Zu den Gesetzmäßigkeiten des Genre-Kinos gehört, dass der Zuschauer typische Erzählmuster und Motive wiedererkennt. Clevere Filmemacher nutzen dieses Vorwissen des Publikums, um mit den daraus resultierenden Erwartungen zu spielen und die Regeln auch einmal ganz gezielt zu unterlaufen. Im (post-)modernen Kino wiederum wird diese Selbstbezüglichkeit gerne noch weiter auf die Spitze getrieben und offen zur Schau gestellt: Nun kennen sogar die Filmfiguren die ehernen Genre-Gesetze – in Wes Cravens satirischem Slasher-Meilenstein „Scream“ etwa zitieren sie explizit einschlägige Beispiele und umgehen so einige Fallen. Die Protagonisten von Brad Furmans Spieler-Thriller „Runner Runner“ haben allerdings anscheinend noch nie irgendwelche Hollywood-Filme gesehen. Während jeder noch so unbedarfte Zuschauer schnell weiß, was auf den von Justin Timberlake gespielten Princeton-Studenten Richie zukommt, reitet der sich blindlings in den doch eigentlich vorhersehbaren Schlamassel. Hier wird die filmische Wanderung auf ausgetretenen Pfaden wenig überzeugend als Abenteuertrek auf frisch entdeckten Risikorouten ausgegeben, darüber können auch die gute Besetzung, die tolle Kulisse Costa Ricas und die opulente Optik nicht über die volle Distanz hinwegtäuschen.
Richie Furst (Justin Timberlake) ist ein hochbegabter Mathe-Student in Princeton, doch die Elite-Universität ist für ihn eigentlich viel zu teuer. Er kann sich das Studium nur leisten, indem er sich das nötige Geld kurzerhand als Buchmacher auf dem Campus dazuverdient. Als die Unileitung ihn dazu drängt, seinen lukrativen „Laden“ zu schließen, wird es eng für Richie. Er muss binnen einer Woche 60.000 Dollar aufbringen, um nicht von der Uni zu fliegen. Er kratzt sein ganzes Geld zusammen, riskiert es beim Online-Poker – und verliert alles. Doch Richie ist sich sicher, dass er betrogen wurde. Um das zu beweisen, reist der Poker-Profi kurzerhand nach Costa Rica, wo Ivan Block (Ben Affleck), der schwerreiche Betreiber des Poker-Portals, sein Imperium eingerichtet hat. Richie schafft es zu dem intelligenten, aber zwielichtigen Firmenboss durchzudringen und beeindruckt ihn so sehr, dass er ihm einen Job anbietet. Richie schlägt begeistert ein – und macht sich in seinem neuen Luxusleben an Blocks mondäne Ex-Freundin Rebecca Shafran (Gemma Arterton) ran. Doch dann nimmt FBI-Agent Shavers (Anthony Mackie) den neureichen Studenten in die Zange und Richie dämmert, dass Blocks Geschäfte vielleicht tatsächlich nicht ganz sauber ablaufen…
„Runner Runner“ ist eine Augenweide. Regisseur Brad Furman („Der Mandant“) setzt die drei schnieken Hauptdarsteller vorteilhaft in Szene, während Kameramann Mauro Fiore („Avatar“) mit exquisiten Einstellungen förmlich in der exotischen Schönheit Costa Ricas badet. Gemeinsam zelebrieren sie das ausschweifende Luxusleben des Online-Millionärs Ivan Block und liefern dabei eine imposante Illustration der alten Weisheit „Geld regiert die Welt“. In Costa Rica ist für den reichen Amerikaner jedenfalls alles käuflich (einschließlich der Regierung) und sämtliche Probleme lassen sich mit ausreichend Schotter beseitigen – auch wenn er manchmal für eine gewaltsame Lösung zahlen muss. Ben Affleck spielt den aalglatten und über Leichen gehenden Geschäftsmann in seinem eigenen kleinen Reich zunächst herrlich ambivalent und gleichzeitig mit viel Charme. Doch die Untiefen erweisen sich als bloß angetäuscht und gegen Ende bleibt dem künftigen Batman Affleck nichts anderes übrig als den Schablonen-Fiesling von der Kette zu lassen.
Dass der zunächst schillernde Schurke immer mehr zum 08/15-Luxusgauner verkommt, spiegelt bedauerlicherweise die Schwächen der gesamten erzählerischen Anlage. Das Drehbuch von David Levien („Solitary Man“) und Brian Koppelman („Ocean’s Thirteen“) bietet kaum einmal eine unerwartete Wendung, einen originellen Dreh oder auch nur überraschende Details – nach dem flotten Beginn und einer effektiven Einführung der durchaus reizvollen Themen und Figuren geht schnell alles bieder seinen vom Genre vorgezeichneten Gang und so verflacht der Film im Lauf der zweiten Hälfte der nur 92 Minuten Spielzeit zusehends. Daran können auch die engagierten Stars letztlich nicht viel ändern. Das gilt für den schon erwähnten Affleck ebenso wie für die braungebrannte Gemma Arterton („Hänsel und Gretel: Hexenjäger“), die eine Variation des exotischen Bond-Girls im autarken Kleinstaat des Gangsters spielt, und für Hauptdarsteller Justin Timberlake („The Social Network“) als blind vor Gier in sein Verderben rennender Sympathieträger. Für Farbtupfer sorgen da höchstens noch ein paar neckische Seitenhiebe auf die CIA und ihre dubiosen Aktivitäten in der „Bananenrepublik“ Costa Rica, aber solche bissigen Kleinigkeiten bleiben in dem ansonsten zahnlosen Thriller Ausnahmen.
Fazit: Auf den ersten Blick ist Brad Furmans Thriller „Runner Runner“ mit seiner Starbesetzung und seinen üppigen Schauwerten eine große Nummer, doch unter der glänzenden Oberfläche des exotischen Filmcocktails steckt nur wenig inhaltliche und erzählerische Substanz.