„Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuss der ganzen Welt!“, so heißt es in Friedrich Schillers Ode „An die Freude“, die Ludwig van Beethoven im berühmten Schlusschor seiner 9. Sinfonie in die klingende Utopie von friedlicher Götterfunken-Gemeinsamkeit verwandelte. Der franko-kanadische Regisseur Ken Scott hat die poetisch-pathetische Übertreibung von Schillers Worten 2011 in seinem Film „Starbuck“ (fast) wörtlich genommen und den Samenspender-Titelhelden am Ende in einer kuriosen Massenumarmung mit seiner mehr als hundertköpfigen Kinderschar vereint. Das Bild des sich in den Armen liegenden Menschenknäuels, das sich nur noch aus einer gottgleichen Vogelperspektive überblicken lässt, war der passende Schlussakkord für eine warmherzige und milde ironische Komödie - und der Filmemacher schlägt diesen nun auch in „Der Lieferheld – Unverhofft kommt oft“, seinem eigenen US-Remake von „Starbuck“, wieder an. Anders als Beethovens Sinfonie, die selbst in vieltausendfacher Nachschöpfung so gut wie unverwüstlich ist, erweist sich Scotts Selbstbearbeitung allerdings als wenig inspirierter Aufguss. Nahezu alle Figuren und Szenen sind haargenau gleich angelegt, viele Dialoge dazu wortwörtlich übersetzt - wer „Starbuck“ kennt, der wird „Der Lieferheld“ als filmisches Malen-nach-Zahlen empfinden. Die charmanten rauen Kanten des Originals wurden überdies weitgehend glattgebügelt. So bietet das Remake zwar sympathische, aber nicht unbedingt bemerkenswerte Unterhaltung, in der einzig Chris Pratt für frischen Wind sorgt.
David Wozniak (Vince Vaughn) ist ein netter Kerl mit ernsten Problemen: Sein Vater und Chef in der Familien-Metzgerei Mikolaj (Andrzej Blumenfeld) hält ihn für unzuverlässig, seine schwangere Freundin Emma (Cobie Smulders) traut ihm die Vaterrolle nicht zu und zu allem Überfluss hat er erhebliche Schulden bei einigen finsteren Gestalten. Als ihn eines Tages auch noch seine Vergangenheit als Samenspender einholt und er erfährt, dass er der biologische Vater von 533 Kindern ist, von denen 142 auf die Offenlegung seiner Identität klagen, droht seine kleine Tunichtgut-Welt endgültig zusammenzubrechen. Er bittet seinen besten Freund und mittelmäßig talentierten Anwalt Brett (Chris Pratt) um Hilfe und stellt sein bisheriges Leben in Frage. David beginnt sich für seinen unbekannten Nachwuchs zu interessieren und lernt einige seiner inzwischen erwachsenen Kinder kennen, ohne seine Identität preiszugeben. Als der Gerichtstermin naht, muss er eine schwierige Entscheidung treffen...
Die Geschichte vom notorischen Samenspender, der durch ungewöhnliche Umstände mit den Folgen seiner konservierten Ergüsse konfrontiert wird und sich als biologischer Vater Hunderter Kinder erweist, ist sicher keine schlechte Grundlage für einen Kinofilm, aber sie innerhalb von nur drei Jahren ebenso oft auf die Leinwand zu bringen erscheint inflationär (neben den beiden Ken-Scott-Versionen gibt es auch noch das französische „Starbuck“-Remake „Fonzy“ mit José Garcia), zumal jeweils der Ansatz einer mehr oder weniger sanften Komödie gewählt wurde. In „Der Lieferheld“ wird das Geschehen von Montréal ins vertraute Brooklyn verlegt und die kanadischen Darsteller werden durch Hollywood-Gesichter ersetzt, was besonders im Fall der Hauptfigur erheblich den Ton des Films verändert: Musste der eher unscheinbare Patrick Huard („Good Cop Bad Cop“) als David wenigstens noch ein bisschen um die Sympathien des Publikums ringen, hat der weltweit beliebte 1,96 m-Recke Vince Vaughn („Prakti.com“, „Trennung mit Hindernissen“) die Zuschauer gleich auf seiner Seite. So fehlt dann auch der Masturbations-Prolog aus „Starbuck“ im Remake - er schien den Machern für ein US-Publikum offensichtlich schon zu gewagt.
Der Vergleich mit dem Original tut dem Vince-Vaughn-Vehikel nicht so gut, für sich betrachtet ist „Der Lieferheld“ aber passable Unterhaltung. Für die meisten Höhepunkte sorgt Chris Pratt („Parks And Recreation“, „Guardians Of The Galaxy“) als Davids schusselig-schlagfertiger Anwaltskumpel Brett: Wenn er im schlecht sitzenden Anzug vor lauter Aufregung fast den wichtigsten Prozess seiner Karriere vermasselt oder wenn er David mit der begeisterten Überforderung eines glücklichen Familienoberhaupts die Freuden des Vaterseins nahebringt („Windeln machen mich stolz“) dann sind Humor und Emotion perfekt ausbalanciert. Auch die Szenen von Vince Vaughn und seinen Kindern sind oft recht amüsant, auch wenn die Wandlung des Protagonisten zum rundum verantwortungsvollen Mustermenschen allzu glatt abläuft und man es hier am Ende fast so aussehen lässt, als könnte man die eingangs zitierten Schiller-Verse tatsächlich erfolgreich wörtlich nehmen und einer ganzen Hundertschaft ein guter Vater sein. So stehen einige schale Gags (sein Vater sagt zu David: „Ich liebe dich wie einen Sohn.“) und unnötige Handlungsschlenker (die Mafia-Schulden) neben liebenswürdig-harmlosem Spaß.
Fazit: Regisseur Ken Scott hat mit „Der Lieferheld“ eine detailgetreue Hollywood-Kopie seiner kanadischen Samenspender-Komödie „Starbuck“ gedreht. Herausgekommen ist durchschnittliche Recycling-Unterhaltung, aus der einzig Chris Pratt herausragt.