Nur auf den ersten Blick ähnelt David Lowerys „Ain’t Them Bodies Saints“ anderen Filmen über verbrecherische Pärchen wie Arthur Penns „Bonnie und Clyde“ oder Oliver Stones „Natural Born Killers”. Auch bei Lowery („St. Nick“) gibt es zwei Liebende, die bedingungslos füreinander einstehen und sich auf ihrem gemeinsamen Weg nehmen, was die Gesellschaft ihnen verwehrt. Doch dem Regisseur geht es dabei nicht um spektakuläre Banküberfälle oder rasante Verfolgungsjagden. Er erforscht viel mehr seine Figuren und lotet diese unterstützt von seinen herausragenden Schauspielern und mit Bildern von bestechender Schönheit aus. So gelingt Lowery eine feinfühlige Studie der Einsamkeit.
Amerika in den 70er Jahren: Die schwangere Ruth (Rooney Mara) und ihr Partner Bob (Casey Affleck) planen einen weiteren Coup. Doch dieses Mal läuft etwas schief: Auf der Flucht schießt Ruth den Polizisten Patrick Wheeler (Ben Foster) an. Bob nimmt die Verantwortung auf sich und geht ins Gefängnis, während Ruth das gemeinsame Kind groß zieht. Jahre der Trennung folgen, deren Schmerz auch durch zahlreiche Briefe nicht gelindert werden kann. Nach vier Jahren gelingt Bob die Flucht. Er hat nur das Ziel, zu Ruth zu kommen und zum ersten Mal sein Kind zu sehen. Doch Ruth lebt inzwischen in einer Kleinstadt unter den wachsamen Augen ihres Ziehvaters Skerritt (Keith Carradine). Und auch Polizist Wheeler droht in das Leben der verhinderten Kleinfamilie einzugreifen…
Liest man lediglich die Inhaltbeschreibung von „Ain’t Them Bodies Saints“ kann leicht ein falscher Eindruck entstehen. Wie gemacht für bittere Tränen, dramatische Gefühlsausbrüche und innige Liebesschwüre scheint diese Story, doch David Lowery hat anderes im Sinn und verzichtet auf jegliches Pathos. Auf den Spuren von Terrence Malick („Badlands“, „Tree Of Life“) gibt er seinen Figuren viel Raum zum Atmen und schafft stimmungsvolle Momente des Stillstands. In den von Kameramann Bradford Young poetisch eingefangenen Nahaufnahmen werden die Gesichter zu melancholischen Gefühlslandschaften, zu schmerzhaften Boten der Abwesenheit. Seine Geschichte erzählt Lowery zudem elliptisch: Welche Verbrechen Ruth und Bob begangen haben, bleibt ebenso unscharf wie Bobs Flucht aus dem Gefängnis. Auch die Tragweite der Beziehung zwischen Ruth und Wheeler verlangt vom Publikum viel Aufmerksamkeit, um verständlich zu sein.
Oft genügt Lowery eine Andeutung, vieles wird nicht auserzählt: Figuren tauchen unvermittelt auf, ihre Position im Beziehungsgefüge des Films offenbart sich erst allmählich. Seine emotionale Wucht und atmosphärische Dichte verliert „Ain’t Them Bodies Saints“ trotz der schemenhaften Erzählung dennoch nie. Dazu hat Lowery auch ein viel zu gutes Schauspieler-Ensemble beisammen. Durch ihr zurückgenommenes, dennoch intensives Spiel, machen die drei Hauptdarsteller Rooney Mara („Side Effects“), Casey Affleck („Gone Baby Gone“) und Ben Foster („The Messenger“) die innere Zerrissenheit ihrer Figuren spürbar und entwickeln eine bewegende Dreiecksbeziehung. Besonders Casey Afflecks Monolog vor einem Spiegel brennt sich ein, gelingt es ihm doch in einer einzigen Szene und mit wenigen Worten die gesamte Tragik von Bobs Situation so eindringlich zu bündeln, dass es unter die Haut fährt. Heimlicher Star des Films bleibt aber dennoch Keith Carradine („Die Duellisten“): Als undurchsichtige Vaterfigur Skerritt reißt er mit seinem charismatischen Spiel jede seiner Szenen an sich und steigert noch einmal die ohnehin schon hohe Intensität eines bemerkenswerten Films.
Fazit: Die Story wirkt wie ein gewöhnliches Melodram, doch „Ain’t Them Bodies Saints“ ist viel mehr. Dank großartiger Bildern und hervorragenden Darstellern gelingt David Lowery eine Charakterstudie von bemerkenswerter emotionaler Kraft.