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    Oxygen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Oxygen
    Von Martin Soyka

    Für Klaustrophobiker ist es der absolute Alptraum: Die Ehefrau eines wohlhabenden Geschäftsmannes wird von zwei jungen Männern auf offener Straße entführt und in einem Wald bei lebendigem Leib vergraben. Die Luft reicht für 24 Stunden. Das Ziel der beiden Männer: Geld. Mit dem Fall wird mental die angeschlagene Polizistin Madeline Foster (Maura Tierney - „Emergency Room“, Willkommen in Mooseport) betraut. Die hatte tags zuvor einen flüchtenden Straftäter erschießen müssen und sich zur Verdrängung außerehelichen Eskapaden der besonderen Art hingegeben, wovon ihr Mann (Terry Kinney), der gleichzeitig ihr Chef ist, nichts wissen soll. Doch für ihren Kater hat sie jetzt keine Zeit. Nach einer hitzigen Autoverfolgungsjagd gelingt es, den mutmaßlichen Täter (Adrien Brody – Der Pianist, King Kong) zu stellen. Doch damit beginnen die Probleme erst…

    Die Ausgangssituation ist sowohl Zeitungslesern als auch Filmfreunden bekannt. Eine Geisel droht zu ersticken und nur der sich im Polizeigewahrsam befindliche Verdächtige weiß, wo sie ist. Das ist bereits in dem Klassiker „Dirty Harry“ Thema gewesen und musste leider auch deutsche Gerichte schon beschäftigen. Doch wer meint, es handele sich bei dem Film um einen weiteren Beitrag zu dem brisanten Thema Rettungsfolter, irrt. Tatsächlich - und das ist einer der Vorwürfe, den man dem Film machen muss - kommt keine der Figuren auf die Idee, den Aufenthaltsort der Geisel aus dem Verdächtigen, der sich fast jeder Kommunikation entzieht, herauszuprügeln. Das muss einfach bei dieser Konstellation thematisiert werden, zumal der Täter offenbar über eine überragend hohe Schmerzschwelle verfügt, wie genüsslich demonstriert wird. Hier verschenkt der Film ganz einfach Potential. Statt dessen entwickelt sich aus der Verhörsituation ein Katz-und-Maus-Spiel mit irrwitzigen Wendungen, wie es die Leser von Jeffery-Deaver- und James-Patterson-Romanen kennen und lieben. Wer ist die Katze und wer die Maus?

    Achtung SPOILER Einen Bruch leistet sich die Dramaturgie zudem am Ende. Konsequent wäre es gewesen, wenn Harry, wie der Täter genannt wird, die Entführungsnummer nur veranstaltet hätte, um seine Vorstellung von einem grandiosen Zaubertrick zu verwirklichen. Seine Rolle ist durch und durch psychopathisch angelegt, weshalb es logisch gewesen wäre, dass die Lösegeldforderung nur ein Ablenkungsmanöver darstellte. Statt dessen scheint es ihm aber von Anfang an in erster Linie um das Geld gegangen zu sein, sein Verschwinden später war nur Plan B. Das ist nicht schlüssig, denn der Film will uns bis dahin suggerieren, dass sich Harry absichtlich hat gefangen nehmen lassen. Ein derart überragend intelligenter Bösewicht wäre doch niemals so dumm gewesen, selbst bei der Lösegeldübergabe zu erscheinen, zumal er ja einen eher schlicht gestrickten Mittäter hatte. Und warum Madeline, vor die Wahl gestellt, den schließlich wehrlosen Harry zu erschießen, einzugraben oder erneut festzunehmen, ohne Not den Abzug drückt, dann aber nicht etwa vom eigenen Mann festgenommen wird, sondern sich neben ihn an die Theke setzt, um über ihre Eheprobleme zu reden, will auch nicht recht einleuchten. SPOILER Ende

    Der Film punktet mit einer Anti-Heldin der besonderen Art. Madeline ist eine Masochistin, eine Borderline-Persönlichkeit, die sich nur dann frei fühlt, wenn ihr Schmerzen zugefügt werden. Zudem hat sie offensichtlich Alkoholprobleme und ebenfalls ihr Mann scheint, auch wenn dies nicht explizit ausgesprochen wird, mit dem Fusel zu kämpfen. Ihr gegenüber sitzt im Verhörraum nun ein Mann, der sich in ihr wieder erkennt. Auch ihm geht es darum, sich frei zu fühlen. Er begreift die Situation als Spiel, als Zaubertrick. Sein Vorbild ist Harry Houdini, nach dem er sich benennt. Beide Figuren sind Grenzgänger, wobei der Bösewicht sich seinen Trieben ungeniert hingibt, während die Heldin noch mit ihrer Moral ringt.

    Die ruhige, insgesamt wenig aufgeregte Inszenierung des Thrillers weiß zu gefallen. Überflüssiges wird weggelassen, vieles muss sich der Zuschauer aus der Handlung erschließen. Das beugt der bei Polizei-Thrillern latent bestehenden Gefahr der intellektuellen Unterforderung des Zuschauers vor. Der ewigen Krankenschwester/Ärztin Maura Tierney ist die Rolle der Madeline praktisch auf den Leib geschrieben, ist doch auch ihre Leib-und-Magen-Rolle der Abby Lockhart im Kern eine Suchtgetriebene. Madeline ist da aber schon einen Schritt weiter, hat ihre Leidenschaft noch deutlichere Züge der Selbstzerstörung. Die Rolle verlangt Tierney einiges ab und man sieht ihr wirklich gerne zu. Auch Adrien Brody, hier noch in der Zeit vor seinen Oscar-Ehren, weiß als durchgeknallter Entfesselungskünstler zu gefallen. Allerdings erscheint er als etwas zu jung, um wirklich dämonisch zu wirken. Insgesamt handelt es sich bei „Oxygen“ um einen nicht unintelligenten, mit überraschenden Wendungen gespickten Spannungsfilm, der um eine politische Brisanz reduziert ist, aber mit guten Darstellern und einer geschickten Inszenierung zu unterhalten weiß.

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