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    Star Wars 7: Das Erwachen der Macht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Star Wars 7: Das Erwachen der Macht
    Von Carsten Baumgardt

    Noch nie hatte ein Film so hohe Erwartungen zu erfüllen. Noch nie musste ein Regisseur größeren Druck aushalten. Noch nie war zwei Tage vor Filmstart so wenig über den Inhalt bekannt. Und noch nie fuhr ein Studio eine riskantere Strategie als Disney: Wenn J.J. Abrams‘ „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ nicht der erwartet und sehnlichst erhoffte große Wurf wird, fällt das ganze Kartenhaus zusammen und blamiert alle Beteiligten. Ein zweites „Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung“ würde die legendärste Science-Fiction-Reihe aller Zeiten möglicherweise nicht überstehen. Alle wussten das, besonders Regisseur und Neu-Mastermind Abrams – und der liefert den perfekten Fan-Service. „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ist ein gefühltes Remake des ersten „Star Wars“-Films „Krieg der Sterne“, ein überragendes allerdings. Abrams zelebriert pure Nostalgie, sodass jedem echten Fan warm ums Herz wird. Die Fehler, die George Lucas bei der Prequel-Trilogie gemacht hat, umschifft Abrams so weit er nur kann. „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ist ein nostalgischer Volltreffer, der dem Mythos jedoch nur wenige Innovationen hinzufügt.

    Mehr als 30 Jahre nachdem die Rebellen den zweiten Todesstern zerstört haben und damit eine entscheidende Schlacht gegen das Imperium gewinnen konnten, hat sich die Weltordnung fundamental geändert. Die bösen Mächte haben die Oberhand zurückgewonnen: Die Erste Ordnung regiert die Galaxis. Unter der skrupellos-diktatorischen Herrschaft des Supreme Leaders Snoke (Andy Serkis) ist es der finstere Scherge Kylo Ren (Adam Driver), der mit seinen Sturmtruppen-Streitkräften Angst und Schrecken verbreitet. Das ist dem Sturmtruppler FN-2187 (John Boyega) zu viel. Als er bei der Jagd nach dem Widerstands-Piloten Poe Dameron (Oscar Isaac) auf dem Planeten Jakku, Zivilisten niedermetzeln soll, desertiert er und verhilft Poe zur Flucht. Der hat Informationen über den Aufenthaltsort des mythischen Jedis Luke Skywalker (Mark Hamill), der nach einem verheerenden Vorfall bei der Ausbildung junger Jedi-Kämpfer wie vom Erdboden verschluckt ist und nicht nur von seiner Schwester, Widerstands-Generalin Leia Organa (Carrie Fisher), gesucht wird. Auf Jakku fallen derweil in dem Droiden BB-8 versteckte Daten über Skywalkers Aufenthaltsort der jungen Rey (Daisy Ridley) in die Hände. Gemeinsam mit FN-2187, der sich jetzt Finn nennt, flüchten sie vor der Ersten Ordnung, die nach dem Droiden fahndet. In der Not entkommen sie mit dem betagten Millennium Falken, dessen rechtmäßiger Besitzer Han Solo (Harrison Ford) schon bald zusammen mit seinem Wookie-Partner Chewbacca (Peter Mayhew) an ihrer Seite kämpft…

    Den Gedanken, sich auf die Wurzeln von „Star Wars“ zu besinnen, nahm Regisseur J.J. Abrams („Star Trek“) nahezu wörtlich. Der Meister der Geheimhaltung hat bei „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ einmal mehr die totale Nachrichtensperre verhängt und die Internet-Fangemeinde damit in die Raserei getrieben (und zum Kartenkauf angestachelt). Obwohl relativ viel Bildmaterial herausgegeben wurde, konnte über den Inhalt nur wild spekuliert werden. Doch die Fans sollten es Abrams (dieses Mal) danken, denn sein Film ist wie eine Bescherung kurz vor Weihnachten. All das, was wir an der Original-Trilogie so lieben, bekommen wir mit „Das Erwachen der Macht“ in bester Qualität neu aufbereitet. Die nahezu komplette Handlungsstruktur von „Krieg der Sterne“ findet sich in „Das Erwachen der Macht“ wieder, die neuen Figuren übernehmen Funktionen der alten Helden, während diese selbst wichtige Eckpfeiler für die Saga bleiben. Wollte sich George Lucas mit der Prequel-Trilogie von den Originalen emanzipieren, beschwört Abrams auf Gedeih und Verderb deren Geist – inklusive der unwiderstehlichen majestätischen Musik von John Williams. Die neuen und alten Figuren harmonieren dabei prächtig, und sie brauchen einander. Abrams wusste das und holte sich eine ganz wichtige Konstante zurück an Bord: Drehbuchautor Lawrence Kasdan („Jäger des verlorenen Schatzes“), der schon „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ schrieb und damit in besonderer Weise mit der Original-Trilogie verbunden ist.

