„Edna Million in a drop dead suit. Dutch Pink on a downtown train, two dollar pistol but the gun won't shoot. I'm in the corner in the pouring rain. 16 men on a deadman's chest and I've been drinking from a broken cup. 2 pair of pants and a mohair vest. I'm full of bourbon; I can't stand up.“ [1]
Da steht das Gesetz, hier stehen Zack (Tom Waits), Jack (John Lurie) und Roberto (Roberto Benigni) und dahinten stehen Laurette (Ellen Barkin) und Julie (Timothea). Das Gesetz greift durch, die beiden Frauen treiben an und die drei Männer leben in den Tag, allerdings auf unterschiedliche Weise. Der DJ Zack wechselt die Jobs wie die Unterhosen. Der Zuhälter Jack schlägt seine Huren nicht und döst in den Tag und der Italiener Roberto spricht kaum englisch und betrügt beim Kartenspiel. Jack wird reingelegt, als ihn ein gewisser Preston (Vernel Bagneris) zu einer Hure lockt, die gar keine ist, einem Kind. Die Polizei verhaftet ihn als potentiellen Kinderschänder. Zack wird reingelegt, als er für 1.000 Dollar eine Leiche im Auto transportieren soll, von der er nichts weiß. Beide landen im Knast – mehr aus eigener Unvorsichtigkeit, denn weil die Polizei immer an Ort und Stelle ist.
Sie mögen sich nicht, sind beide Einzelgänger, gehen sich auf die Nerven, raufen – bis sie sich – der Umstände wegen und aus Langeweile – miteinander arrangieren. Roberto, der beim Kartenspiel als Falschspieler enttarnt wurde und mit Billardkugeln traktiert wurde, landet bei ihnen, weil eine Kugel, die er zurückwarf, einen anderen tödlich traf.
„Hey little bird, fly away home, your house is on fire; your children are alone. Hey little bird, fly away home, your house is on fire; your children are alone.“ [1]
Jarmusch ist ein Meister des Minimalismus. Es reichen ihm wenige Personen, enge Räume, einfache Räume. Es reichen ihm Anklänge, auch an Klischees des Gangsterfilms, hier des Gefängnisfilms. Eine Zelle, zwei doppelstöckige Betten, drei Männer – fertig. Später ein Sumpf in Louisiana, eine Hütte, die fast aussieht wie die Zelle, ein Boot. Jarmusch erzählt und Robby Müller fotografiert „zwischen den Szenen“ des Hollywood-Films, das, was im Mainstream und seinen Abarten nicht zu sehen ist oder anders zu sehen wäre, was für unwert deklariert wird; hielte man etwas auf sich und auf gute Kunst, guten Geschmack und vor allem: hielte man etwas vom wirklichen Sehen statt vom trügerisch-spekulativen Blicken, wäre Hollywood ein bisschen anders.
Während Zack und Jack, die sich bislang durchs Leben geschmuggelt haben, aus lauter Langeweile eine unausgesprochene Vereinbarung treffen, die ihnen die Zeit vertreiben soll, prescht der Italiener Bob in die Zelle mit all seiner Vitalität und vor allem seinem Einfallsreichtum, der den dreien schließlich die Flucht ermöglicht. Anfangs meiden sie ihn, wenden ihre Blicke von ihm ab. Aber Roberto zückt seinen Notizblock, blättert und liest vor: Wenn Blicke töten könnten ... Man spielt Karten. Konvenienz heißt das Zauberwort für Jack und Zack, die beiden Holzköpfe, die sich – statt einen Ausweg zu suchen – lieber wieder klopfen, als die drei im Sumpf stecken, Hunger haben – während der schlaue Roberto doch etwas schlauer ist als sie und als das Kaninchen, das er anschleppt.
