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    Venus im Pelz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Venus im Pelz
    Von Andreas Staben

    Roman Polanski ist ein Meister in der Inszenierung von Psycho-Duellen auf engem Raum. Von seinem 1961 gedrehten ersten langen Spielfilm „Das Messer im Wasser“ über ein Beziehungsdreieck bei einem Segelurlaub bis zu seiner burlesken Version des Vier-Personen-Erfolgsstücks „Der Gott des Gemetzels“ 50 Jahre später interessierte er sich immer wieder für ausgefeilt-intime Macht- und Rollenspiele („Der Tod und das Mädchen“, „Bitter Moon“), aber auch für klaustrophobische Ausnahmesituationen („Ekel“, „Der Mieter“, „Der Pianist“). In der hintergründigen Erotik-Komödie „Venus im Pelz“ bringt Polanski nun diese Vorlieben und viele weitere seiner bevorzugten Themen und Motive auf spielerisch-virtuose Weise zusammen. Seine Adaption von David Ives‘ Bühnenstück, das wiederum auf Leopold von Sacher-Masochs berühmter, vorübergehend sogar indizierter Skandal-Novelle von 1870 basiert, ist ein ebenso kurzweiliges wie doppelbödiges Kammerspiel über Kunst und Leben, Erotik und Lust, Macht und Manipulation sowie nicht zuletzt über Roman Polanski selbst: in den einzigen Rollen stehen seine Ehefrau Emmanuelle Seigner und der hier fast wie sein jüngerer Doppelgänger aussehende Mathieu Amalric als Schauspielerin und Regisseur auf der Bühne.

    Der Pariser Theaterregisseur und -autor Thomas (Mathieu Amalric) sucht für seine Inszenierung einer eigenen Bühnenbearbeitung des Romans „Venus im Pelz“ noch die ideale Besetzung für die weibliche Hauptrolle Vanda. Gerade hat er  einige Bewerberinnen vorsprechen lassen, von denen allerdings keine seinen Vorstellungen nahekommt. Thomas ist frustriert und will gerade das Theater verlassen, als Vanda (Emmanuelle Seigner) hereingestürmt kommt. Sie entschuldigt sich konfus für die Verspätung und bettelt ihn förmlich an, sie trotzdem noch vorspielen zu lassen. Der Intellektuelle ist skeptisch, sein erster Eindruck von der leicht vulgären und wenig gebildeten Frau ist nicht unbedingt positiv. Doch schließlich gibt er ihr die Chance und übernimmt bei der Probe selbst die Rolle des Severin. Als die beiden auf der Bühne stehen, verschwimmen die Grenzen zwischen Stück und Realität zunehmend, es kommt zu einem regelrechten Duell zwischen der Schauspielerin und dem Regisseur, zwischen der Frau und dem Mann...

    Von Leopold von Sacher-Masochs Namen haben die Psychologen einst den Begriff Masochismus abgeleitet, ihr Musterbeispiel wurde jener junge Mann aus „Venus im Pelz“, der sich vertraglich verpflichtet, der Sklave einer verehrten Herrin zu sein und sich ihr bedingungslos zu unterwerfen. In David Ives‘ Bearbeitung bekommt der Stoff, in dem selbst schon viel mehr steckt als eine literarisch aufgetakelte psycho-sexuelle Fallstudie, durch das Stück im Stück eine weitere Dimension und Roman Polanski dreht die Schraube der Doppelungen und Spiegelungen noch einmal weiter. Er beginnt den Film mit einer langen Fahrt der Kamera über Pariser Boulevards, an deren Ende sie schließlich in das Theatergebäude schlüpft, das sie bis ganz am Ende nicht mehr verlassen wird. Dazu erklingt die spöttisch-spritzige, zugleich einfache und verzwickte Musik von Alexandre Desplat („Der Ghostwriter“, „The King’s Speech“), die perfekt die ambivalente Stimmung des Films trifft. Unentwegt schwankt der Film so zwischen ironischem Spiel und abgründigem Ernst, da stehen amüsante Details wie jener phallische Kaktus, der noch aus der Dekoration der vorigen Inszenierung (einer Bühnenversion des John-Wayne-Westerns „Stagecoach“!) übriggeblieben ist, neben gnadenlosen Demaskierungen und eiskalten Demütigungen.  