    Abrams und Kasdan liefern uns spektakuläre 3D-Weltraumschlachten, Jagdszenen auf mehreren Planeten unterschiedlicher Vegetationen (Wüste, Schnee, Tropen) und klirrende Laserschwertduelle – das alles wirkt wesentlich physischer als bei George Lucas‘ Prequels. So bieten sie die Action, die einem Mega-Budget von 200 Millionen Dollar angemessen ist, mit Spezialeffekten, die auf die Höhe der Zeit sind. „Das Erwachen der Macht“ ist aber keine drückende Effektorgie, denn es gelingt Abrams die unglaubliche Atmosphäre der Originale wieder zu erwecken. Die Handlung ist dabei, wenn man sie herunterbricht, eigentlich genauso simpel, wie bereits in der Ur-Trilogie: Es kämpft Gut gegen Böse. Welche Clous und Entwicklungen sich im Verlauf des Films ergeben, ahnt der kundige Zuschauer schnell, weil sie offensichtlich sind, aber das ist kein Malus. In „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ leben so die seligen Zeiten wieder auf, dazu braucht man es gar nicht kompliziert, weil Abrams eben genau den stimmigen Erzählton findet, mit dem man die alten Fans begeistert und neue hinzugewinnt. Wie in „Krieg der Sterne“ löst die Suche nach einer in einem Droiden gespeicherten Information (ein klassischer MacGuffin) eine Kette von Ereignissen aus. Doch im Kern geht es darum, das Schicksal Luke Skywalkers zu klären – dem größten aller „Star Wars“-Helden. „Wo ist Luke?“ – das hat sich im Vorfeld zu einem Slogan entwickelt. Die Frage wird hier beantwortet – auf welcher Seite der Macht Luke Skywalker nun steht ebenso.

    „Das Erwachen der Macht“ funktioniert aber vor allem über die Figuren und das ist nicht nur den Autoren Kasdan und Abrams zu verdanken, sondern den Schauspielern selbst, die allesamt einschlagen. Im Zentrum steht die britische Newcomerin Daisy Ridley als Pendant zum jungen Luke Skywalker. Wie schon bei Mark Hamill einst, ist auch hier keine filigranen Schauspielkünste vonnöten, sondern die Fähigkeit, Empathie zu zeigen und Sympathie zu wecken. Hemdsärmelig und schlagkräftig pflügt die zierliche Ridley mit Angst-staunendem Schmollmund unerschrocken durch den Film. Welchen Weg sie gehen wird, ahnt jeder, der schon einmal einen „Star Wars“-Film gesehen hat. Ihr Kampf-Partner John Boyega („Attack The Block“) bringt als Deserteur der Ersten Ordnung hingegen etwas Neues hinzu: Erstmals wird ein Sturmtruppler menschlich. Das war Erzbösewicht Kylo Ren auch einmal. Seine Familienherkunft wird recht schnell und unmissverständlich geklärt. Mit einem geschickten Schachzug schützt Abrams Adam Driver („Girls“) davor, als Junior-Ausgabe von Darth Vader im direkten Vergleich mit dem übergroßen Vorbild zu scheitern. Wenn der charismatische Schauspieler gelegentlich die schwarze Maske absetzt, wird nicht nur Kylo Rens Antlitz irdisch, sondern auch die Ambivalenz des Charakters deutlich: Er ist nicht einfach nur abgrundtief böse. Im Verhältnis etwas im Hintergrund bleibt Oscar Isaac („Inside Llewyn Davis“), der nämlich über weite Strecken abwesend ist, aber vor allem zu Beginn und Ende zeigt, dass er noch wichtig werden will und kann. Was Ridley, Boyega und Isaac in den besten Momenten liefern, ist dynamisch, ergreifend, witzig, ungekünstelt - und damit all das, was die Prequels nicht waren. Der Film hat mit diesem Trio - oder Quartett, Driver mitgezählt - ein Herz, auf das Regisseur Rian Johnson auch in „Episode VIII“ setzen sollte.

