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    The Girl King
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    The Girl King
    Von Ulf Lepelmeier

    Königin Kristina von Schweden (1626-1689) ging nicht nur durch ihre maßgebliche Rolle bei den Verhandlungen zur Beilegung des Dreißigjährigen Krieges in die Geschichtsbücher ein, sondern führte ihr Land auch zur kulturellen Blüte und lehnte darüber hinaus jedwede politisch motivierte Heirat ab, was ihr - wie später der berühmten englischen Kollegin Elisabeth I. - den Beinamen „jungfräuliche Königin“ bescherte. Der finnische Regisseur Mika Kaurismäki („L.A. Without a Map“) wagt sich nun an die Verfilmung des Lebens der schillernden Schwedin, die sich über die (Gender-)Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte und nach zehnjähriger Regentschaft die Krone gegen ihre persönliche Freiheit eintauschte. Für die Schilderung der Intrigen am düsteren Königshof haben sich die Macher an Shekhar Kapurs „Elizabeth“ mit Cate Blanchett orientiert, doch dessen Qualität erreichen sie mit ihrem recht kolportagehaften Historiendrama trotz der markanten Darstellung von Hauptdarstellerin Malin Buska nicht.

    Schweden, 1632: Nach dem Tod von König Gustav II. Adolf wird dessen einzige Tochter Kristina (Lotus Tinat) zur Thronfolgerin. Bis zu deren Volljährigkeit übernimmt Reichskanzler Axel Oxenstierna (Michael Nyqvist) die Regierungsgeschäfte. Er ist auch für die Erziehung der Königin verantwortlich, die nach dem Willen ihres Vaters wie ein (männlicher) Kronprinz ausgebildet wird. So lernt das wissbegierige Mädchen fechten und reiten, sowie mehrere Sprachen und bekommt Zugang zu philosophischen Abhandlungen. Mit ihrem 18. Geburtstag übernimmt Kristina (nun: Malin Buska) die Herrschaft und verkündet, dass sie Schweden zu einem wichtigen Zentrum für Künstler und Philosophen machen will. Die freigeistige junge Königin macht sich mit ihren modernen Ideen und auch mit den von ihr vorangetriebenen Friedensverhandlungen zur Beendigung des dreißigjährigen Glaubenskrieges viele Feinde am Hof. Dann beginnt Kristina auch noch eine skandalöse Beziehung mit ihrer Kammerzofe Ebba Sparre (Sarah Gadon) und lädt den französischen Philosophen Descartes (Patrick Bauchau) als persönlichen Berater an ihren Hof ein...

    Das Hauptaugenmerk liegt in „The Girl King“ auf Christinas fast zehnjähriger Regierungszeit und hierbei insbesondere auf ihrem immensen Freiheitsdrang sowie ihrer Liebesbeziehung zu ihrer gutmütigen Kammerzofe Ebba Sparre. Mika Kaurismäki stürzt sich vor allem auf die skandalösen Wahrheiten und Legenden, die sich um Kristina ranken - von ihren lesbischen Neigungen, über den Wahn der Königinmutter bis hin zur möglichen Vergiftung Descartes‘. So erscheint „The Girl King“ als melodramatische Seifenoper in historischem Gewand: Kristina wird zur feministischen Vordenkerin und lesbischen Herrscherikone stilisiert, psychologisch bleibt das Porträt der ambivalenten Regentin jedoch oberflächlich, während die politischen Ränkespiele und Richtungskämpfe nur den nicht allzu genau betrachteten Hintergrund für die Lebensgeschichte der royalen Rebellin liefern.

    Nachdem bereits Schauspielgrößen wie Greta Garbo („Königin Christine“) und Liv Ullmann („Christina – Zwischen Thron und Liebe“) die Herrscherin verkörperten, darf sich in „The Girl King“ die junge Schwedin Malin Buska („Happy End“) in der Rolle profilieren. Sie betont in ihrem ausdrucksstarken Spiel den starken Willen und die Unangepasstheit der jugendlichen Königin. Mit dunkler Stimme und zupackendem „männlichem“ Gestus zeigt sie, wie sich Kristina gegen die bestehenden Geschlechterrollen auflehnt, mit Leidenschaft verkörpert sie die sehnsüchtige Liebe der Königin zu ihrer Kammerzofe. Kristina folgt hier auf sehr modern wirkende Weise ungehemmt ihren persönlichen Idealen und Wünschen, der klassische innere Konflikt zwischen Pflicht und Neigung wird hier dagegen kaum ausgetragen.

    Durch ihr Verhalten wird Kristina zwar immer angreifbarer für ihre Gegner, aber Kanzler Oxenstierna, dem Michael Nyqvist („Verblendung“) die beruhigende Aura eines väterlichen Beraters verleiht, steht ihr unbeugsam gegen den unzufriedenen Adel und Klerus zur Seite. Für schrille Töne sorgt dagegen Martina Gedeck („Bella Martha“, „Die Wand“) als Kristinas Mutter Maria Eleonora von Brandenburg: Die Witwe des Königs ist von ihrem verstorbenen Mann besessen und befindet sich am Rande des Wahnsinns. Der theatralisch ausgespielte Mutter-Tochter-Konflikt wird zum zentralen Faktor in Kristinas Emanzipationsbestrebungen, doch eine bemerkenswerte thematische oder psychologische Tiefe erreicht auch er nicht. So stehen die Aufgeregtheiten der Handlung in einem wenig fruchtbaren Kontrast zu ihrer für einen Historienfilm recht spröden Bebilderung.       

    Fazit: In Mika Kaurismäkis durchwachsenem Historiendrama über eine der schillerndsten Frauenfiguren der europäischen Neuzeit hat die zeitgeistige Stilisierung Vorrang vor der reflektierten Auseinandersetzung mit der Geschichte.

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