    Die Welt außerhalb des Theaters scheint trotz gelegentlicher Handy-Telefonate bald ins Unwirkliche entrückt und als ein Gewitter ausbricht, hat der Donner etwas von einem Bühneneffekt. Schein und Sein sind wie so oft bei Polanski kaum noch zu trennen und so lässt er seine Darsteller auch ganz konsequent viele Rollen in einer verkörpern. Die gespielten Abhängigkeiten zwischen den Sacher-Masoch-Figuren Vanda und Severin vermischen sich bald mit den Machtkämpfen zwischen (Bühnen-)Regisseur Thomas und Darstellerin Vanda(!), aber auch mit vermeintlichen erotischen Provokationen der Frau (heißt sie wirklich Vanda?) gegenüber dem mühsam seine Triebe und Gelüste im Zaum haltenden Mann, was wiederum der Rollenverteilung in der Novellenvorlage entspricht. Das stetige Verwischen und Wechseln der Ebenen orchestriert Polanski virtuos (man achte nur auf die Licht-Dramaturgie), jede Pointe in diesem Psycho-Reigen sitzt. Wenn dann die weibliche Naturgewalt den weibischen Kopfmenschen mit Vorwürfen des Sexismus zudeckt, dann steckt in der klischeebeladenen Situation zugleich ihre Karikatur – und so wird „Venus im Pelz“ zur boshaft-boulevardesken Geschlechter-Komödie, zugleich ist aber auch er noch etwas anderes.

    Schon seit „Tanz der Vampire“-Zeiten tut sich Roman Polanski immer wieder als Meister der Verbindung zwischen unerhört komischer Farce und existenziellem Grauen hervor, auch hier haben die meist amüsanten Dialoggefechte eine durchaus düstere Kehrseite. Wenn Emmanuelle Seigner als Venus in Lack und Leder mit übertriebenem Marlene-Dietrich-Akzent und ungemütlichem Befehlston plötzlich deutsch spricht, dann spuken die Gespenster von Nazi-Fetisch-Kitsch und Holocaust-Horror gleichermaßen durch den Raum, Assoziationen, die durch Polanskis persönliche Ghetto-Erfahrung mitbefördert werden. Gerade die Echos alter Filme des Regisseurs geben dem ironischen Treiben immer wieder etwas schmerzhaft Anrührendes. Kostüme, die direkt aus „Tess“ oder „Tanz der Vampire“ stammen könnten, sind da noch  harmlos, aber wenn der glänzend subtile Mathieu Amalric („München“, „Ein Quantum Trost“) in Frauenkleidern zu sehen ist, dann erinnert das an den niederschmetternden „Der Mieter“ und dass er sich vor unseren Augen gleichsam in einen Wiedergänger des jungen Polanski verwandelt, hat etwas Ursprünglich-Unheimliches. Neben dem selbst beim Fluchen kultiviert wirkenden Amalric kommt Seigner etwas ungeschliffen und fast schon grob daher – es ist, als spielte sie nur dem Regisseur (vor und hinter der Kamera) zuliebe und führte ihn zugleich an der Nase herum und so ist „Venus im Pelz“ eben auch ein Film über die Dynamik des künstlerischen Schaffensprozesses – bis zum vielsagend-freizügigen Finale.

    Fazit: Roman Polanskis virtuos inszeniertes Zwei-Personen-Kammerspiel „Venus im Pelz“ ist eine kurzweilig-komische Geschlechter-Farce mit dramatischen Untertönen und einem perfekt besetzten Darsteller-Duo.

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