Seit Alfred Hitchcocks Meisterwerk „Das Fenster zum Hof“ wissen wir, welche dunklen Welten sich in den unscheinbaren Hinterhöfen ganz gewöhnlicher Wohnblocks auftun können. Pierre Salvadori („Bezaubernde Lügen“, „Liebe um jeden Preis“) zeigt in seiner Tragikomödie „In The Courtyard“, was passieren kann, wenn ein eigentlich passiver Betrachter des vielfältigen Treibens in solch einem Hof dazu aufgefordert wird, selbst am Geschehen teilzunehmen. Diesem eröffnen sich zunächst die vielfältigsten amüsanten Schrullen seiner Mitbewohner. Doch mit der Zeit lernt er sie immer mehr zu verstehen und entwickelt immer tiefere menschliche Beziehungen zu ihnen. Das Ergebnis ist ein ungemein warmherziger, sehenswerter Film.
Antoine (Gustave Kervern) ist ein 40 Jahre alter Musiker, der unter Schlaflosigkeit leidet. Weil er in einer tiefen Krise steckt, verlässt er Hals über Kopf Freundin und Band und nimmt einen Job als Hausmeister in einem Pariser Wohnblock an. Sein Plan, sich hier zurückziehen zu können, geht aber nicht auf, denn vom ersten Tag an belagern ihn die Bewohner mit ihren kleinen Anliegen, wie zu vielen, im Hof herumstehenden Fahrrädern. Zu den schrulligen Originalen, die im Block leben, gehört auch Mathilde (Catherine Deneuve). Als sie einen Riss in ihrer Wohnzimmerwand entdeckt, entwickelt die seit ihrer Pensionierung unterbeschäftigte Frau eine heftige Zwangsneurose, welche schließlich die gesamte Nachbarschaft in Aufruhr versetzt. Bei so viel Aufregung muss sich Antoine immer mehr der Frage stellen, ob er hier wirklich eine ruhige Kugel schieben kann oder die ganzen Bewohner, die ihm längst ans Herz gewachsen sind, nicht seine Hilfe brauchen.
Im Zentrum der Tragikomödie „In The Courtyard“ stehen die verschiedensten knorrigen Figuren. Großartig ist dabei vor allem Gustave Kervern („Aaltra“) als liebenswerte Hauptfigur Antoine. Der schüchterne Mann wirkt zwar zunächst so, als ob er nicht bis Drei zählen könnte, beweist sich aber mit der Zeit als umsichtiger Hausmeister, der vor allem über große Sensibilität verfügt und diskret sein kann, wenn es darum geht den verschiedenen verqueren Anliegen der Hausbewohner und den verrückten Situationen gerecht zu werden. Ebenfalls fantastisch ist die Grande Dame des französischen Kinos Catherine Deneuve („Belle de jour – Schöne des Tages“) als immer neurotischer werdende Mathilde, die für Antoine zu einer Art von Seelenverwandten wird.
In „In The Courtyard“ geht es um die verschiedenen Ängste, Neurosen und Traumata, welche fast alle Personen im Film quälen. Anfangs liegen diese überwiegend unter der Oberfläche verborgen. Doch der Riss in Mathildes Wand führt schließlich zur Aufdeckung der Risse im Leben der Hausbewohner. Je mehr Antonie diese Menschen kennenlernt, desto besser lernt er sie auch zu verstehen. So entpuppt sich ein permanent zugedröhnter Fahrraddieb als ein ehemaliger Rennfahrer, dessen Karriere aufgrund einer Verletzung vorzeitig ein Ende fand. Nun trauert er seinem vergangenem Leben hinterher und fühlt sich wie lebendig begraben. Dabei geht es Regisseur Salvadori nicht darum, jede Geschichte mit Hollywood-Kitsch zu einem guten Ende zu führen. Vielmehr zeigt er, dass niemand perfekt sein muss. Die große Botschaft ist, dass es vollkommen reicht, wenn man sich und die anderen so akzeptiert wie man ist und sich in schwierigen Situationen ein wenig gegenseitig hilft.
Fazit: Die französische Tragikomödie „In The Courtyard“ ist ein sehr warmherziger Film um ein Haus voller schrulliger Charaktere.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.