Die Halbwelt der Casinos und Zocker scheint wie geschaffen für Hollywood, schließlich liegen an kaum einem Ort Sieg und Niederlage, Ekstase und Verzweiflung so eng beieinander wie an einem Pokertisch. Auf die Spitze getrieben hat das Martin Scorsese in seinem unvergesslichen Auftakt zu seinem Mafia-Epos „Casino“, in dem er eine Spielhalle in Las Vegas als gewaltige Geldmaschine für den Mob inszeniert, aus der die Dollarscheine gleich kofferweise herausgetragen werden. In ihrem Spieler-Drama „Dirty Trip“ (im Original wesentlich passender betitelt als „Mississippi Grind“) gehen Anna Boden und Ryan Fleck (das Regie-Duo hinter dem großartigen „Half Nelson“ mit Ryan Gosling) nun genau den entgegengesetzten Weg: Statt den vordergründigen Thrill des Zockens ins Zentrum zu rücken, nehmen sie der glitzernden Spielerwelt ihren Glamour. Das Ergebnis ist ein einnehmendes Charakterdrama mit zwei herausragenden Hauptdarstellern (wobei man von einem auch nichts anderes erwartet hätte, während der andere tatsächlich über sich hinauswächst).
Gerry (Ben Mendelsohn) ist Mitte Vierzig und steckt bis zum Hals in Spielschulden. Seine Frau und seine Tochter hat er wegen seiner Sucht längst verloren – und auch sein Lebensmut ist gerade dabei, sich endgültig zu verflüchtigen. Aber dann lernt er beim Pokern den rund zehn Jahre jüngeren Curtis (Ryan Reynolds) kennen, dessen Unbeschwertheit Gerry aus seiner Lethargie regelrecht herausreißt: Gemeinsam zieht das Duo von Iowa nach New Orleans, um dort mit einem Sieg bei einem großen Pokerturnier wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Auf dem Weg dorthin wird aber natürlich in jeder Spielhöhle ein Zwischenstopp eingelegt…
Unterlegt mit flotter Country-Mucke und atmosphärischen Blues-Stücken klappern Gerry und Curtis im Verlauf des Road-Movies eine Kaschemme nach der anderen ab – und obwohl diese steril-glitzernden Spielertempel hier allesamt traurig-triste Nicht-Orte sind, gelingt es Anna Boden und Ryan Fleck mit ihrer stimmungsvollen Inszenierung dennoch, ein wenig von dem Flair solcher Hollywood-Klassiker wie „Haie der Großstadt“ oder „Cincinnati Kid“ heraufzubeschwören. Aber der Reiz des Spiels und der Glitzer der Casinos bleibt in „Dirty Trip“ (es tut jedes Mal weh, diesen Titel zu schreiben) zum Glück immer nur Beiwerk, der Fokus liegt stattdessen klar auf der Beziehung zwischen Gerry und Curtis:
Dem gewohnt grandiosen Ben Mendelsohn („The Dark Knight Rises“, „The Place Beyond The Pines“) scheint all der Frust und Gram des 44-jährigen Gerry förmlich in das zerknitterte Gesicht geschrieben. Er muss nur einmal schief lächeln, um die ganze Verzweiflung der Lage sichtbar zu machen. Und auch Ryan Rynolds („The Voices“, „Self/Less – Der Fremde in mir“) überrascht hier als versierter Charakterdarsteller, der mit minimalen Gesten die ganze Komplexität seiner Figur greifbar macht. Dass das Innere der Figuren hier so nuanciert zum Vorschein tritt, hat dabei sicherlich auch damit zu tun, dass die äußere Dramatik (vom Flug der Würfel bis zum Rollen der Roulettekugel) hier völlig genreuntypisch bewusst heruntergespielt wird. Richtig Spannung kommt so gerade in den Zockerszenen zwar nicht auf, aber als Mood Piece funktioniert der Film so nur noch besser.
Fazit: „Dirty Trip“ ist mehr komplexe Charakterstudie als spannender Spielerfilm – als solche aber richtig gut gelungen.