Mit dem Familienabenteuer „Ein Pferd für Winky" und der Fortsetzung „Wo ist Winkys Pferd?" drehte die niederländische Regisseurin Mischa Kamp zuletzt zwei Filme, die allein schon aufgrund ihrer Pferde-Thematik vor allem Mädchen ansprachen. Mit „Tony 10" bringt sie nun auf den ersten Blick einen Jungsfilm ins Kino: Ihre Hauptfigur ist der neunjährige Tony, der eine besondere Beziehung zu seinem Vater pflegt - und statt Pferden stehen nun Baukräne in verschiedenen Größen und Ausführungen im Mittelpunkt. Aber wie auch schon bei den Vorgängern erzählt Kamp auch hier im Kern eine Geschichte gleichermaßen für Mädchen und Jungen: Ihre Schilderung des Auseinanderfalls einer Familie in „Tony 10" kratzt allerdings immerzu nur an der Oberfläche der Probleme. Herausgekommen ist somit ein unaufgeregter Kinderfilm mit simplen Figuren und einem schlichten Handlungsverlauf, bei dem allerdings das Ende überrascht.
Der kleine Tony (Faas Wijn) konnte früher einen Kran bedienen als laufen. Sein Vater Gilles (Jeroen Spitzenberger) ist nämlich nicht nur Hobby-Trompeter, sondern auch der tatkräftige Besitzer einer Baufirma mit allen möglichen Kränen: vom kleinen Modell bis zum Riesenkran, bekannt als „das Biest". In Tonys Adern fließt „Kranblut" wie es in seiner darüber sehr glücklichen Familie heißt. Doch als der erfolgreiche Gilles als niederländischer Verkehrsminister in die Dienste der Königin (Annet Malherbe) tritt, beginnt die Entfremdung von seiner Frau Sissy (Rifka Lodeizen), die nach einer Affäre Gilles‘ in der Trennung des Ehepaares mündet. Mit großer Beharrlichkeit versucht ihr neunjähriger Sprössling, die Scheidung zu verhindern und seine Eltern wieder zusammenzubringen.
Mischa Kamp setzt bei „Tony 10" auf klare Konturen und Einfachheit. Die Geschichte wird langsam und nachvollziehbar aufgebaut, auch die Figurenzeichnung ist recht einfach gehalten. Da ist Tony schnell als kranbegeistertes Papakind etabliert, der Vater schlicht und einfach der beste Kumpel seines Sohnes und die Mutter die hingebungsvolle Mama, die unter der neuen Flamme ihres Ehemanns leidet. Mit der ungemein volksnahen Königin, die dem jungen Protagonisten hilfreich zur Seite steht, rückt Kamp „Tony 10" endgültig in die Nähe eines Märchens – ein opulenter Ball und eine Partie Tischtennis mit Ihrer Majestät inklusive. Die Regisseurin arrangiert auf diese Weise eine leichtverdauliche und kurzweilige Mischung aus „Das doppelte Lottchen" und „Bob, der Baumeister".
„Tony 10" ist nicht nur kindgerecht, sondern auch aus der Perspektive des kindlichen Protagonisten erzählt: Während das Gefühlsleben und die Motivation der Erwachsenen im Hintergrund bleiben, treibt das Bedürfnis Tonys nach Harmonie im Elternhaus die Handlung voran. Dieses bringt der Junge auch in seinem Off-Kommentar zum Ausdruck, durch den die Identifikation des jungen Zielpublikums mit dem Protagonisten noch verstärkt wird. Am Ende hat Regisseurin Kamp dann auch eine klare Botschaft für all diejenigen kleinen Zuschauer, die bei sich zu Hause ähnliche Erfahrungen wie Tony machen mussten und müssen: Der Kran-Fanatiker sieht ein, dass seine Eltern nicht wieder zusammenkommen werden und vor allem versteht er, dass es unter den gegebenen Umständen auch besser so ist. Diese feinfühlig vermittelte Erkenntnis ist die beste Idee des Films, auch wenn sie nicht unbedingt zu einem Märchen passen mag. Und das Trennungsthema bekommt eine augenzwinkernde weitere Facette, wenn Tony durch eine pfiffige Klassenkameradin lernt, dass das Dasein als Scheidungskind auch Vorteile haben kann.
Fazit: Mit ihrem neuesten Kinderfilm „Tony Ten" liefert Mischa Kamp nette, bisweilen märchenhafte Unterhaltung für ihr junges Zielpublikum – erweitert um eine Aussage, die durchaus überrascht.