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    Man lernt nie aus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Man lernt nie aus
    Von Christoph Petersen

    Eine Hollywood-Komödie über einen Rentner, der ein Praktikum in einem hippen New Yorker Internet-Start-up absolviert: Da erwartet man, dass der Greis von der Technik überfordert ist und nicht einmal den Knopf zum Einschalten beim Laptop findet. Zum Glück ist Nancy Meyers' „Man lernt nie aus“ aber ein ganz anderer Film geworden, denn Ben Whittaker ist auch mit 70 ein Praktikant, wie man ihn sich fähiger kaum wünschen kann. Die Bewerbung soll als YouTube-Video eingereicht werden? Kein Problem, Ben schafft sich die Technik drauf und hält vor der Kamera eine Vorstellungsrede, nach der ihm jeder halbwegs fähige Personaler sofort eine Vollzeitstelle anbieten würde. Es macht überraschend viel Laune, dem potenten Senior einfach nur dabei zuzusehen, wie er sich mit unbedingtem Willen und der Erfahrung eines ganzen Arbeitslebens in der schönen neuen Start-up-Welt zurechtfindet. Aber dann verlagert „Was Frauen wollen“-Regisseurin Meyers den Schwerpunkt ihrer Komödie zunehmend vom Beruflichen ins Private – und was sie über die Liebesprobleme einer Start-up-Heroine zu erzählen hat, ist weit weniger spannend.

    Seit seine Frau vor dreieinhalb Jahren gestorben ist, hat Ben Whittaker (Robert De Niro) bereits alle seine Flugmeilen aufgebraucht, um die ganze Welt zu bereisen. Aber nun sehnt er sich danach, wieder gebraucht zu werden und morgens einen Grund fürs Aufstehen zu haben. Deshalb zögert er auch keine Sekunde, als er einen Werbe-Flyer für ein Senioren-Praktikum bei einem Online-Mode-Shop entdeckt. Er bekommt den Job und wird sogar direkt der mit einem Fahrrad durchs Loft-Büro fahrenden Gründerin Jules Ostin (Anna Hathaway, „Interstellar“) zugeteilt. Die ist zunächst allerdings mehr als skeptisch, denn neben Mann, Kind und 16-Stunden-Tagen im Büro hat sie echt nicht die Zeit, sich auch noch um einen Praktikanten zu kümmern, der mehr als doppelt so alt ist wie sie. Erst nach und nach erkennt sie, dass Ben eine echte Stütze sein kann – und zwar nicht nur, wenn es darum geht, Ordnung in das Start-up-Chaos zu bekommen…

    Im Gegensatz zu dem abwegigen Quidditch-Turnier-Unfug im Google-Werbefilm „Prakti.com“ schildert Nancy Meyers den Start-up-Alltag erstaunlich realistisch (die FILMSTARTS-Redaktion selbst sitzt ja auch in so einem typischen Berliner Hinterhof-Loft, das früher mal eine Tanzschule war). Nun muss „realistisch“ natürlich nicht immer gleich „gut“ und erst recht nicht „unterhaltsam“ bedeuten, aber der zweifache Oscarpreisträger Robert De Niro (für „Der Pate 2“ und „Wie ein wilder Stier“) besitzt als Ben eine solche zupackende Art und eine solche Selbstsicherheit, dass seine Begeisterung für die neue Stelle – selbst wenn es „nur“ ein Seniorenpraktikum ist – sofort auf das Publikum überspringt. Manchmal kann es schon sehr erfüllend sein, einfach nur guten Leuten dabei zuzusehen, wie sie einen guten Job machen - die erste Hälfte von „Man lernt nie aus“ ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

    Natürlich ist so ein Büroalltag - hektische CEO-Suche und unaufgeräumter Schreibtisch hin oder her - nicht sonderlich actionreich. Aber während es uns vollkommen gereicht hätte, De Niro weiter beim Spreadsheet-Analysieren zuzuschauen, versucht Meyers auf Biegen und Brechen, noch ein wenig Action in den Plot zu pressen. Also müssen Ben und zwei Kollegen nach einer versehentlich verschickten E-Mail in das Haus von Jules‘ Mutter einbrechen, um ihren Laptop zu klauen. Einer von mehreren völlig überflüssigen Schlenkern in einem ohnehin schon zu langen Film. Zudem entwickelt sich Ben immer mehr von einem beruflichen auch zu einem privaten Mentor für Jules – und das ist nicht nur mitunter allzu gefühlsduselig, es hebelt auch die zuvor etablierte fortschrittliche Perspektive auf das heutige Berufsleben zum Teil wieder aus: Denn offenbar braucht eine erfolgreiche Geschäftsfrau auf Dauer doch einen ergebenen Old-School-Gentleman an ihrer Seite, der ihr im richtigen Moment ein Stofftaschentuch reicht, um damit die Überforderungstränen wegzuwischen.

    Fazit: Nancy Meyers scheint nach der Hälfte der Spielzeit der Tragkraft ihrer eigenen Geschichte nicht mehr zu trauen – und damit geht’s für den Film rapide bergab.

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