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    Exodus: Götter und Könige
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Exodus: Götter und Könige
    Von Björn Becher

    Schon zur Stummfilmzeit, aber vor allem in den 50er und 60er Jahren war die Bibel DIE Vorlage für Hollywoods Monumentalepen. Die Bandbreite reichte von eng am Buch der Bücher orientierten Adaptionen wie „Die zehn Gebote“ und „König der Könige“ bis zu Filmen mit nur losem Bibel-Bezug wie „Ben Hur“ oder „Das Gewand“. Nachdem John Hustons Mega-Flop „Die Bibel“ den Trend 1966 jäh gebremst hat und Erfolge wie Mel Gibsons „Die Passion Christi“ seither Ausnahmen geblieben sind, ist die Heilige Schrift neuerdings wieder eine angesagte Stoffquelle bei den Hollywood-Produzenten. In den USA sorgte die Mini-Serie „Die Bibel“ des TV-Kanals History 2013 für so viel Aufsehen, dass man aus dem TV-Material sogar noch einen Kinofilm schnitt („Son Of God“). Darren Aronofsky brachte mit „Noah“ ein zentrales Kapitel der Bibel als mystisch-bildgewaltige Fantasy-Parabel in die Kinos und sorgte mit den Freiheiten, die er sich nahm, für reichlich Diskussionen. Nun folgt Ridley Scott mit „Exodus: Götter und Könige“ und der „Blade Runner“-Regisseur orientiert sich mit seiner Verfilmung der Befreiung und des Auszugs der Israeliten aus Ägypten deutlich stärker am Monumentalkino der 50er. Dabei verbindet er einen klassisch anmutenden, an die goldenen Zeiten Hollywood erinnernden Erzählgestus mit der 3D-Bildgewalt eines modernen Blockbuster-Spektakels. Er schwelgt förmlich in phänomenalen Landschafts- und Städtepanoramen und tobt sich in Schlachten und der beeindruckenden Darstellung der Plagen aus - allerdings vergisst er dabei zwischenzeitlich die Figuren.

    1.300 vor unserer Zeitrechnung: Pharao Seti (John Turturro) regiert Ägypten unterstützt von seinen treuesten Generälen: seinem Sohn Rhamses (Joel Edgerton) und dem klugen Moses (Christian Bale), der für ihn wie ein zweiter Sohn ist. Als Moses eines Tages losgeschickt wird, um herauszufinden, warum es immer wieder Sklavenaufstände gibt, hört er eine unglaubliche Geschichte. Der Sklavenälteste Nun (Ben Kingsley) behauptet, Moses sei wie er selbst ein Israelit, der einst versteckt wurde, als der Pharao alle Erstgeborenen aufgrund einer Prophezeiung ermorden ließ. Moses, der von Prophezeiungen genauso wenig wie von Gott hält, ignoriert das Gerede. Als Seti kurz darauf stirbt, wird Rhamses der neue Pharao und Moses sein Berater – bis der Herrscher durch eine Intrige von dessen wahrer Herkunft erfährt und seinen „Bruder“ in die Wüste verbannt. Dort überlebt Moses wie durch ein Wunder und wird schließlich von Ziegenhirten aufgelesen, die ihn in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Er heiratet, gründet eine Familie und lebt viele Jahre ein einfaches Leben, bis dem Ungläubigen Gott erscheint und ihm den Auftrag gibt, die Israeliten aus den Klauen von Rhamses und seiner intriganten Mutter Tuya (Sigourney Weaver) zu befreien…

    Zwei Dinge stehen im Mittelpunkt von Ridley Scotts Monumental-Epos: gewaltige Bilder und die konfliktbeladene Beziehung zwischen den „Brüdern“, die zu Feinden werden. Gleich zum Auftakt führen Rhamses und Moses gemeinsam die ägyptischen Truppen in eine opulent inszenierte große Schlacht gegen die Hethiter: Immer wieder geht es in die Vogelperspektive, um dem Zuschauer zu verdeutlichen, was hier für Menschenmassen aufeinanderprallen, dann wieder ist die Kamera mitten im Getümmel und die Nahansicht wird per Zoom verlassen, was den Effekt der daraus resultierenden Totalen noch erhöht. Die Schauwerte stehen im Vordergrund, aber auch der Gegensatz zwischen den beiden Protagonisten wird hier bereits eingeführt. Rhamses und Moses haben verschiedene Auffassungen über die taktische Gestaltung der Schlacht und es zeigt sich alsbald, dass es dem einen zuerst um seine Macht geht, dem anderen dagegen vor allem um Gerechtigkeit. So schnell Scott hier die unterschiedlichen Charaktere seiner Hauptfiguren verdeutlicht, so wenig gelingt es ihm allerdings im Fortlauf des Films, diese mit Nuancen zu versehen. Nur selten kommen auch Zwischentöne zu ihrem Recht und dann sind zumindest Konturen von vielschichtigen Persönlichkeiten zu erahnen – etwa wenn Rhamses einmal nicht nur der brutale Herrscher sein darf, sondern auch der liebende Familienvater – ein Moment, der später im Film noch wichtig werden soll.

