Wenn es in Filmen um alleinerziehende Mütter geht, werden meist ganz schnell die existenziellen Probleme ausgepackt: kein Geld, keine Wohnung, keine Fürsorge. Das ist natürlich schön dramatisch, geht aber an der Lebenswirklichkeit der meisten alleinerziehenden jungen Frauen vorbei, die nämlich sehr wohl gute Mütter sind und ihren herausfordernden Alltag auch ordentlich organisiert bekommen. Eine solche ist auch die Titelheldin Kinga (absolut mitreißend: Roma Gasiorowska) in Leszek Dawids Debütfilm „Ich heiße Ki“, der bereits 2011 seine Weltpremiere im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig feierte, sich aber auch vier Jahre später noch absolut auf der Höhe der Zeit befindet: Ki ist fraglos eine liebevolle Mutter und fordert dennoch ohne schlechtes Gewissen dauernd Hilfe von ihren besten Freundinnen ebenso wie von flüchtigen Bekannten ein – schließlich will sie nicht darauf verzichten, auch selbst mal Spaß zu haben und sich zu verwirklichen, nur weil der Vater (Adam Woronowicz) ihres Sohnes ein selbstbezogener Nichtsnutz ist.
Dass Ki dafür bei jedem ausgestreckten kleinen Finger gleich die ganze Hand nimmt, macht den Film zu einer spannend-ambivalenten Erfahrung, bei der das Publikum die Grenzen seiner eigenen Hilfsbereitschaft austesten kann. Am Ende landet man immer wieder auf der Seite von Ki, denn das mit der Selbstverwirklichung ist hier nicht nur eine Floskel, die Protagonistin hat vielmehr tatsächlich etwas Kraftvolles zu sagen: So arbeitet die als Nacktmodel für Kunststudenten jobbende Ki etwa an einem Video-Kunstprojekt, in dessen Zentrum eine Installation stehen soll, bei der sie selbst in der Mitte des Raums in einem Käfig hockt, während ihr kleiner Sohn auf einem Stuhl als eine Art Gefängnisaufseher über sie wacht. Dieses Potential macht es auf der anderen Seite für den Zuschauer aber noch ernüchternder (wenn es auch absolut schlüssig ist), dass Ki nach 90 Minuten noch genau dort steht, wo sie zu Beginn des Films angefangen hat. Bei so viel ungeschönter Alltagsnähe (mit Ausnahme des fetten Erpressers vom Sozialamt, der in dieser klischeehaften Form besser in einen Genre-Kontext passen würde wie bei „Verblendung“) wünscht man sich wider besseres Wissen schon ein kleines bisschen, dass Regisseur Dawid uns wenigstens in den letzten fünf Minuten einfach ein Märchen auftischen würde.
Fazit: „Ich heiße Ki“ ist ein ebenso kraftvolles wie ehrlich ambivalentes Porträt einer modernen jungen Frau, die auch als alleinerziehende Mutter leben statt nur überleben will – und Roma Gasiorowska ist als Ki eine absolute Wucht!