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    Mondomanila
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Mondomanila
    Von Petra Wille

    In Italien entstand in den 60er Jahren das (Sub-)Genre des „Mondo"-Films, seine Bezeichnung ist vom Filmtitel „Mondo Cane" abgeleitet, ein Werk, das damals für einige Aufregung sorgte. Als Fake-Dokumentationen (heute würden sie Mockumentaries genannt) zeigen sie vorgeblich die Realität, zeichnen sich aber vor allem durch expliziten Sex und drastische Gewalt aus. Der philippinische Regisseur Khavn Dela Cruz bezieht sich mit „Mondomanila" nicht nur bei der Titelwahl auf diese Filme. Er zeigt das Leben in einem Slum von Manila: es ist arm, dreckig, gewalttätig und ohne Perspektive, aber seine Inszenierung dieses Leben ist provokant bunt und musikalisch bis zum getanzten Ende – fern jeder naturalistischen Betrachtung und ohne moralischen Zeigefinger. Die Gleichzeitigkeit von Elend, derbem Humor, Sex und jeder Menge Gewalt sorgt für ein irritierendes Filmerlebnis: ein ungebrochener Genuss ist ausgeschlossen, weil die bedrückende tatsächliche Situation immer im Bewusstsein bleibt. Genau diese Irritation macht dann auch die Qualität des Films aus.

    Tony D. (Timothy Mabalot) lebt mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder Dino in einer Hütte in Manila. Er ist Anführer des Paranoid-Kommandos und kennt den Slum mit seinen Junkies, Zuhältern, Nutten, Kredithaien und sonstigen schrägen Bewohnern wie seine Westentasche. Er selbst hängt die meiste Zeit mit seinen Jungs ab, mit denen er raucht, trinkt und zotige Sprüche austauscht. Als Dino eines Tages mit deutlichen Missbrauchsspuren und viel Geld von einem pädophilen US-Amerikaner nach Hause kommt, nimmt Tony zusammen mit seinem Freund Mutya Rache. Währenddessen versucht sich seine hochschwangere Mutter Mariya (Marife Necesito) gegen ihre Vermieterin zu wehren, die mit Rausschmiss und Abriss des Hauses droht.

    Es ist fast schon erstaunlich, dass schließlich doch noch eine Filmhandlung im engeren Sinne beginnt, denn über die erste halbe Stunde ist „Mondomanila" eine Aneinanderreihung unterschiedlichster Versatzstücke: Ein zahnloser Alter lädt zu einer „verrückten Reise" ein, ein Zitat von Schauspielerin Claire Danes („Homeland") attestiert der Stadt grausam, verrückt und stinkend zu sein und die Protagonisten werden in expressiven Comicbildern porträtiert. Dann spricht die Hauptfigur Tony D. in die Kamera und erklärt treuherzig, dass Drogen und Sex Sorgen und Hunger vergessen lassen. Was genau das Paranoid-Kommando ist, dessen Anführer er sein soll, bleibt unklar. Ebenso, warum die unzähligen anderen Personen anfangs eingeführt werden, da sie für die Handlung kaum relevant sind. Mit Kommentaren im Stil von „Trägt ungern Klamotten, hasst verfilzte Muschis. Hausbesetzer-Punk" werden gut ein Dutzend Personen vorgestellt, dazwischen heißt es in einem Song „Leben ist Krieg, Leben ist Hölle" (die Musik wurde von Regisseur Khavn selbst geschrieben) und in schnellen Schnittsequenzen pöbeln sich die Mitglieder der Jugendgang gegenseitig an. Solange noch kein Plot erkennbar ist, ist das ziemlich anstrengend und streckenweise eher langweilig, weil Gespräche über Sperma, Schwänze, Ficken und Gewalt alleine kaum einen ganzen Film tragen können.

    Auch inszenatorisch tobt sich Regisseur Khavn vor allem zu Beginn mit einer wahren Orgie unterschiedlicher visueller Stilmittel aus: Das reicht von verzerrten Aufnahmen und Comicseqzenzen über Schwarz-Weiß-Bilder und Zeitraffer bis zu Split Screen und Foto-Roman. Das ist zwar handwerklich gut gemacht, wirkt aber teilweise etwas aufgesetzt und hat nicht immer eine erzählerische Relevanz, zumal die eigentliche Filmhandlung erst nach der Etablierung des Umfelds der Hauptfigur in Schlaglichtern in Gang kommt. Hat Khavn diesen Fokus erst gefunden, entwickelt er eine sehr einnehmende Geschichte, schließlich bringt er sie dramatisch und blutig zu Ende, was er wiederum mit einer fröhlichen Tanzszene kontrastiert. Er irritiert unsere Erwartungen und Sehgewohnheiten auf das Höchste. Hier liegt die Stärke des Films: Dass Armut schrecklich ist und Menschen zu extremen Handlungen treiben kann, sollte jedem klar sein. Durch die stilistischen, dramaturgischen und thematischen Brüche in diesem Film sehen wir aber anders hin, fragen uns, was da gerade erzählt wird. Um nur ein Beispiel zu nennen: Eine Personenbeschreibung wie „Wurde als Baby von seiner Mutter auf den Müll geworfen, vermittelt Kinder an Pädophile. Kleinwüchsig" ist schwer erträglich und provoziert nicht etwa gefühlige Betroffenheit, sondern reizt zu Widerspruch, Reflexion, Auseinandersetzung.

    Fazit: Teilweise anstrengendes Musical aus einem Slum von Manila, das durch krasse Brüche auf der visuellen und der erzählerischen Ebene seine widerborstige Qualität gewinnt und sich interessant von anderen Betrachtungen der Niederungen menschlichen Seins abhebt. Für Zartbesaitete ist der Film allerdings eher nicht geeignet.

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