„Schiffer broke a bottle on Morgan's head and I've been stepping on the Devil's tail, across the stripes of a full moon's head, through the bars of a cuban jail, bloody fingers on a purple knife, a flamingo drinking from a cocktail glass. I'm on the lawn with someone else's wife, come admire the view from up onto of the mast.“ [1]
Wie in allen seinen Filmen folgt Jarmusch auf eine tragikomische, meist aber sehr sarkastische Weise den Spuren, die sich ergeben, wenn mindestens zwei Menschen aufeinander treffen. Da wird nichts zusätzlich inszeniert, da werden keine Räume mit allerlei Krempel ausstaffiert, da werden keine Wege mehr oder weniger insgeheim dem Publikum vorgegeben, da spielen der Zufall und der Weg aus dem Zufall die entscheidenden Rollen. Und der unverbrüchliche Egoismus von Jack und Zack, den Jarmusch nicht verdammt, sondern beobachtet und sich entwickeln lässt. Robby Müller gefiel es, dass der Film in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Das starke Grün des Wassers, auf dem die drei Männer mit einem Boot auf der Flucht sind, hätte vom Wesentlichen abgelenkt, die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich gezogen, meinte er. Recht hat er.
Wie kaum bei einem anderen leben Jarmuschs Filme von den Schwarz-, Weiß- und Grautönen einer Landschaft, wie sie auch kaum ein anderer so zeigen kann, wobei diese Bilder gelegentlich an den Finnen Kaurismäki erinnern. Wenn Müller mit seiner Kamera im Vorspann an den Häusern irgendwo in Louisiana vorbeifährt, zeigt er die Tristesse eines Amerika, das andere lieber nicht sehen oder zeigen wollen. Der Abfall liegt auf der Straße, Zacks extravagant spitze Schuhe auch, die Laurette samt seiner anderen Habe dorthin geschmissen hat. In all dem Unrat wechselt er die Schuhe, die er liebt, während er Laurette offenbar nicht vermisst. Trotz der minimalistischen Inszenierung aber gehört der Raum denen, die in ihm agieren. Und Jarmusch verschafft uns paradoxerweise gerade dadurch eine Fülle an Eindrücken, die jedem Mainstream-Film eben trotz der dort anzutreffenden pompösen Fülle an Dingen abhanden geht. Jarmuschs Räume sind eng, ob es eine Zelle ist oder die Sümpfe in Louisiana; sie weiten sich erst durch die, die er hineinstellt. Man betrachte die Szenen im Gefängnis, wenn Jack, Zack und Roberto am Gitter stehen und Roberto wissen will, warum die beiden anderen dort sind.
„Yellow sheets in a Hong Kong bed. Stazybo horn and a Slingerland ride, to the carnival is what she said, a hundred dollars makes it dark inside.“ [1]
„Down by Law“ ist so etwas wie ein Märchen, jedenfalls dann, wenn man den offenen Ausgang des Films betrachtet, den Weg dorthin, die formale Strenge, mit der sich Jarmusch an das Sub-Genre des Gefängnisfilms hält. „Down by Law“ ist aus einer anderen Perspektive aber vor allem ein ganz anderer Blick auf Amerika. Wenn Roberto am Schluss „seine“ Nicoletta (Nicoletta Braschi) findet, dann ist dies formal betrachtet ein märchenhaftes Heilsversprechen, ein Ankommen in der „zweisamen Einsamkeit“, während die beiden anderen die Straße weitergehen und sich an der Weggabelung trennen. Aber dieses Ankommen und dieses Trennen sind auch die Erkenntnis, das jeder seinen eigenen Weg gehen muss – nicht in einem oberflächlichen Sinn, wie es der Mainstream-Film so beschaulich platt-pädagogisch vor macht, sondern in einem nach der Geschichte überzeugenden, im positiven Sinn simplen Sinn. Jarmusch drehte – wie immer – einen anti-american-way-of-life-Film, der nicht nur dem Mainstream, sondern auch den dahinter steckenden ideologisch verblendeten Chiffren über das vermeintliche Amerika einen Schlag versetzt.
Auch die Besetzung kann voll überzeugen. John Lurie, der Musiker („The Lounge Lizards“), der u.a. auch in „Stranger than Paradise“ (1983), in Lynchs „Wild At Heart“ (1990) und „Paris, Texas“ (1984) zu sehen ist und die Musik zum Film schrieb, ergänzt sich hervorragend mit Tom Waits, der mit „Jockey Full of Bourbon“ und „Tango Till They're Sore“ zwei Songs zum Film lieferte, und Roberto Benigni, dessen Frau Nicoletta Braschi in einer Nebenrolle zu sehen ist – ein Trio infernale und ein komisches Trio zugleich. (Zuerst erschienen bei CIAO)
[1] Tom Waits: „Jockey Full of Bourbon“.