Hinter dem Adrenalinschübe und Exzesse versprechenden Namen „Nitro Circus" verbirgt sich der amerikanische Extremsportler Travis Pastrana. Der 29-jährige Actionsport-Enthusiast, der dank zahlloser Trophäen, Medaillen und Rekorden als führender Motocross- und Freestylefahrer der Szene gilt, liebte es, mit Freunden um den Globus zu reisen und die Grenzen der Schwerkraft und der Vernunft zu erkunden: Den waghalsigen Stunts, spektakulären Rekordversuchen und riskanten Basejumps fallen regelmäßig Fortbewegungsmittel aller Art zum Opfer, von BMX-Rädern über Geländemotorräder bis hin zu Dreirädern und Rollstühlen. Immer nah dran: Die Kamera, mit der die Heldentaten der fröhlichen Chaos-Truppe für die Nachwelt festgehalten werden. Nach diversen Videos und einer TV-Serie erreicht die Vermarktung des Nitro Circus nun mit einem 3D-Kinofilm ihren Zenit, doch das von Gregg Godfrey und Jeremy Rawle inszenierte Leinwanddebüt der Reality-TV-Stars erweist sich als halbgar und eintönig.
Als lose Struktur für „Nitro Circus: Der Film 3D" dienen die finalen Minuten vor der ersten Live-Show der Stuntgruppe im MGM Grand in Las Vegas. Nach einigen angestrengt selbstironischen Spielfilmsequenzen, in denen sich die Mitglieder der Truppe als nie erwachsen gewordene Kinder vorstellen, die einfach nur Spaß am Nervenkitzel haben möchten, beginnt der eigentliche Film: ergo die halsbrecherischen Stunts der Jungs. Die mit 3D-Kameras gedrehten Einlagen werden begleitet von fassungslosen bis bewundernden Ausrufen – u.a. von Profi-Skateboarder wie Ryan Sheckler und Rob Dyrek, aber auch von den „Jackass"-Legenden Jeff Tremaine und Johnny Knoxville.
Letztere waren es auch, die vor einigen Jahren auf die selbst veröffentlichten, in der Actionsport-Szene als Geheimtipps herumgereichten DVDs von Nitro Circus aufmerksam wurden und MTV dazu überredeten, die Reality-TV-Serie „Nitro Circus" ins Programm zu nehmen. Im Anschluss an zwei Staffeln, die Anfang und Mitte 2009 aufgestrahlt wurden, gingen Nitro Circus auf Tour durch die USA, Australien und Neuseeland, was Stoff für eine weitere Serie mit dem Titel „Nitro Circus Live" bot. Doch seit der Unterstützung durch die „Jackass"-Macher, die auch als ausführende Produzenten der Fernsehserie fungierten, hatte das Stuntfahrer-Kollektiv Nitro Circus große Probleme, sich von dem Streiche spielenden Blödelverein abzusetzen und sich als eigenständige Gruppe zu definieren. Gerade Tremaine und Knoxville sind zu Beginn der Doku deutlich darum bemüht, trotz der offensichtlichen Ähnlichkeiten (infantil-pubertärer Humor, leichtsinnige Menschenexperimente, grölende Männer, die sich nach getaner Arbeit vor Freude in den Armen liegen) die Unterschiede zu betonen. Das sei hier kein Kinderspiel wie bei „Jackass", es ginge um Leben und Tod, wird Tremaine nicht müde zu betonen.
Doch selbst wenn man keinen unvorteilhaften Vergleich zu den ungleich kurzweiligeren „Jackass"-Kinofilmen zieht, erweist sich „Nitro Circus" trotz der kurzen Spieldauer von gerade mal 88 Minuten als überlang und repetitiv. Dabei ist das Problem weniger, dass sich der Schauwert auch der spektakulärsten Stunts, deren Bandbreite von beeindruckend bis lächerlich reicht, nach gewisser Zeit abnutzt. Die Crux ist das mangelnde Charisma der Extremsportler. Abgesehen von sympathisch, tapsigen Figuren wie dem bärtigen Koloss Street Bike Tommy, der auch mal den Mut aufbringt, einen Stunt zu verweigern, bleiben die sonnengebräunten Athleten größtenteils austauschbar. Wer diese Menschen sind, was sie motiviert, wie ihr Alltag aussieht – all das bleibt im Unklaren. Stattdessen hört man dann einfältige Kommentare von Hollywood-Star Channing Tatum („Magic Mike") als leicht deplatziertem Nitro-Circus-Fanboy.
Fazit: Auch mit ihrem Kinodebüt können sich die Reality-TV-Stars der MTV-Extremsport-Serie „Nitro Circus" nicht aus dem Schatten ihrer „Jackass"-Kollegen lösen. Abgesehen von einigen eindrucksvollen 3D-Bildern ist „Nitro Circus – Der Film 3D" nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Stunts, die in der Fülle langweilen.