Das Trio Studio Braun – das sind Heinz Strunk, Rocko Schamoni und Jacques Palminger – wurde mit Telefonstreichen bekannt, es folgten CDs und Theaterstücke. Jetzt kommt unter der Regie von Lars Jessen, der schon Rocko Schamonis Buch „Dorfpunks" verfilmte, der erste Film von und mit Studio Braun ins Kino. In „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" wird im Stil einer Dokumentation die fiktive deutsche Elektropop-Band „Fraktus" porträtiert, die in den 80er Jahren den Techno erfunden hat. Man merkt dieser urkomischen Mockumentary an, dass viele der Beteiligten auch im Musikgeschäft tätig sind, dessen Eigenheiten mit viel Liebe zum Detail geschildert werden.
Manager Roger Dettner (Devid Striesow) erzählt die Bandgeschichte von „Fraktus": 1980 aus der Vorläuferband „Freakazzé" hervorgegangen, entstand das Elektropop-Trio um Frontmann Dirk „Dickie" Schubert (Rocko Schamoni), Klangkünstler Bernd Wand (Jacques Palminger) und den Produzenten Torsten Bage (Heinz Strunk). Ihr zweites Album „Tut Ench Amour" von 1982 gilt als Meilenstein der Musikgeschichte – zahlreiche Musiker wie H.P. Baxxter von „Scooter" und Stephan Remmler von „Trio" bestätigen in Interviews die immense Bedeutung von „Fraktus" für ihre eigene Arbeit und die Entwicklung der Techno-Szene. Doch interne Streitigkeiten und der Wechsel der Plattenfirma führten 1983 zum missglückten dritten Album. Nach einem verheerenden Brand während eines Konzertes löste sich die Band im Streit auf. Bis auf den erfolgreichen Eurodisco-Produzenten Bage sind die Mitglieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. Mit dem Gedanken an eine Wiedervereinigung macht sich Roger Dettner auf die Suche nach den Bandmitgliedern, die seit mehr als 20 Jahren kein Wort miteinander gewechselt haben.
Zunächst spürt Dettner das bekannteste Fraktus-Mitglied auf: Torsten Bage. Der steinreiche Produzent lebt in einer Villa auf Ibiza, wo er Eurodisco-Musik produziert. Mit seiner DJ-Ötzi-Kappe und dem aus der Hose quellenden Arschgeweih ist er selbst sein größter Fan. Ganz anders dagegen Bernd Wand, den Dettner in seinem Elternhaus besucht, wo er mit Vater und Mutter Fraktus 2 gegründet hat. Im Hobbykeller veranstalten sie zusammen experimentelle Hausmusik, nebenbei hilft Wand im Optikerladen der Eltern aus. So extrovertiert und selbstverliebt Bage agiert, so zwanghaft und kleinkariert wirkt Wand. Der Sympathieträger unter den ehemaligen Fraktus-Mitgliedern ist ohne Frage Ex-Frontmann und Internetshop-Betreiber Dickie. Rocko Schamoni ist dabei kaum wiederzuerkennen: Vom bizarren Gebiss bis zur trotteligen Dumpfheit ist alles an ihm Dickie Schubert – die Verwandlung in den naiv-tumben Musiker ist eine Glanzleistung, die zu den Höhepunkten des Films zählt.
In Interviewausschnitten sind neben den bereits genannten Ikonen des Musikgeschäfts unter anderem Westbam, Blixa Bargeld, Jan Delay und Marusha zu sehen. Westbam gesteht sogar, das Rave-Signal des Members of Mayday-Hits „Sonic Empire" von Fraktus geklaut zu haben. Und steht damit nicht allein: Auch die New-Waver New Order haben angeblich von „Fraktus" abgekupfert. Wie die angeblichen Errungenschaften der fiktiven Band Fraktus in die tatsächliche Musikgeschichte eingewoben werden ist absolut stimmig: Vom Auftritt in der Musiksendung „Formel Eins" über die Gestaltung der Flyer bis zum eigentlichen künstlerischen Schaffen: „Fraktus" darf man getrost in einem Atemzug mit dem Mockumentary-Klassiker „This Is Spinal Tap" nennen.
Fraktus ist ein fabelhaftes Hirngespinst, aber Fraktus ist auch Studio Braun, denn über allem schwebt der typische Humor des Trios. Strunk, Schamoni und Palminger schaffen komisch überspitzte Porträts der vermeintlichen Musik-Pioniere und haben dabei ihre Technik perfektioniert: In verschwurbelten Satzgebäuden schaffen es ihre Figuren, viel zu reden und dabei nichts zu sagen. Schiefe Vergleiche und groteske Bilder, wie sie im Alltag versehentlich passieren, sind hier ständig zu hören. Vielleicht sogar zu oft, doch das ist eben die Handschrift von Studio Braun. Und das Beste kommt erst noch: Im November 2012 starten Fraktus ihre Tour durch Berlin, Leipzig, München, Köln und Frankfurt.
Fazit: Auch mit ihrem ersten gemeinsamen Film „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" kann das Studio Braun überzeugen. Voller Humor, liebevoller Details und seinem typischen Sprachwitz entwirft das Trio die erstaunlich authentisch wirkende Geschichte einer fiktiven Band.