Wo Jean-Claude Van Damme draufsteht, ist auch Jean-Claude Van Damme drin. Während die erste Garde der Action-Stars schon in den 80er Jahren Ironie und Witz der reinen Radau-Unterhaltung vorzogen, waren die Werke des nicht zufällig „Muscles from Brussels" genannten Belgiers immer ein anderes Kaliber. Frühe Kultfilme wie „Bloodsport", „Cyborg", „Leon" oder „Mit stählerner Faust" waren nie augenzwinkernd oder doppelbödig, sondern stets Real-Deal-Action-Trash für Hartgesottene. Nachdem Van Damme seinen Kultstatus in den 90ern kurz zu voller Blüte treiben konnte und mit Kinohits wie „Harte Ziele", „Sudden Death" oder „Universal Soldier" für kurze Zeit ein Star der A-Klasse war, folgte ein jäher Absturz. Größenwahn, Koks und ein paar teure Scheidungen ließen ihn für lange Jahre in der Versenkung billiger und meist mieser Direct-to-Video-Produktionen versauern. Dem Heimkino ist er bis heute mit wenigen Ausnahmen (wie seinem kultigen Auftritt in „The Expendables 2") treu geblieben und legt mit schöner Regelmäßigkeit kleine B-Reißer vor. Egal ob „Wake of Death", „Until Death" und ganz besonders das clevere Experiment „JCVD" – Actionfans freuen sich, dass sich der belgische Prügel-Beau wieder gefangen hat. Wer jedoch in so hoher Dichte dreht, produziert neben kleinen Juwelen und einigem Schrott auch mal Mittelmaß wie Ernie Barbarashs Action-Thriller „Six Bullets".
Einst war Samson Gaul (Jean-Claude Van Damme) ein todbringender Söldner, der kein Pardon kannte und seine Zielpersonen mit erbarmungsloser Härte über den Jordan schickte. Wer ihn an den Hacken hatte, konnte genauso gut gleich Selbstmord begehen und sich in der Hölle verstecken. Samsons Spezialität war die Befreiung von Entführungsopfern aus den Fängen skrupelloser Menschenhändler. Als eine seiner Missionen Unschuldige das Leben kostete, setzte er sich jedoch zur Ruhe und seitdem fristet er sein Dasein als Metzger (!) in Moldawien (!!). Mit dem gemütlichen Leben an der Fleischtheke ist es jedoch vorbei, als der ehemalige Kampfsportler Andrew (Joe Flanigan) und seine Frau Monica (Anna-Luise Plowman) Samson um Hilfe bitten. Ihre Tochter Becky (Charlotte Beaumont) wurde entführt und ohne einen ortskundigen Experten, der sich in der Unterwelt Osteuropas auskennt, ist das Mädchen verloren. Aus alten Schuldgefühlen heraus lässt sich Samson überreden, muss jedoch bald erkennen, dass er in ein wahres Wespennest des Verbrechens gestochen hat.
Ein Blick auf die Story und man weiß, wohin der Hase läuft: Jean-Claude Van Damme macht einen auf Liam Neeson, der als rabiater Kindsvater mit „96 Hours" Zeit enorm erfolgreich war. Das Niveau von Pierre Morels Vorbild wird zwar nicht erreicht, als rustikaler B-Film macht „Six Bullets" aber durchaus Laune. Wobei es hier naturgemäß deutlich kleiner und unspektakulärer zugeht als in der Luc-Besson-Produktion: Wo Neeson seinerzeit halb Paris unsicher machte, pirscht Van Damme durch die Hinterzimmer und Gassen der moldawischen Hauptstadt Chișinău. Wie schon in „Assassination Games - Der Tod spielt nach seinen eigenen Regeln" (die vorige Zusammenarbeit von Regisseur Barabarash mit JCVD), „Assassin's Bullet - Im Visier der Macht" oder „Last Bullet - Showdown der Auftragskiller", um nur einige wenige zu nennen, liefert der ehemalige Ostblock mit seinen zwielichtigen, wodkaseligen Gangstern den Rahmen, in dem ein alternder Radaubruder noch mal ordentlich die Sau rauslassen darf. Doch auch wenn die Dreharbeiten im Osten Europas billig sind und Chișinău eine fotogene Stadt ist: So langsam wird diese Masche öde. Zumal sich um Van Damme eine austauschbare Besetzung gruppiert und das auf den Hauptdarsteller zugeschnittene Drehbuch kaum mehr als zweckdienlich ist.
Da bleibt dem geneigten Fan nur die Konzentration auf die Action. Hier wird das Rad nicht neu erfunden und vor allem eins geboten: Rabiate Keile, effizient ausgeführt von einem charismatischen Actionstar hinterm Karriere-Zenit. Gleich zu Beginn mischt Van-Damme in ungewohnter Maskerade mit Brille und Bart eine Bande Kidnapper auf, dass es nur so kracht. Mit einem Messer bewaffnet nimmt er in einem Restaurant eine ganze Crew auseinander und der Action-Fan freut sich, dass es hier wieder einmal handfest und mit altmodischer Klarheit zu Werke geht. Manches Mal muss zwar ein schneller Schnitt dem nicht mehr ganz so schnellen Jean-Claude zur Seite stehen, das Vergnügen schmälert das jedoch kaum. Zwischen den brutalen und mit reichlich Blutvergießen verbundenen Keilereien wird allerdings öfter mal ein Gang runtergeschaltet, so dass Längen entstehen, die auf das vorhersehbare Drehbuch und lahme Dialoge zurückzuführen sind. Wenn es dann allerdings wieder knallt, wackeln die Wände, auch wenn später vor allem die Waffen statt der Fäuste sprechen. So bleibt „Six Bullets" in erster Linie ein Action-Vehikel für seinen urigen Star aus Brüssel und man bekommt genau das, was versprochen wird: nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Fazit: Story schwach, Action handfest, Hauptdarsteller in guter Form: Das ist „Six Bullets", ein dreckiger, harter Reißer mit Jean-Claude Van Damme.