Die große Stärke des Bestseller-Autors Martin Suter ist die schwerelose Verbindung zwischen (zumeist) Krimihandlungen und gesellschaftspolitischem Kontext – kein Wunder, nach seinem Beginn als Werbetexter und Reportagen-Autor schrieb der Schweizer Anfang der 90er Jahre als Wirtschaftskolumnist. Trotz des Erfolgs der Bücher hatten es die bisherigen Kinoverfilmungen „Lila, Lila“ und „Small World“ in den deutschen Lichtspielhäusern schwer, Zuschauer zu finden. Nun unternimmt Regisseur Ralf Huettner („Texas“, „Vincent will meer“) einen neuen Anlauf und versucht sich seinerseits an einer Suter-Adaption. Er nahm sich den 2010 erschienenen kulinarischen Krimi „Der Koch“ vor, findet aber in seinem gleichnamigen Film nie die richtige Balance zwischen den sehr unterschiedlichen Elementen. Er schwankt zwischen berauschendem Food-Verführer, Waffenhändler-Drama und tamilischem Freiheitskampf: Das Rezept ist vielversprechend, die Umsetzung allerdings unausgewogen und wenig harmonisch.
Der tamilische Asylbewerber Maravan (Hamza Jeetooa) ist ein begnadeter Koch, der seine Fähigkeiten als Hilfskraft in einem Zürcher Sterne-Restaurant unter dem strengen Regiment des Chefkochs Fink (Christoph Gaukler) verschwenden muss. Von seiner Großmutter in Sri Lanka hat Maravan die Kunst der Zubereitung von ayurvedischen Essen mit aphrodisierender Wirkung gelernt. Als er für seine Kollegin Andrea (Jessica Schwarz) ein anregendes Menü zaubert, landen die beiden anschließend wie von Sinnen betäubt im Bett – und das, obwohl die Kellnerin eigentlich lesbisch ist. Weil er sich über Nacht aus dem Lokal einen Rotationsverdampfer „geborgt“ hat, wird Maravan nach diesem Tête-à-Tête gekündigt. Das kommt ihm gar nicht ungelegen und er gründet mit Andrea eine eigene Catering-Firma. Sie bieten fortan Love Food an, das ihre Gäste in einen wahren Liebesrausch versetzt. Ihr zahlungskräftiger Kundenstamm wächst von Tag zu Tag, zu ihm gehört bald der skrupellose Schweizer Waffenhändler Eric Dalmann (Hanspeter Müller-Drossaart), der auch als Kunde von Andreas Lebenspartnerin, der Escortdame Makeda (Yrsa Daley-Ward), für Ärger sorgt. Derweil macht sich Maravan große Sorgen um seinen Neffen Ulugu (Faraz Ayub), der sich in Sri Lanka den Tamil Tigers angeschlossen hat, um als Rebell im Bürgerkrieg zu kämpfen…
Filme kann man nicht riechen und nicht schmecken: Das ist seit jeher das größte Manko des kulinarischen Kinos. Da kann Koch Maravan noch so sehr am Herd zaubern, der Genuss der Speisen bleibt immer Behauptung, obwohl sie von Kameramann Thomas Wildner („Mondscheintarif“) optisch sehr anregend präsentiert werden. Trotzdem ist die Atmosphäre dieser Szenen stimmig: Wenn Maravan begleitet von der orientalisch angehauchten Filmmusik den Löffel schwingt, dann nimmt man dem jungen Mann seine glühende Leidenschaft für das besondere Kochen ab. Entsprechend liegt eine gewisse Tragik darin, dass diese reine Lust später korrumpiert wird und Maravan sich zu so etwas wie einem kochenden Zuhälter entwickelt. Die Hauptfigur ist dennoch der Sympathieträger des Films und der überzeugende Hamza Jeetooa („Combat Hospital“) strahlt in der Rolle Ehre und Stolz aus. Maravans komplizierter Liebelei mit Sandana (Natalie Perera) - einschließlich eines familiären Ehearrangements - fehlen trotzdem die romantischen Funken und auch Jessica Schwarz („Das Parfum“) hat es nicht leicht – ihre Beziehung zu Yrsa Daley-Ward („Death Race: Inferno“) wirkt kühl und steril. Das mag auch daran liegen, dass Huettner die Sexualität seiner Geschichte nicht ausspielt und immer ausblendet, bevor es (zu) heiß wird.
Die persönliche Geschichte der Titelfigur steht im Zentrum, doch fehlt ihr wie dem gesamten Film die Tiefe. Das liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Nebenhandlungen, von denen sich keine so recht entfalten darf. Vieles bleibt holzschnittartig, stereotyp und klischeebelastet, besonders plakativ wirkt der Handlungsschlenker zu den tamilischen Rebellen, denen sich Maravans Neffe anschließt. Dem geht ein erzählerischer Bruch voraus: Regisseur Ralf Huettner und Drehbuchautorin Ruth Toma („3096 Tage“, „Dessau Dancers“) drehen die Kochhandlung auf kleine Flamme und politisieren ihre Geschichte recht unmotiviert. Wenn es dann um den Waffenhändler Dalmann (eine Schurkenfigur, in der die ganze Schlechtigkeit der Welt vereint ist) und die Verflechtungen der Schweizer Politik geht, befinden wir uns im Reich der reinen Kolportage und außerdem bahnt sich ein Zufall nach dem anderen seinen Weg. Gezwungen und konstruiert kommt schließlich auch das zuckersüße, pathosreiche Finale daher. Das unterlegt Regisseur Huettner mit Aimee Manns betörendem Song „Wise Up“, doch der wurde bereits auf ungleich genialere Weise in „Magnolia“ verwendet (hier die legendäre Szene) und so wirken die Emotionen hier zumindest für alle, die Paul Thomas Andersons Meisterwerk kennen, wie Gefühle aus zweiter Hand.
Fazit: Die Kunst des Kochens, eine Familiengeschichte, tamilischer Freiheitskampf, Terror und Integration: eine Menge Themen für einen Film. Zu viel für den halbgaren „Der Koch“, denn die Verbindung zwischen seichter Koch-Romanze und dramatischem Polit-Thriller geht ohne klaren Fokus nicht auf.