In Zeiten, in denen immer mehr Menschen Erfahrungen mit Paar- oder Familientherapien haben, wird das Sezieren von Lebenslügen, die schon immer ein dankbares Thema für Regisseure und Autoren waren, geradezu zum idealen Filmstoff. In ihrem Spielfilm-Debüt „Die Besucher" dröselt Regisseurin Constanze Knoche die Befindlichkeiten einer fünfköpfigen Familie langsam auf und stellt das Beziehungsgefüge einleuchtend dar. Sie befrachtet ihr Familiendrama aber mit einem Maß an Ernst und Schwere, das angesichts der letztlich eher alltäglichen Probleme der Figuren nicht angemessen wirkt.
Familienvater Jakob (Uwe Kockisch) verlässt eines Morgens sein Haus auf dem Land, während seine Frau Hanna (Corinna Kirchhoff) noch schläft. Spontan fährt er nach Berlin, um die dort lebenden Kinder zu besuchen. Unvermittelt platzt Jakob in deren Leben, das sie bislang durch die Distanz gut abschirmen konnten. Die jüngste Tochter Sonni (Anne Müller) hat Sex mit ihrem Professor Bergson (Bernhard Schütz), der so alt ist wie Jakob. Arnolt (Jakob Diehl) hat sein Studium auf Eis gelegt und Karla (Anjorka Strechel) hat sich für eine Gärtnerausbildung entschieden statt zu studieren. Nachdem Hanna von Jakobs Besuch erfährt, reist auch sie nach Berlin: Nach Jahren ist die Familie wieder einmal zusammen. Am Abend gesteht Jakob, dass er seit Monaten arbeitslos ist und die Kinder finanziell nicht mehr unterstützen kann. Es kommt zum Streit, bei dem lange schwelende Konflikte hervorbrechen.
Seine Stärken hat „Die Besucher" in der anschaulichen und glaubhaften Darstellung der Familiendynamik. Jakob, einst ein erfolgreicher Chemiker, verliert ohne seinen Job das Gesicht. Auf seiner Fahrt quer durch Berlin wirkt er verloren und haltlos, mit dem Beruf hat er seinen Lebensinhalt verloren. Auch die anderen Figuren identifizieren sich stark mit ihren jeweiligen Lebensmodellen: Hanna mit ihrem Haus mit Garten, in dem sie nach dem Auszug der Kinder ein neues Leben mit Jakob beginnen wollte. Sonni ist durch Studium und Liebesbeziehung gleich doppelt mit der Universität verbunden, an der Jakob fast zerbricht. Sein eigentlicher Traum ist die Kunst, seine Wohnung voll von angefangenen aber unvollendeten Gemälden. Karla schließlich fühlt sich am schönsten Drehort des Films zu Hause: einer großen Gartenanlage, die sie aber auch von ihrer Akademiker-Familie trennt.
Zwar wird in „Die Besucher" viel geredet, doch wichtiger ist die Stille zwischen den Sätzen. Immer wieder setzt Constanze Knoche lange Pausen, in denen nichts gesagt wird und doch viel angedeutet werden soll. Damit solch ein Konzept aufgeht, müssen die Figuren jedoch eine gewisse Doppelbödigkeit haben, die hier allerdings weitgehend fehlt. Nur selten kommen die Zwischentöne so zur Entfaltung wie in einer der schönsten Szenen des Films, als die drei Geschwister gemeinsam ins Elternhaus zurückkehren: Die Schwestern klimpern auf dem Klavier, Arnolt stürmt herein und liefert eine liebevolle Parodie seines Vaters, wie er die Schwestern ermahnt, leiser zu sein. Es ist ein Moment, in dem man versteht, dass die Familie durch Erinnerungen auch zusammengeschweißt wird und dass es sich lohnt, für sie zu kämpfen.
Fazit: Constanze Knoche zeichnet in „Die Besucher" das Bild einer Familie, die sich auseinandergelebt hat. Während das Beziehungsgefüge im Ganzen glaubhaft dargestellt wird, wirkt die Geschichte im Detail etwas blutleer.