochmal einen Größenvergleich, der die Größer, Schneller, Weiter – Paradigmen des Blockbusterkinos zu umarmen scheint und damit etwas zu sehr auf Disney's immer noch geliebtes Zweikind Marvel schielt. Es fehlte eigentlich nur noch der Satz eines Beteiligten wie "Also so wie beim letzten Mal" und der Lacher wäre ihnen sicher gewesen.
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Fazit:
Und das war's. Der finale Schnitt kommt, der Abspann läuft und die Spannung wird in dieser Endsequenz nochmal ganz entscheidend erhöht.
J.J. Abrams "Episode VII" atmet den Geist dieser verrückten Weltraumoper. Mit seinen Planetensystemen und wechselhaften Vegetationen, seinen wuseligen kleinen wie großen Bewohnern und seinen beeindruckenden Helden, die sich in jeder Lage dem Bösen widersetzen. "Das Erwachen der Macht" ist stark bebildet, stark vertont und stark gespielt, dazu effektiv, im Sinne eines nicht ganz unbedenklichen Levels an nostalgischem Fan – Service, geschrieben und langfristig genießbar. Das ganz große Risiko allerdings bleibt aus. Sich nach der vertrackten Historie dieses nicht ganz kritiklosen Franchises in der Schuldfrage an die Beteiligten und vor allem Abrams zu richten, ist allerdings nicht fair. Oder um es anders auszudrücken – es rennt mindestens genauso weit an der Realität vorbei, wie die Qualität von "The Phantom Menace" an diesem Streifen hier.
Wertung 8.5/10