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    Jin-Roh
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Jin-Roh
    Von Matthias Hopf

    Neben den Filmen von Hayao Miyazaki („Prinzessin Mononoke", „Chihiros Reise ins Zauberland") waren es vor allem die Sci-Fi-Meisterwerke „Akira" und „Ghost In The Shell", die dem japanischen Anime in unseren Breitengraden zu Bekannt- und Beliebtheit verholfen haben – düster-dystopische Erzählungen aus alternativen Welten, die mit opulenten Bildern und starker Motivik zwischen Philosophie, Psychologie und Religion begeisterten. Hiroyuki Okiuras anspruchsvoller Polit-Thriller „Jin-Roh" von 1999 zählt in Deutschland zwar zu den weniger bekannten Animes, gehört aber sehr wohl zu den bedeutendsten Vertretern japanischer Zeichentrickkunst und steht auch den populären Titeln in nichts nach.

    Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Japan ist durch den Konflikt zwischen der Polizei und als „die Sekte" bekannten Regierungsgegnern gespalten. Da die Straßenschlachten nicht eingedämmt werden können, wird eine bis an die Zähne bewaffnete „Hauptstadtpolizei" gegründet – in deren Rängen sich wiederum die inoffizielle Spionageeinheit „Jin-Roh" formiert. Als Agent Kazuki Fuse in der Kanalisation ein junges Bombenkurier-Mädchen stellt, bringt er es nicht übers Herz, dieses gemäß seiner Anweisungen zu erschießen. Weitere Soldaten stoßen dazu, verschreckt sprengt sich das Mädchen daraufhin selbst in die Luft. Fuse wird suspendiert, doch die Erinnerung verfolgt ihn – bis er ihr Grab besucht, dort ihre Schwester trifft und das Vorgehen der „Jin-Roh" zu hinterfragen beginnt...

    Das ist lediglich ein Ausschnitt aus der komplexen Welt und Handlung von „Jin-Roh". Mit dem Prolog wird kaum mehr als das Grundgerüst einer alternativen Vergangenheit skizziert. Durch den bewussten Verzicht auf Namensgebungen – der Handlungsschauplatz etwa bleibt namenlos - wird der Film in seiner allegorischen Bedeutsamkeit bekräftigt, während gleichzeitig eine betäubende Stimmung der Anonymität geschaffen wird. Der hintergründige Politthriller arbeitet mit Kazukis moralischen Reflektionen aber nicht nur die Verantwortung des Einzelnen in einem politischen System heraus, sondern erzählt nebenher noch eine packende Liebesgeschichte.

    Neben stilsicheren Zeichnungen überzeugt auch das durchdachte Drehbuch von Mamoru Oshii („Ghost in the Shell"), das den schonungslos brutalen Polit-Thriller durch Metaphern und erstaunlich einfühlsame Zwischenspiele mitunter beinahe zum Märchen umdreht. So wird die Rotkäppchen-Geschichte im Film nicht nur zitiert, sie dient auch als grobes Handlungsgerüst und als thematischer Leitfaden. Wie Okuira die klassische Grimm-Erzählung hochkonzentriert zur scharfsinnigen Dystopie ausbaut und mit ruhiger, kraftvoller Musikuntermalung atmosphärisch ausgestaltet, ist atemberaubend spannend und atmosphärisch.

    Ausnahmsweise überzeugt hier auch die deutsche Synchronfassung mit Dennis Schmidt-Foß (Simon Pegg), Julia Ziffer (Summer Glau) und David Nathan, der seine Stimme schon Johnny Depp, Christian Bale und Paul Walker geliehen hat – so lohnt es sich sogar, den Film im Nachtprogramm eines Privatsenders nachzuholen oder dort einmal mehr zu erleben. Wie präsent „Jin-Roh" zumindest in der US-Popkultur ist, wurde zuletzt in Zack Snyders „Sucker Punch" ersichtlich: Die Ähnlichkeit der „Jin-Roh"-Kluft mit Snyders untoten deutschen Soldaten ist eine offen ausgespielte Reminiszenz an Okiuras Anime-Epos, das ohne falsche Scheu in einem Atemzug mit „Akira" und „Ghost In The Shell" genannt werden darf - ja, vielleicht sogar muss!

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