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    Willkommen bei Habib
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Willkommen bei Habib
    Von Constantin von Harsdorf

    Es sind existenzielle Fragen, die Regisseur Michael Baumann in „Willkommen bei Habib“ verhandelt: Am Beispiel von vier Männern unterschiedlicher Herkunft geht es um die Suche nach der eigenen Identität, mit der jeder einzelne zu kämpfen hat. Dabei gelingen dem Regiedebütanten zwar immer wieder treffende Szenen, doch schafft er es nicht, die einzelnen Handlungsstränge zu einem stimmigen Ganzen zusammenzuführen. Die fast zweistündige Tragikomödie weist deutliche Längen auf und ist thematisch überfrachtet, aber trotz dieser Einschränkungen liefern die Schicksale der Protagonisten immer wieder berührende Momente, sodass der Film niemals in die Beliebigkeit abdriftet.

    Vier Menschen, vier Schicksale: Imbiss-Besitzer Habib (Vedat Erincin) fühlt sich eigentlich in Stuttgart heimisch und ist mit einer deutschen Frau verheiratet. Als er nach vielen Jahren jedoch seine alte Jugendliebe wiedertrifft, die er einst in der Türkei zurückließ, beginnt er über seine Wurzeln nachzudenken. Sein Sohn Neco (Burak Yiğit) ist ebenfalls hin- und hergerissen: Trotz Ehefrau und Kind will er endlich aus dem erdrückenden deutschen Alltag ausbrechen und hofft in der Türkei auf ein besseres Leben. Auch Bruno (Thorsten Merten) macht gerade schwere Zeiten durch: Wegen des Verdachts auf Veruntreuung wurde er aus seiner eigenen Firma geworfen. Aus Protest startet er einen Sitzstreik auf einer Verkehrsinsel mitten in Stuttgart. Ingo (Klaus Manchen) hat ein anderes Problem: Um seine Tochter nach 40 langen Jahren um Vergebung zu bitten, flüchtet er aus dem örtlichen Krankenhaus. Immer wieder kreuzen sich die Lebenswege dieser vier unterschiedlichen Personen…

    Die Handlung von „Willkommen bei Habib“ hätte viel Raum für abgedroschene Klischees über das Leben einer türkisch-deutschen Familie in Deutschland geboten, doch Regisseur und Co-Autor Michael Baumann verzichtet auf gängige Stereotype. Angenehm unaufgeregt schildert er die innere Zerrissenheit seiner Protagonisten: Neco hat höchstens einmal einen Urlaub in der Türkei verbracht, sehnt sich aber dennoch nach dieser Heimat, die er gar nicht richtig kennt. Vater Habib ist dagegen vor vielen Jahren nach Deutschland gekommen und wird erst durch die Hochzeit der Tochter seiner Jugendliebe plötzlich wieder an seine Wurzeln erinnert. Immer wieder entwickelt Baumann aus den entstehenden Konflikten stimmungsvolle Szenen, etwa wenn Neco und Habib nach einigen Zerwürfnissen in einem zerbeulten Cabrio gemeinsam auf den Sonnenaufgang warten.

    Doch dem Filmemacher genügt es nicht, sich nur auf das Innenleben der Familie zu konzentrieren, obwohl dieser Mikrokosmos viele spannende Anknüpfungspunkte bietet. Stattdessen etabliert Baumann mit dem gefallenen Geschäftsmann Bruno und dem älteren Herren Ingo zwei zusätzliche Figuren, die immer wieder den Weg von Neco und Habib kreuzen, was auch dramaturgisch zuweilen nicht sonderlich elegant eingefädelt wird. Besonders die Episode um Ingo, der nach Jahren ohne jeglichen Kontakt seine Tochter anzurufen versucht, wirkt wie ein Fremdkörper und bremst immer wieder den Erzählfluss. Dagegen fügt sich der Handlungsstrang um Bruno zwar deutlich besser in das Filmganze ein, dennoch erreichen die Szenen um den hinausgeworfenen Firmengründer nie die Intensität der meisten Episoden aus Habibs und Necos Leben. Auch Bruno sucht seinen Platz im Leben, das hat er mit den anderen Hauptfiguren gemeinsam und dieses Thema wird hier im Prinzip nicht uninteressant variiert, doch Thorsten Merten bewegt sich mit seinem übertrieben cholerischen Spiel hart an der Grenze zur Karikatur, was nicht zum mal melancholischen mal beschwingten Ton des Films passt. Gleiches gilt für die tumbe Schlägertruppe, die Neco wegen seiner Schulden an den Kragen will: Auch die drei finsteren Gesellen wollen sich so gar nicht in die Grundstimmung von „Willkommen bei Habib“ einfügen. Doch trotz solcher Schwächen ist Michael Baumanns Kinodebüt insgesamt ein gelungenes Porträt von Menschen auf der Suche nach der eigenen Heimat.

    Fazit: Der ambitionierte Spagat von Michael Baumanns Regiedebüt „Willkommen bei Habib“ gelingt nur teilweise: Während die klischeefreien Einblicke in die Konflikte einer deutsch-türkischen Familie überzeugen, bremsen die beiden anderen Erzählstränge den Film eher aus, als ihn zu bereichern.

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