    Die Schauspieler bekommen in „Exodus“ nur wenig Gelegenheit, ihr Können voll auszuspielen. Christian Bale („Batman Begins“) ist als Moses zwar ein charismatischer Anführer, aber dessen innere Konflikte kommen oft ein wenig zu kurz. So wird etwa die schwere Entscheidung, ob Moses seine Familie für die Befreiung „seines“ Volkes zurücklassen soll, allzu rasch abgehandelt. Nur bei den Konfrontationen mit Gott erhält Bale mehr Raum - und brilliert. Diese Szenen sind auch deshalb so reizvoll, weil Ridley Scott zwar auf bekannte Elemente wie den brennenden Dornbusch zurückgreift, aber trotzdem einen Weg findet, dem Schöpfer ein Gesicht zu geben. Im Vergleich zu Bale hat Joel Edgerton („Warrior“) als Rhamses dennoch gerade im finalen Drittel des Films die stärkeren Einzelmomente. Am eindrücklichsten sind dabei jene Szenen, in denen der Pharao zwischen Rache- und Machtgelüsten auf der einen und der Sorge um seine Familie auf der anderen Seite hin- und hergerissen ist. Die starke Konzentration auf das „Bruder“-Duo sorgt indes dafür, dass alle anderen Figuren nur Beiwerk bleiben. So erschließt sich kaum, welchem erzählerischen Zweck die Szenen dienen sollen, in denen Joshua (Aaron Paul) heimlich Moses im Zwiegespräch mit Gott beobachtet, denn sie bleiben schlicht ohne Folgen. Sigourney Weaver („Alien“) und Ben Kingsley („Gandhi“) bleiben bessere Statisten, während sich bei John Turturro („Barton Fink“) solides Handwerk und unfreiwillige Komik abwechseln. Einzig Ben Mendelsohn („The Place Beyond The Pines“) als intriganter Strippenzieher Hegep hat einige gute Momente.

    „Exodus: Götter und Könige“ erinnert nicht nur durch die Gegenüberstellung zweier gegensätzlicher Protagonisten, die den zwei Seiten einer Medaille entsprechen, an Ridley Scotts oscargekrönten „Gladiator“. Doch das Filmschicksal von Moses und den Israeliten ist nicht so bewegend wie der Leidensweg von Russell Crowes Maximus. In „Exodus“ fehlen schlicht die Momente, in denen man wirklich mit den Unterdrückten mitfiebert (weder die kurzen Szenen in der Sklaverei noch der einfallslos bebilderte kräftezehrende Marsch durch die Wüste entfalten die dazu nötige Wirkung) und so bekommt ihr Kampf um die Freiheit auch nicht ganz die richtige Spannung – es ist durchaus bezeichnend, dass es die emotionaleren Todesszenen auf Seiten der Ägypter gibt. So ist „Exodus: Götter und Könige“ letztlich ein ziemlich kühler, aber auch ein visuell prachtvoller Film: Der absolute Höhepunkt ist die Teilung des Roten Meeres mit der anschließenden Riesenflutwelle, ein Moment, der wie gemacht ist für das moderne 3D-Kino - und Scott holt mit seinen Mitstreitern das Maximum heraus. Auch bei den biblischen Plagen ist der Regisseur voll in seinem Element. Wenn Horden von Krokodilen das Wasser rot färben, wenn später Frösche und Heuschrecken das Land heimsuchen, wähnt man sich in einem beeindruckenden Big-Budgt-Tier-Horror-Movie.

    Während sein Kollege Darren Aronofsky bei „Noah“ die Bibelvorlage nutzte, um auch aktuelle Themen (wie unsere ökologische Verantwortung) anzuschneiden, enthält sich Scott – abgesehen von einem herausragenden Schlussunkt mit Ausrufezeichenaussage - weitgehend solcher klaren zeitgenössischen Bezugnahmen und wenn es dazu mal einen interessanten Ansatz gibt, lässt er ihn oftmals schnell fallen. So erinnert die Strategie der aufbegehrenden Israeliten, die ihre Aktionen zunächst gegen das ägyptische Volk richten, um Unruhe zu stiften an die Taktik vieler Terroristengruppen, die Anschläge gegen die (unschuldige) Zivilbevölkerung verüben. Bevor man sich als Zuschauer jedoch mit dieser moralischen Grauzone auseinandersetzen kann, übernimmt Gott das (Terror-)Ruder. Er erscheint hier ganz nach den Buchstaben des Alten Testaments als rachsüchtige Instanz, die straft und vernichtet und auch nicht davor zurückschreckt, die Kinder der Ägypter zu töten. Auch hier nutzt Scott nicht die Möglichkeit zur reflektierten Vertiefung: Die Frage, wie Moses und die Israeliten diesem Gott noch folgen können, wird nur kurz aufgeworfen – ehe die nächste hochklassige und beeindruckende Spektakelsequenz über alle Ansätze zur Nachdenklichkeit hinwegfegt: „Exodus: Götter und Könige“ ist so weniger ein Film fürs Hirn als für die Sinne.

    Fazit: Bildgewaltiges 3D-Spektakel, bei dem (abgesehen von der finalen Aussage) inhaltliche und thematische Aspekte allerdings immer wieder auf der Strecke bleiben.

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