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    The King of Pigs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The King of Pigs
    Von Tim Slagman

    Japanische Animes haben mit ihren stilistischen Eigenheiten längst auch im Westen viele Fans, koreanische Animationsfilme sind dagegen hierzulande noch deutlich unbekannter. Sang-ho Yeon ist nun ein Pionier in der deutschen Kinolandschaft, denn seinen Erstling „The King of Pigs“ aus dem Jahre 2011 kommt nun über das Label „Cinema Obscure“ in ausgewählte deutsche Lichtspielhäuser. Was Sang-ho Yeons zwei bisherige Langfilme – inzwischen hat er den ebenso gewalttätigen „The Fake“ nachgelegt – vor allem auszeichnet, ist die Kompromisslosigkeit, mit der er sich sozialen Hierarchien und ihren fatalen Folgen widmet. Ernste Themen sind im international sehr vielfältigen Animationsfilm längst kein Grund mehr zum Staunen, aber Sang-ho Yeons Filme faszinieren vielmehr dadurch, dass die cartoonhafte Übertreibung immer wieder in dieser Seriosität geerdet wird und umgekehrt die Seriosität mit den emotionalen Vereinfachungen des Genrekinos aufgewühlt wird.

    Alles beginnt bereits mit einer Toten, einem Mord womöglich: Dann ruft Kyung-min seinen alten Kumpel Jong-suk an. Sie besuchen ein Restaurant und sprechen dort über ihre Schulzeit, die 15 Jahre zurückliegt. In der Hackordnung standen sie ganz unten, gequält von Mitschülern, die großmäuliger, kräftiger waren als die beiden – aber, auch dies schimmert immer wieder durch, die wohlhabende, gesellschaftlich anerkannte Eltern im Rücken hatten. Eines Tages, als Kyung-min wieder besonders traktiert wird, greift der vorher so unauffällige Chul ein. Zusammen bilden sie fortan ein Trio der Unterdrückten, in dem sich bald eine todbringende Dynamik entwickeln wird.

    Der entsetzliche Anfang sieht bei Sang-ho Yeon so aus: ein Schluchzen, ein Wimmern, solange die Leinwand noch schwarz ist, bald der Blick in leere tote Augen. Die Kamera fährt Gesicht, Hals, Schultern, Körper der toten Frau hinab. Dieses ästhetische Verfahren assoziiert man spontan mit dem Realfilm, das verfrühte Hören und das Durchqueren des Raumes beschreiben eine filmische Realität und eine Handlungsumgebung, die unabhängig von der Kamera existiert und von dieser erkundet wird. Genauso gibt es aber die Überzeichnungen, die überdeutlichen Signale und Metaphern, die kaum einem Realfilm mit minimal realistischem Anspruch verziehen würden – am auffälligsten in den Gesichtern, den zackig ins Raubtierhafte zusammengezerrten Augenbrauen und den gefletschten Zähnen.

    Wenn in „The King of Pigs“ gelacht wird, dann ist es ein irres Lachen. Sang-ho Yeon taucht tief ein in die destruktiven Emotionen der Pubertät und koppelt diese mit den Ausgrenzungsmechanismen des modernen Kapitalismus: Jong-suks Familie hatte nie Geld, Kyung-mins Vater betreibt einen Puff, Chuls Mutter arbeitet dort, dessen Vater hat sich aus dem Staub gemacht. Diese Narben, daran lässt die Geschichte keinen Zweifel, werden nie verheilen, die ehemaligen Prügelknaben sind längst selbst zu Tätern geworden.

    Diesen Sozialrealismus verziert und verzerrt Sang-ho Yeon mit Anspielungen auf die großen Erzählungen von Jugendgewalt und selbstgerechtem Aufbegehren: Nichts als Schweine seien sie, das Vieh der Reichen, erzählt Chul, und zu Monstern müssten sie werden. Ist der „Herr der Fliegen“ in William Goldings gleichnamigen Literaturklassiker zumindest vordergründig nicht auch ein verwesender Schweinekopf? Waren die Schweine nicht erst die Revolutionäre und später dann die neuen Unterdrücker in Orwells „Animal Farm“? Auch Sang-ho Yeons Film ließe sich allegorisch lesen, als Versuchsanordnung zur Gewalt, die stets neue Gewalt hervorbringt. Doch der Regisseur, der auch selbst das Drehbuch verfasste, gibt sich große Mühe, die Figuren mit je eigenen Eigenschaften und Lebenswelten zu versehen, die sie über ihre Aufgabe als Funktionsträger in einer rabenschwarzen Fabel hinausheben.

    Natürlich sticht vor allem die Direktheit, der Ernst, die Sozialkritik, auch das Verhältnis zur Gewalt, die hier zentral ist, aber eher analysiert denn ausgestellt wird, ins Auge und wird sicher in vielen verdienten Lobpreisungen auf „The King Of Pigs“ herausgestellt. Aber die Kunstfertigkeit besteht vielmehr darin, wie all dies sich einfügt in einen Kosmos, der dennoch tief verwurzelt ist in den spektakulären Zeigeregeln des Animationsfilms. „The King of Pigs“ ist ernst und hysterisch, analytisch und übertrieben zugleich, und in dieser gelungenen Balance liegt seine Anziehungskraft.

    Fazit: „The King of Pigs“ erzählt drastisch und konsequent aus dem Leben von geprügelten Teenagern. Die Grenzen der klassischen Inszenierungsstrategien von Zeichentrick und Realfilm verwischt Sang-ho Yeon dabei auf gekonnte Weise.

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