Nach 140 schrecklich oberflächlich-klischeehaften Minuten hat das Publikum gelernt, dass es zum Glücklichsein eigentlich nur drei Dinge braucht: italienische Touristen-Pasta, indische Chakren-Meditation und einen südländischen Lover, der aussieht wie Javier Bardem! Aber genug von der unsäglichen Julia-Roberts-Selbstfindungs-Schmonzette „Eat Pray Love“… denn selbst wenn nun auch Simon Pegg als welttourender Psychiater in Peter Chelsoms Romanverfilmung „Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück“ immer mal wieder mit lokalen Klischees (der Regisseur des ersten Glücksfilms ohne buddhistischen Mönch bekommt von uns einen Glückskeks!) in Berührung kommt, so hat der französische, selbst als Psychiater in Vietnam tätige Schriftsteller François Lelord seinen zugrundeliegenden Bestseller doch mit so vielen Momenten „wahren Lebens“ gewürzt, dass man als Zuschauer inmitten der von Hector in sein Tagebüchlein gedoodelten So-wird-man-glücklich-Kalendersprüche tatsächlich immer wieder ins Grübeln gerät.
Der Londoner Psychiater Hector (Simon Pegg) führt mit seiner Freundin Clara (Rosamunde Pike) ein Leben ohne Überraschungen, nicht einmal seine Honorare hat er in den vergangenen Jahren angepasst. Aber als ihm seine medial begabte Patientin Anjali (Veronica Ferres) eine große Reise voraussagt, gerät er ins Grübeln. Denn es gibt da tatsächlich etwas, für das sich ein Trip um die Welt lohnen würde: die Suche nach den Ursachen des Glücks! Denn obwohl Hector ein guter, ehrlich interessierter Zuhörer ist, zu dem alle seine Patienten immer gerne wiederkommen, so gelingt es ihm doch nicht, sie dauerhaft glücklich zu machen. Er entschließt sich also dazu, die Reise tatsächlich zu unternehmen. Seine ersten Stationen sind die Metropole Shanghai und ein in den nahen Bergen gelegenes Kloster, bevor es zu einem guten alten Freund ins tiefste Afrika weitergeht. Je länger Hector unterwegs ist, desto deutlicher wird, dass er nicht nur für seine Patienten, sondern auch für sich selbst nach dem wahren Glück forscht…
In Bücherläden gibt es ganze Regalwände voller Glücksliteratur und mit den meisten der dort angebotenen Werke ist es wie mit geschickt verfassten Horoskopen: Beim Lesen erkennt man sich zwar durchaus selbst in dem Geschriebenen wieder, aber mit etwas Distanz betrachtet entpuppen sich die klugen Sprüche allzu häufig als nichtssagende und austauschbare Worthülsen. In „Hectors Reise“ ist das zum Glück anders. Die von Hector gesammelten Weisheiten (etwa „Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, sich sein Glück zu vermiesen“ oder „Manchmal bedeutet Glück, etwas nicht zu begreifen“) mögen für sich genommen nach dem üblichen Sinnsuche-Schmarrn klingen, aber hier werden die Probleme der Welt eben nicht in „Eat Pray Love“-Manier hemmungslos geschönt oder gleich komplett ausgeblendet. Und das ist der entscheidende Unterschied: Hectors Erkenntnisse sind meist glaubhaft seinen Erlebnissen abgerungen und es wird dabei nicht so getan, als ließe sich alles Leid einfach so in Wohlgefühl verwandeln. Dazu hilft Simon Pegg („Shaun of the Dead“, „Star Trek“) mit seinem gewohnt trockenen Humor, den Film weitestgehend in einer kitschfreien Zone zu halten.
So lernt Hector in Afrika zwar wie erwartet, wie wichtig der Zusammenhalt in der Familie ist, er landet aber auch durchaus unerwartet im Kerker eines lokalen Warlords. Und der superreiche Geschäftsmann Edward (Stellan Skarsgård), für den selbst der Champagner in der Businessklasse wie Waschwasser schmeckt und der Hector ohne dessen Wissen in Hongkong eine studentische Prostituierte (ja, mal wieder eine mit einem Herz aus Gold = leider Klischee³) bezahlt, wird nicht einfach als kapitalistischer Arsch abgestempelt, sondern erweist sich auf seine eigene, sehr fatalistische Weise doch als ziemlich weise. Es sind diese Widerhaken und Zwischentöne, die einen noch nach dem Abspann über die gesammelten Weisheiten nachdenken lassen. Und wenn dann im finalen Drittel zusätzlich auch die chemisch-wissenschaftliche Seite des Glücks beleuchtet wird (wie gewohnt großartig: Oscar-Preisträger Christopher Plummer als Glücksforscher), merkt man noch einmal sehr deutlich, dass hier mit François Lelord eben kein New-Age-Scharlatan am Werk war, sondern jemand, der sich in seiner eigenen Karriere offenbar sehr ausführlich mit denselben Fragen beschäftigt hat, wie sie nun auch Hector für sich beantworten muss.
Fazit: Regisseur Peter Chelsom bewegt sich bei seiner kurzweilig-sympathischen filmischen Sinnsuche zuweilen am Rande des Glückskitsches, sein inszenatorisches Feingefühl und ein Schuss Realitätssinn bewahren ihn jedoch davor, zu sehr ins Klischeehafte abzudriften.