    Die Korsettstangen von „Das Erwachen der Macht“ sind jedoch vier alte Haudegen: Harrison Ford („Indiana Jones“) rockt den Film! Er ist die Seele! Mit verschmitztem Charme reißt Ford alle Szenen an sich, in denen er zu sehen ist – und das sind viele. Er hat nach Daisy Ridley, John Boyega und Adam Driver die meiste Leinwandzeit. Die Bewegungen mögen ein bisschen langsamer sein als früher, aber Ford ist gut in Schuss und viel vitaler als er in einigen vorab veröffentlichten Trailer-Ausschnitten zunächst wirkte. Han Solos unwiderstehlicher Sidekick Chewbacca ist dazu immer wieder für einen Lacher gut. Auch die Rückkehr von Carrie Fisher („Harry und Sally“) macht sich bezahlt, sie kabbelt sich mit Harrison Ford wie in guten alten Zeiten und hat so trotz weniger Szenen ihrer Momente. Auf Mark Hamill („Kingsman: The Secret Service“) müssen die Zuschauer dagegen lange warten – doch es lohnt sich. In einer absoluten Gänsehautszene reicht ein einziger Gesichtsausdruck, um die vergangenen 30 Jahre zu erklären. Das ist groß!

    Den kindlichen Humor der Prequel-Trilogie hat Abrams „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ ausgetrieben, ein Jar Jar Binks ist weit und breit nicht in Sicht, was aber nicht heißt, dass der Film keinen Humor hat – im Gegenteil. Die schlicht und knackig gehaltenen Dialoge sprühen so vor trockenen Onelinern und erstaunlich vielen Gags. Schwächen leistet sich Abrams kaum. Natürlich ist Keylo Ren (noch) nicht so gut wie Darth Vader, aber der ist der vielleicht beste Bösewicht der Filmgeschichte. Ihm fehlt allerdings die starke Figur im Hintergrund. Supreme Leader Snoke ist nämlich bislang ein Schwachpunkt. Der buchstäblich überlebensgroße Ober-Antagonist lässt alle anderen wie Kleinwüchsige aussehen und passt stimmiger in „Der Herr der Ringe“ als in „Star Wars“. Ein zweiter kleiner Kritikpunkt ist eine Crux, denn J.J. Abrams unternimmt alles, um das alte „Star Wars“-Gefühl wiederzubeleben. Das gelingt ihm wie gesagt mit großem Erfolg, hat aber auch einen kleinen Preis: „Das Erwachen der Macht“ ist im Endeffekt eine Wiederholung von „Krieg der Sterne“ – allerdings auf immens hohem Niveau. So gibt es sogar einen neuen Todesstern. Der heißt jetzt Starkiller Base, ist aber um ein Vielfaches größer und noch bedrohlicher als das Original – und damit quasi das Sinnbild für den ganzen Film. Zu guter Letzt überlässt J.J. Abrams die schwierigste Aufgabe seinem Nachfolger Rian Johnson. Während Abrams den perfekten Fan-Service abliefert, sollte der nun zum Visionär werden. Es gibt nicht nur offene Fragen zu beantworten (Woher kommt die Erste Ordnung als Nachfolger des Imperiums und der Sith und wie wurde sie so mächtig?), sondern vor allem gilt es, den neuen Figuren weiter Raum zu geben und ihre Hintergrundgeschichten zu vertiefen. Der Boden dafür ist auf jeden Fall bereitet…

    Fazit: Endlich gibt es wieder richtiges „Star Wars“! J.J. Abrams feiert mit dem stark nostalgisch gefärbten „Das Erwachen der Macht“ einen mehr als verheißungsvollen, unglaublich unterhaltsamen Auftakt für eine neue „Star Wars“-Trilogie.

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