Früher spielten Krimis meist in der Großstadt, doch gerade in den vergangen Jahren gibt es immer mehr fiktive Mordfälle im ländlichen Raum. Die Zahl der Heimatkrimis in Buch-, Film und Serienform ist längst schwer überschaubar geworden. Jacques Berndorfs mittlerweile 22-teilige Eifel-Serie ist wohl immer noch am bekanntesten, doch immer neue Konkurrenz läuft ihm den Rang ab. Gerade in Bayern ist der Provinzkrimi ein Kassenschlager, wozu auch der Bayerische Rundfunk einen großen Teil beiträgt, der zahlreiche Adaptionen fürs Fernsehen mitproduziert hat. Ed Herzogs Verfilmung von Rita Falks „Dampfnudelblues“ kommt nun nicht nur im Dezember 2013 ins Fernsehen, sondern schon vier Monate vorher im Süden der Republik in die Kinos. So allmählich allerdings stellt sich, nicht nur angesichts des Titels, der bei den Krimis von Falk rund um den Polizisten Franz Eberhofer stets einen kulinarischen Bezug hat, ein Gefühl der Übersättigung ein. Zu gering sind mittlerweile die Variationen geworden, zu austauschbar das Figurenpersonal – ein paar Lacher liefert Herzogs Variante allerdings.
Wie alle Krimis von Rita Falk spielt „Dampfnudelblues“ im fiktiven Örtchen Niederkaltenkirchen bei Landshut. „Erfunden und trotzdem tausendfach vorhanden“, so die Autorin: „Jedes x-beliebige Dorf tickt so.“ Hier gibt es ein einziges Wirtshaus, in dem sich abends die Männer auf ein Helles treffen. Es gibt den Ortsverein „Rot-Weiß“, wo sich die Männer den Kreisligafußball ihrer Kicker reintun. Es gibt die Metzgerei, wo sich der Eberhofer Franz (Sebastian Bezzel), der örtliche Polizist, morgens auf Pump seine drei Leberkässemmeln holt, die er hernach im Revier – eher eine Dienststube im Rathaus am Marktplatz – liebevoll mit süßem Senf in Herzchenform verziert. Ein Zimmer weiter sitzt die Susi (Lisa Maria Potthoff), mit der der Franz eine komplizierte On-Off-Beziehung pflegt. Mehr Sorgen, denkt man sich, sollte ein Provinzbulle auch nicht haben. Doch dann schmiert jemand „Stirb du Sau“ ans Haus des ungeliebten Schulrektors Höpfl (Robert Palfrader), der bald darauf verschwunden ist. Dann taucht er wieder auf, mit blutigem Hemd und übersät mit Brandnarben…
Die Idee hinter den Heimatkrimis als Schauplatz für schwarzhumorige Kriminalgeschichten ist simpel. Die Annahme ist, dass die Provinz - so ja zumindest das Klischee - Langeweile, wenig Vielfalt, aber dafür noch sogenannte „Typen“, schrullige Charaktere mit Ecken und Kanten, bietet. Ein (wenn auch fiktiver) Ort wie Niederkaltenkirchen hat klar feststellbare Eigenschaften, Landshut lässt sich schon weniger eindeutig definieren, und München: Vergiss es, viel zu groß und durcheinander. So ist den Provinzkrimi das Klischee im Sinne eines fixen, unverrückbaren Charakteristikums immer schon eingeschrieben.
Den guten vom schwachen Stoff unterscheidet dann der Umgang mit diesen Klischees. Fällt den Autoren und Filmemachern etwas ein, das wie die Faust aufs Auge in diesen ländlichen Kosmos passt? Vielleicht sogar etwas, an das man aber bislang noch nicht gedacht, von dem man noch nicht gehört hatte? Ein paar gute Einfälle gibt es in „Dampfnudelblues“: Wer in Niederkaltenkirchen den Notruf wählt, kommt anscheinend direkt bei Eberhofers Handy raus – und als der Franz einmal im Suff versehentlich ein Fenster einschmeißt, da bimmelt es zwei Sekunden später in seiner Hosentasche. Auch ein öd-grauer Verkehrskreisel, in dem er mit seinem vorsintflutlichen Dienstwagen seine Runden dreht, bis endlich mal was passiert im Kaff, ist ein schönes Sinnbild für das angeblich so gleichförmige, ereignislose Leben im Dorf. Abgesehen von diesen guten Einzelideen sieht es beim Aufgreifen und Verarbeiten der Klischees aber eher dünn aus bei Regisseur Ed Herzog, der viele Folgen von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ gedreht hat, Krimi-Reihen also, die traditionell meist großstädtisch geprägte Settings präsentieren
Größtenteils werden die Handlung und das komische Prinzip des Films im Wesentlichen von dem weitergetrieben, was man Klischees der Entlarvung nennen könnte. Die Landbevölkerung wird mit Phänomenen der weiten Welt konfrontiert und soll dabei dann richtig schön dumm dastehen. Franzens Papa (Eisi Gulp) etwa baut gar nicht so heimlich Cannabis auf seinem Hof an, hihi. Franzens Bruder hat ein Kind mit der Thailänderin Panida, die kleine Tochter haben sie Uschi genannt, aber viel besser passt doch „Sushi“, hoho. Bei Rot-Weiß haben sie einen dunkelhäutigen Stürmer verpflichtet, hehehe, und was der ach so feine Rektor Höpfl in seinem Keller treibt, auwei, auwei. Um Doppelmoral und Spießertum zu entlarven, findet Herzog selten den richtigen Ton, eher reproduziert er manches, durchaus auch rassistische, Stereotyp.
Die Hauptfigur, „der Eberhofer“, ist ein Grenzgänger, war er doch mal Großstadtermittler in München, bis sein Partner Birkenberger (Simon Schwarz) einem „Kinderschänder die Eier weggeschossen hat“. Auch das soll bei Herzog wohl irgendwie witzig sein. Diese Vergangenheit drückt sich beinahe ausschließlich darin aus, dass Hauptdarsteller Sebastian Bezzel als Eberhofer genervt, betont langsam, mit hängenden Mundwinkeln und Schultern durch die Szenen schlurft – eine ziemlich genaue Reprise seiner Rolle aus dem ähnlich enttäuschenden „Vatertage“ von Ingo Rasper. Hier freilich passt diese schlurfige Attitüde besser ins Bild, sie verleiht „Dampfnudelblues“ womöglich gar ein wenig subversiven Charme, wenn die Autorität widerwillig um den Tatort schleicht und sich gar noch widerwilliger zum Stadionwächter bei Rot-Weiß degradieren lässt.
Fazit: Trotz einiger tatsächlich recht witziger Einfälle gelingt es Ed Herzog in „Dampfnudelblues“ nicht, seine Figuren und die Geschichte aus dem Einheitsbrei der Provinzkrimiklischees zu heben.